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Bestandsaufnahme – das ausführliche Gespräch mit Manfred Stohl

Manfred Stohl im ausführlichen Gespräch mit motorline.cc. Teil 1: Über Wüstenjobs, Erfolge und Sehnsüchte hin zum Rallyesport in Österreich.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl, rallyofnations, Stohl Racing, Photo4

Manfred Stohl gehört zu den wenigen österreichischen Rallyepiloten, die auch in „zivil“ als solche wahrgenommen und um Autogramme gebeten werden. Im Rahmen des Pirelli Star Driver Shootouts gab „Stohlito“ nicht nur fleißig Autogramme, er fand auch Zeit für ein längeres Gespräch mit motorline.cc.

Manfred Stohl als Coach

Beim Pirelli Star Driver Shootout hat sich Stohl als Coach um die Piloten aus Argentinien und Costa Rica gekümmert.

Stohl erzählt: „Für die ist es doppelt so schwer, denn sie kennen Asphalt quasi nur aus dem Fernsehen - im Motorsportbereich. Ich habe versucht, Ihnen ein bisschen zu helfen. Ein Beispiel: Wenn es dort Asphalt gibt, ist er meist sehr breit – hier jedoch sind die Straßen sehr schmal. Da braucht man keine Linie suchen, denn es gibt nur eine Linie.“

Warum gerade Argentinien und Costa Rica? Stohl erklärt: „Argentinien ist ja so etwas wie meine zweite Heimat, da bin ich von meinem Vater vorbelastet.“ Jose Andres Motalto, der Fahrer aus Costa Rica, wollte Manfred Stohl unbedingt als Coach haben: „Das ist eine lustige Geschichte - der österreichische Botschafter in Costa Rica hat mich angerufen, dass mich Jose Andres gerne kontaktieren würde. Ich habe ihm sofort meine Kontaktdaten gegeben. Jose Andres ist ein netter Bursche, sehr korrekt, aber auch noch sehr jung.“

Die fehlende Erfahrung war es dann wohl auch, die zum Unfall von Motalto geführt hat, der auf SP 2 auf spektakuläre Art und Weise von der Strecke flog – Manfred Stohl sagt dazu: „Wo gehobelt wird fallen Spänne, das war sein erster Überschlag. Zumindest hat er diese Erfahrung jetzt hinter sich, das ist auch wichtig.“

Manfred Stohl in der Wüste

Apropos Argentinien: Unlängst hat Manfred Stohl dort, in der argentinischen Steppe, den neuen Subaru T1-Prototypen getestet, der vom argentinischen Subaru-Baseteam Barattero entwickelt wurde und möglicherweise beim Wüstenklassiker Dakar-Rallye zum Einsatz kommen könnte.

Stohl lacht: „Ich muss dir ehrlich gestehen, ich war ein Mensch, der gesagt hat: Rally-Raid ist nur für alte Leute. Aber ich bin kein Alter!“ Stohl fügt hinzu: „Dass man von Afrika weg geht, man nach Südamerika wechselt – das gefällt mir. Das ist mehr Rallye. Subaru hat mich gefragt, ob ich den Test mache, ich werde bezahlt dafür – im Nachhinein muss ich jetzt aber sagen: Das ist eine geile Sache!“

Wird man Manfred Stohl künftig bei der weltberühmten Dakar-Rallye sehen? „Die Chance ist sehr gering, dass ich in diesem Auto die Dakar fahre. Offiziell nehmen sie das nicht als Werkseinsatz.“ Nachsatz: „Aber es hat einen Reiz – und dieser Reiz hat mich erfasst.“

Manfred Stohl erinnert sich an jenen Moment, als er mitten in der Steppe die Strecke gesucht hat, obwohl er sich quasi bereits auf ihr befand: „Ich habe den Ingenieur gefragt: ‚Wo ist denn die Strecke?’ Und er hat auf die gesamte Gegend gezeigt und geantwortet: ‚Na, hier!’ Und ich hab noch mal gefragt: ‚Wo?’ Und er wieder: ‚Na, hier! Alles ist die Strecke.’ Dann bin ich einmal rein gegangen in das Gemüse – und habe mich gleich an einem Ast verletzt. Da habe ich bereits geblutet wie ein Tier, obwohl ich noch keinen einzigen Meter gefahren bin.“

