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ERC/ORM: Jännerrallye 2015

„Eine Ausnahme“

ERC-Koordinator Jean Baptiste Ley im motorline.cc-Interview: Warum werden lokale Piloten verschwiegen, als wären sie gar nicht vor Ort?

Michael Noir Trawniczek
Foto: Photo4, motorline.cc

Wie wichtig ist die Jännerrallye für die Rallye-Europameisterschaft (ERC)?

Sehr, sehr wichtig. Seit drei Jahren ist die Jännerrallye der Opener der ERC-Saison. Freistadt ist ein sehr wichtiger Ort – hier können wir alle neuen Teams sehen, wir sehen wie schnell die Fahrer sind, das ist für die gesamte Organisation sehr wichtig. Ich möchte hinzufügen, dass die Jännerrallye eine Winterrallye ist und heuer sind wir extrem glücklich mit dem Wetter und den Konditionen. Wir haben diesmal eine echte Winterrallye, wir haben überall Schnee und Eis – wir erhalten hier beeindruckende Fotos von den Autos im Schnee. Diese Bilder sind die einzigen dieser Art in diesem Jahr – was wir in Lettland erhalten werden, wird doch etwas anders sein.

Kennen Sie Simon Wagner?

Ja, wir kennen die meisten Vertreter der österreichischen Rallye-Community. Aber natürlich müssen wir die ERC-Piloten verfolgen. Unser Hauptinteresse ist es, dass von den lokalen Piloten möglichst viele in der ERC teilnehmen. Es ist ein internationaler Event und eine wirklich gute Möglichkeit für die lokalen Piloten, sie können sich mit den ERC-Piloten messen. Das ist eine Win/Win-Situation für beide Seiten: Wir haben neue Piloten in der ERC und für die lokalen Piloten ist es eine neue Erfahrung.

Bei dieser Jännerrallye hatte Raimund Baumschlager nicht die vorgeschriebenen Reifen zur Verfügung, weil es neue Reifenregeln gibt und die Rallye so früh in der Saison stattfindet – dieses Problem mit dem Reifenreglement gibt es jedes Jahr. Warum kann man hier keine Lösung finden, dieses Problem zu vermeiden?

Unglücklicherweise ist es nicht möglich, immer alle Menschen zufriedenzustellen. Jeder Fahrer hat seine eigenen Vorstellungen, seinen eigenen Support und seine eigene Erfahrung. Zugleich ist es immer schwierig, ein Reglement zu gestalten, das die Mehrheit der Teams zufriedenstellt. Raimund Baumschlager hat entschieden, heuer im nationalen Feld zu starten und damit auch einem anderen Reglement zu folgen, als jenem der ERC. Ich respektiere seine Entscheidung voll und ganz.

Er sagte aber, dass er wegen der Reifensituation keine andere Wahl hatte.

Viele Fahrer waren von dieser Situation betroffen – man sieht auch, dass viele Fahrer eher wenig Reifen zur Verfügung haben. Die Wettersituation erlaubt es aber auch, weniger Reifen zu verwenden. Daher glaube ich, dass es auch für ihn eine Lösung gegeben hätte. Es ist wirklich schade, dass er im nationalen Feld startet – schade für ihn, schade für uns und schade für die Fans an der Strecke. Unserer Meinung nach gehört Raimund ins internationale Feld, um gegen die ERC-Stars zu kämpfen.

Bei dieser Rallye fahren viele Lokalhelden, viele der nationalen Piloten kommen aus Oberösterreich – viele Fans kommen auch hierher, um ihren Landsleuten die Daumen zu drücken. Warum ist es unmöglich, die Zeiten von Simon Wagner und Co im Zeitenservice anzuzeigen? Warum werden die Fahrer des nationalen Feldes nicht in den internationalen Presseaussendungen erwähnt?

Ich möchte noch einmal meine Aussage zu Raimund Baumschlager präzisieren: Er hat sich entschieden, im nationalen Feld zu fahren – die internationale und die nationale Rallye sind völlig unterschiedlich, auch die gefahrenen Zeiten dieser Felder sind komplett unterschiedlich – so als ob es sich um zwei getrennte Rallyes handeln würde. Was die Medienarbeit anbelangt, müssen wir die Priorität auf die in der ERC eingetragenen Piloten legen, die Registration steht allen Fahrern offen. Es ist aber nicht so, dass wir den lokalen Medien verbieten, über die nationalen Piloten zu berichten.

Ich habe einen langgedienten Kollegen gefragt, wie es früher war, wenn einer der lokalen Piloten an der Spitze mitfahren konnte – damals hat man diesen Fahrer auch international erwähnt. Allerdings ist das früher nur selten vorgekommen – denn die Autos der Spitzenfahrer waren einfach viel stärker, damals konnte man mit einem alten Auto nicht leicht in die Top 10 fahren. Das Auto von Simon Wagner ist Baujahr 1993. Bedeutet das, dass die heutigen Autos der Spitzenpiloten aufgrund des Downsizing nicht mehr schnell genug sind? Sodass ein Youngster mit einem Uralt-Boliden vorne mitmischen kann?

Nein, ich denke, Rallye ist vor allem eine Frage der Fahrer-Performance. Trotzdem sind wir sicher, dass die aktuellen R5-Fahrzeuge die Autos mit der besten Performance sind. Aber natürlich ist es möglich, dass ein Fahrer so gut ist, dass er an die Performance der Stars herankommt. Auch mit einem älteren Auto kannst du gute Platzierungen und Punkte einfahren. Im Rallyesport kann immer viel passieren und du benötigst nicht zwingend das beste Auto, um die Rallye zu gewinnen.

