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ARC: Rallye Zwettl

Der „göttlichste“ Rallye-Champion Österreichs

Kurt Göttlicher, der 62-jährige Vizemeister der Austrian Rallye Challenge 2014, hat im Raum Zwettl vor mehr als 45 Jahren sein erstes Rallyeauto gesehen. Was dann folgte, war oft an der Grenze des Wahnsinns gelagert – Österreichs „göttlichster“ Rallye-Champion könnte mit seinen „Gschichtln“ ein Buch füllen…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Otto Lehr, Karl Brunner, privat

„Das ist eine regelrechte Auferstehung“, jubelt Kurt Göttlicher. Der 62-jährige Rallye-Staatsmeister 1994 und Vize-Europameister 1996 freut sich „wahnsinnig“ auf die bevorstehende Braustadt-Burg Rallye Zwettl, bei der er wieder seinen historischen Ford Sierra Cosworth zünden wird. Denn mit dem bevorstehenden zweiten Lauf zur Austrian Rallye Challenge kehrt der Rallyesport erstmals seit 46 Jahren in das Gebiet rund um Zwettl zurück. Göttlicher verbindet damit ganz persönliche und für ihn elementare Erlebnisse…

Damals, vor etwas mehr als 46 Jahren also, waren die Sonderprüfungen der nunmehrigen Braustadt-Burg Rallye Zwettl allesamt Schotterprüfungen, heute werden sie auf Asphalt abgehalten. Die Sonderprüfung Krumau-Rastenfeld (SP 5 und SP 7) hat für Kurt Göttlicher eine ganz besondere Bedeutung, denn dort sind er und sein Freund Sepp Pointinger, ebenfalls ein Urgestein des österreichischen Rallyesports, aufgewachsen. Göttlicher erzählt: „Ich komme aus Rastenfeld, Sepp aus Rastenberg, die beiden Ortschaften liegen nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Als die Semperit-Rallye hier Station machte, hieß es: ‚Die Wilden kommen – das schauen wir uns an!‘ Er war 14, ich war 16 Jahre alt, da haben wir zum ersten Mal Rallyeautos gesehen.“

„Was die Wappler können, können wir schon lang“

Göttlicher erinnert sich: „Es gab damals eine Prüfung mit Namen ‚Mottinger Amt‘, dort gab es eine Kurvenpassage und die haben wir uns angeschaut. Da fuhren noch die alten Lancia oder Günther Janger auf einem Sport-Käfer. Es hat nicht lange gedauert und wir haben gesagt: ‚Was die Wappler hier können, das können wir schon lange!‘ Wir haben die Fahrten der Piloten ‚mitgestoppt‘ – sprich: Wir haben laut gezählt, bis sie am Horizont verschwunden waren: ‚Einundzwanzig, zweiundzwanzig und so weiter‘. Am nächsten Tag haben wir den 40 PS-Käfer meiner Tante genommen und sind die Passage selbst gefahren. Und da haben wir erneut mitgezählt – und waren nur um eine Sekunde langsamer. Mein Gott, waren wir naiv. Aber wir wollten es unbedingt wissen.“ Zwei Jahre später wurden bereits erste „Ausweis-Rallyes“ absolviert – das waren Rallyes für Hobbypiloten, eine Art Vorgänger der heutigen ARC-Rallyes…

Ein Schuppen als Notausgang

Göttlicher schmunzelt: „Damals war der Rallyesport ganz anders als heute, das kannst du dir nicht vorstellen - der Sport steckte noch in den Kinderschuhen. Ein Beispiel: Das Wirtshaus Gamerith, wo heute das Ziel der Krumau-Prüfung ist, gab es

schon damals! Da gab es eine 500 Meter lange Gerade und direkt beim Wirtshaus eine Rechts drei-Kurve – es gab aber auch einen Notausgang und der führte jedoch über einen Feldweg direkt in den Schuppen eines Bauern. Mindestens zehn Autos sind in diesem Schuppen gelandet – nun, was hat der Bauer gemacht? Im nächsten Jahr hat er das vordere Tor geöffnet und auch hinten ein offenes Tor installiert, sodass die Autos, die den Notausgang nahmen, einfach durch den Schuppen hindurch fuhren. Das war dermaßen verrückt – so etwas ist heute gar nicht mehr möglich.“

Das Cockpit voller Hände

Nach dem großartigen „Erfolg“ mit dem Käfer der Tante hat es sowohl Göttlicher als auch Sepp Pointinger nach einiger Zeit in der Heimat schließlich in die „große weite Welt“ gezogen. Stundenlang könnte man Göttlicher zuhören, wenn er von der verrückten alten Zeit erzählt. Etwa von der Rallye Elfenbeinküste in Afrika. Göttlicher erzählt: „Das war tiefstes Afrika. Damals wurde auch in der Nacht gefahren und es gab in einem Dorf eine Zeitkontrolle. Die Einwohner wollten uns unbedingt mit ihren Händen berühren – du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Hände in so ein Cockpit passen, das gesamte Cockpit war voller Hände, die uns allesamt berühren wollten.“