Jetzt leuchten die Augen des Manfred Stohl – und er sagt: „Das ist Adventure – weißt du was ich meine? Bei einer Rallye fährst du vom ersten bis zum letzten Meter auf der letzten Rille und wenn du eine Sekunde verlierst, geht die Welt unter – und wenn du einen Patschen hast, hängst du dich am besten gleich am nächsten Baum auf. Dort aber hast du Zeit – da schaust du einmal: Aha, das ist ein guter Weg. Natürlich ist das bei den Werksautos auch kein Sonntagsspaziergang – aber es ist einfach ein Abenteuer, das ich bisher so nicht gekannt habe außer bei der alten Safari Rallye.“

Hat Manfred Stohl bereits die Vorzüge von Camping in der Wüste kennen lernen dürfen? Stohl lacht: „So weit waren wir noch nicht, sie haben mir dort ein Hotel gegeben.“

Zudem hat „Stohlito“ bereits Wüsten-Erfahrung aufzuweisen, schließlich fuhr er in jungen Jahren bereits die Safari-Rallye, dort wo einst sein Vater Rudi Stohl mit seiner Lada jene Abenteuer erlebt hat, die heute noch Stoff für mindestens drei Stammtischabende liefern. Manfred Stohl sagt: „Ich war dort zwar nie erfolgreich – frag mich nicht warum – aber ich bin die Safari-Rallye immer gerne gefahren. Ich bin noch nie in die Fußstapfen meines Vaters getreten – aber die Safari-Rallye, wie ich sie früher gefahren bin, 1992 oder 1993 – das waren 5.000 Kilometer vom Start bis ins Ziel – so ähnlich stelle ich mir die Dakar vor. Und in Südamerika stelle ich es mir besonders schön vor, über die Anden und so. Ich glaube halt, dass die Dakar in Afrika weniger Reiz hat als in Südamerika. In Südamerika hast du Wüste, du hast himmelhohe Berge, du hast Prüfungen, die aussehen wie eine Rallye-Prüfung – du hast einfach alles drinnen und nicht nur eines dieser Elemente. Noch dazu habe ich in Argentinien so viele Freunde – da fühle ich mich einfach wohl.“

Manfred Stohl immer noch Manfred Stohl

Erst unlängst, bei der Niederbayern-Rallye, hat Manfred Stohl seine eigenen Erwartungen übertroffen, als er gemeinsam mit Stammbeifahrerin Ilka Minor mit dem Diesel-Subaru den dritten Gesamtrang einfahren konnte. „Mit dem dritten Platz haben wir natürlich nicht gerechnet – wobei wir schon profitiert haben von vielen Ausfällen. Aber: Wir sind auf SP 2, wo noch alle dabei waren, die sechstschnellste Gesamtzeit gefahren. Das hat mir schon viel gegeben.“

Bei der Nationenrallye in Mexiko hat Stohl eindrucksvoll demonstriert, dass er immer noch zur Weltspitze gehört. Mit annähernd gleichen Waffen konnte er international anerkannte Größen wie Toni Gardemeister, Xavier Pons, Patrik Sandell, P. G. Andersson, Dani Sola, Brice Tirabassi oder auch Hermann Gaßner junior in die Schranken weisen. Neben aller Genugtuung – ist es nicht unheimlich bitter, wenn man spürt, dass man immer noch auf Weltklasseniveau fahren kann und man dennoch keine Möglichkeit hat, auf der WM-Bühne dieses Können in Ergebnisse umzusetzen? Kommt da nicht auch ein gewisser Ärger auf?

Manfred Stohl gesteht: „Natürlich reißt es mir das Herz raus, dass ich in der WM nicht mitfahre. Und natürlich waren Erfolge wie in Mexiko für mein Ego, für mein Herzerl und meine Seele Labsal. Es war einfach gut, dass ich in Mexiko gesehen habe: Der Manfred Stohl ist einfach noch immer der Manfred Stohl. Und da fährt die Eisenbahn drüber. Da geht es nicht nur darum, dass ich der schnellste Fahrer bin, sondern dass ich auch taktisch wieder gut vorgegangen bin. Ich habe einfach das gesamte Manfred Stohl-Thema wieder abgerufen – und es hat funktioniert!“