Derzeit kämpfen alle Meisterschaften mit einem schwindenden Starterfeld – denken Sie darüber nach, in der Zukunft den lokalen Piloten mehr Aufmerksamkeit zu schenken, einfach auch, um mehr Starter zu erhalten? Überlegt man hier Lösungen? Beispielsweise, dass sie in ihren Presseaussendungen die Leistungen der lokalen Piloten würdigen?

Das passiert bereits, wir studieren die Performance aller Piloten, natürlich auch jene der lokalen Piloten. Wir haben die Colin McRae Trophy, mit der wir die Performance von Piloten unabhängig von ihrer Platzierung würdigen.

Auch jene der lokalen Piloten?

Natürlich – aber er muss in der ERC starten, wir sind der Promotor der internationalen Rallye.

Simon Wagner könnte man diese Trophy also nicht verleihen?

Nein, es ist für uns unmöglich, die lokale Meisterschaft zu promoten. Wir müssen uns auf den internationalen Event konzentrieren. Ansonsten geht es uns darum, möglichst viele lokale Piloten einzuladen, in der ERC zu starten. Zum Beispiel Hermann Neubauer – ich glaube nicht, dass er mehr als zwei ERC-Rallyes absolvieren wird, aber er war interessiert, auch weil wir an private Piloten Preisgeld ausschütten. Aber jene Fahrer, die im nationalen Feld bleiben – da ist es uns unmöglich, sie zu promoten.

Aber jeder Organisator braucht die lokalen Fahrer – und hier zum Beispiel sind viele mit Autos unterwegs, mit welchen man in der ERC gar nicht fahren könnte.

Wir müssen den Regeln der FIA folgen.

Verbietet Ihnen die FIA, die Leistungen der lokalen Piloten in Ihrer Pressearbeit zu erwähnen? Ihre Zeiten am Live Timing zu zeigen?

Das würde ich so nicht sagen. Wir laden viele lokale Fahrer ein, in der ERC zu fahren, sie sind bei uns herzlich willkommen. Aber natürlich müssen sie den Regeln unserer Meisterschaft entsprechen. Natürlich ist die Wahl des Autos eine Kostenfrage – wir haben aber ermöglicht, auch mit kleineren, günstigeren Fahrzeugen teilzunehmen. Ein junger lokaler Pilot hat die Möglichkeit, in der Junior ERC anzutreten. Das ist eine Meisterschaft mit geringen Kosten.

Wie definieren Sie geringe Kosten? Wie viel müsste ein junger Pilot zahlen, wenn er mit einem solchen Auto die Jännerrallye bestreiten möchte?

Du kannst R2-Autos mieten, das sind in meinen Augen die günstigsten modernen Fahrzeuge. Ich möchte keinen konkreten Preis nennen – aber es ist eine günstige Möglichkeit, an einem internationalen Event teilzunehmen.

Die Fans hier sind ein bisschen aufgebracht. Viele Fahrer laden ihre Freunde ein – die stehen dann in der Halle und dort sehen sie die Zeiten ihrer Helden nicht. Sie sind nicht am Zeitenmonitor, sie werden nicht erwähnt - als ob sie gar nicht da wären. Verstehen Sie diesen Ärger?

Aber so ist es bei all unseren Rallyes – meistens haben wir zwei unterschiedliche Events. Die internationale ERC-Rallye und den nationalen Event. Da gibt es definitiv zwei Klassements. Das wird schon seit langer Zeit so gehandhabt. Dieses Jahr ist es anderes, weil viele Fans Baumschlager verfolgt haben und er im nationalen Feld fährt, da stand das im Fokus.

Wir haben acht bis zehn Rallyes, wo es auch so ist: Wir haben zwei Events: Die internationale Rallye und die lokale Rallye. Mit unterschiedlichen Klassements. Meistens nehmen die Fahrer der nationalen Events die Möglichkeit wahr, im internationalen Feld zu fahren. Hier hat Baumschlager entschieden, am nationalen Event teilzunehmen – es ist normal, dass er nicht das Paket des internationalen Events zur Verfügung hat. Er hat sich entschieden, die lokale, die zweite Rallye zu fahren, die nicht in Verbindung steht mit der internationalen Rallye.

Und es gibt keine Pläne, diese beiden Felder künftig weniger strikt zu trennen?

Hier stellt sich das größte Problem, dass die Regeln der lokalen Meisterschaften meistens nicht jenen der ERC entsprechen. Hier ist das zum Beispiel der Fall, die Regeln sind komplett unterschiedlich, nehmen Sie nur das Reifenreglement. Ein erster Schritt wäre dann also, dass alle lokalen Meisterschaften den internationalen Regeln entsprechen müssten. Wenn die Reglements kompatibel wären, dann wäre das okay, dann wäre das leichter. Aber derzeit sind die Unterschiede einfach zu groß.

Vielleicht spielt auch der Fakt eine Rolle, dass sich der ORM-Lauf über beide Felder erstreckt – denn in der ORM sind sowohl ERC-Piloten als auch Piloten des nationalen Feldes punktberechtigt.

Ja, das ist in Österreich durchaus ein Ausnahmefall. Überall sonst gibt es eine strikte Trennung: Du hast die internationale ERC-Rallye und die lokale Meisterschafts-Rallye. Zwei komplett getrennte Veranstaltungen. Das wird meistens so durchgeführt. Auch in der Weltmeisterschaft: Du hast die WM-Rallye, und danach fährt das Feld der nationalen Meisterschaft. Das sind zwei komplett unterschiedliche Läufe mit zwei getrennten Live Timings – dass dies vermischt wird, stellt die große Ausnahme dar.

Vielen Dank für das Interview.

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