„Dann hast du Pech gehabt!“

Göttlicher lacht: „Mein Pech war nur, dass eine dieser Hände meine Brille mitgehen ließ. Es war Nacht und ich konnte nichts mehr sehen – da ging ich zu einem Servicetechniker, der Brillenträger war. Ich habe ihn gefragt: ‚Bist du weit- oder kurzsichtig?‘ Er antwortete: ‚Kurzsichtig!‘ Schwupp, schnappte ich seine Brille und sagte: „Dann hast du Pech gehabt!“

„Bin ich noch bei Verstand?“

Ernsthafte Zweifel nicht nur an seiner Sehkraft, sondern auch am eigenen Verstand ereilten Kurt Göttlicher ebenfalls in Afrika auf einer der unendlich langen Landstraßen. Göttlicher erzählt: „Dort geht es über 30 Kilometer nur geradeaus, wenngleich die Straße hügelig war. Während wir so fahren, sehe ich plötzlich einen Baum in der Entfernung auf der Straße stehen – doch 20 Sekunden später ist der Baum wieder weg. Das Ganze wiederholt sich ein paarmal und ich frage mich ernsthaft, ob ich noch ganz bei Verstand bin – bis ich schließlich meinen Copiloten frage, ob er auch immer wieder diesen Baum sieht und ob er auch sehen kann, dass der Baum dann wieder verschwindet. Tatsächlich sieht auch er diesen seltsamen Baum. Doch es war keine Fata Morgana – die haben dort diese riesigen Mammutbäume und ein LKW hat drei davon transportiert, der hat die gesamte Fahrbahnbreite gebraucht und von der Ferne sah es eben aus, als würde ein Baum auf der Straße stehen - und immer wenn eine Talmulde kam, verschwand der Baum, wenn er den Hügel hinauf fuhr, konnte man ihn wieder sehen.“

18 Jahre im Afrika-Staub

Die Rallye Elfenbeinküste zählte1991 zur Rallye-Weltmeisterschaft, Kurt Göttlicher beendete sie auf Gesamtrang zehn. Er lacht: „Damals betrug die Distanz über 3.000 Kilometer – es gab keine Sonderprüfungen, sondern Etappen mit einem

vorgegebenen Schnitt, der mörderhoch war. Den konnten gerade einmal die Werksteams halbwegs erreichen, wir haben ihn um Stunden verpasst!“

Dieser Auftritt war der vorerst letzte für den Ford Sierra Cosworth: „Der stand danach 18 Jahre lang in meiner Garage – mit dem ganzen Schotter und Dreck aus Afrika. Der hat den Wagen offenbar konserviert – denn 18 Jahre später habe ich ihn wieder aktiviert und musste fast nichts restaurieren.“

Denn vor einigen Jahren hat es Kurt Göttlicher offenbar wieder kräftig in den Fingern gejuckt – gemeinsam mit seinem Copiloten Stefan Lischka und mit seinem immer noch besten Freund Sepp Pointinger wird regelmäßig am „Cossy“ geschraubt. Dass Göttlicher immer noch schnell unterwegs ist, beweisen drei Titel im Historischen Rallyepokal in Folge. Im Vorjahr wäre Göttlicher in seinem historischen Boliden beinahe ARC-Gesamt-Champion geworden, wurde schließlich Vizemeister.

„Was macht dieser Wahnsinnige da?“

Dass Kurt Göttlicher auch heute noch für verrückte Aktionen zu haben ist, beweist sein Auftritt bei der Schneerosen-Rallye vor wenigen Wochen. Göttlicher erzählt lachend: „Wir haben den Ölverschluss verloren – was mir auch noch nie passiert ist in meiner langen Karriere, es war schrecklich, überall war das Öl. Wir standen am Straßenrand und waren verzweifelt – da stoppt ein PKW, heraus kommt Sepp (Pointinger) – gemeinsam haben wir einen Verschluss aus Tüchern, Tixo und einem Spraydosenverschluss gebastelt. Als wir zur Zeitkontrolle kamen, hatten wir nur noch wenig Zeit bis zur Ausschlusstoleranz. Dort standen aber alle anderen Teilnehmer angestellt und es war so eng, dass wir nicht vorbeikamen. Da hatte ich eine Eingebung: Am Straßenrand gab es eine Böschung – die sind wir hochgefahren und dann seitlich regelrecht auf die Straße gesprungen. Wenn da ein Stein gewesen wäre, hätte ich mir das Auto zerstört. Die Fahrer dort haben sicher gedacht: ‚Was macht dieser Wahnsinnige da?‘ Aber so konnten wir die Rallye fortsetzen.“

Kurt Göttlicher und Stefan Lischka starten bei der Braustadt-Burg Rallye Zwettl in ihrem Ford Sierra Cosworth 2WD mit der Startnummer H8.

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