Warum kann es sein, dass ein solcher Pilot das Nachsehen hat, während ein Federico Villagra WM-Punkte abstaubt? Stohl denkt nach – und sagt: „Die Wirtschaft in Österreich will nicht, oder traut sich aus politischen Gründen nicht. Und so Gönner wie den Herrn Jouhki haben wir leider auch nicht. Der es sich leisten kann, einem Hirvonen oder einem Latvala ein paar Saisonen zu zahlen – dass dabei dann vierfache Weltmeister herausgekommen sind wie Kankunen oder Mäkinen, spricht für die Qualität seiner Fahrerwahl. So etwas fehlt uns im Motorsport – das gibt es bei uns nur im Skisport. Das hat bei uns keine Tradition. Es gibt bei uns eigentlich fast keinen, der Motorsport nicht irgendwie mag – aber so viele dürfen es nicht wollen, weil es politisch uncool ist. Der Rallyesport ist bei uns nicht so salonfähig, wie wir das gerne hätten.“

Manfred Stohl und die Rallyepolitik

Warum ist der Rallyesport bei uns nicht salonfähig? Stohl sagt: „Man denkt bei Motorsport immer noch an die Umweltverschmutzung und deshalb ist es schlecht. Dass bei einem Radrennen ebenfalls viele Autos mitfahren, wird oft vergessen. Oder ein noch besseres Beispiel: Das Champions League-Finale, zwei englische Mannschaften spielen in Russland und 50.000 britische Fans fliegen nach Russland, um sich dort zwei britische Teams anzusehen. 50.000 Fans – weißt du, wie viel CO2-Ausstoß das ist? Da können wir 30 Jahre Rallye fahren und kommen nicht an diesen Wert heran. Wir haben das Problem, dass jeder alles grün haben möchte – und da tun wir uns leider schwer damit, uns zu verkaufen.“

Zugleich hat Österreich in Sachen Alternativkraftstoffe die Nase vorn – das bestätigt auch Manfred Stohl. Und der muss es wissen – schließlich hat Stohl Racing in Sachen Erdgasantrieb eine Vorreiterrolle eingenommen, das Projekt wird weiterhin von der OMV unterstützt, als einzige Ausnahme. Während die FIA noch immer keine Möglichkeit anbietet, alternative Kraftstoffe einzusetzen, konnte sich Stohl Racing bereits mit dem ersten mit CNG-Antrieb erzielten Gesamtsieg bei einer ÖM-Rallye in die Geschichtebücher eintragen.

Stohl sagt: „Dass die OSK die alternativen Treibstoffe zulässt, ist sehr begrüßenswert – das bringt uns auch genug Gesprächsstoff im Ausland. Aber wir brauchen die Politiker, wir brauchen das Land, den Bund auf unserer Seite. Wir sind Rallyefans und wir finden das geil – aber die Politiker kennen es kaum bzw. wir bieten ihnen keine brauchbare Plattform um sich zu präsentieren.

Stohl hat konkrete Vorstellungen, quasi praxisbezogen: „Den Politiker muss man zur Rallye bringen – aber nicht ‚nur’ bei einem offiziellen Event, wo er im Anzug auftreten muss, sondern privat bei einem Test, wo er im kurzen Leiberl und in Jeans vielleicht mit seinem Kind kommen kann und er sich mal reinsetzen kann ins Auto. Und wenn er da einmal mitfährt auf dem Beifahrersitz – vielleicht gefällt es ihm ja? Vielleicht auch nicht. Aber die Chance, ihn begeistern zu können, ist deutlich größer als bei einem offiziellen Anlass, wo er sich einfach nicht so relaxt mit diesem Sport anfreunden kann.“

Theorie und Praxis klaffen oft weit auseinander – im Alltagsgeschäft gehen solche Ideen oft verloren. Stohl nimmt sich da auch nicht aus: „Auch ich muss mich da am Riemen nehmen – das gilt für mich wie für alle anderen: Wir tun zu wenig! Es ist bei uns wichtiger, den anderen schlecht zu machen, als zu versuchen, unseren Sport beliebter zu machen. Dabei haben wir einen Sport, der sich fast von alleine verkaufen könnte, denn die Action ist vorhanden. Die Barum-Rallye war ein Wahnsinn, sensationell! Wir müssen versuchen, mehr in diese Richtung zu arbeiten.“

Teil 2 - Über die Idee eines Erdgas-S2000, die ÖM und wer heuer Weltmeister wird - finden Sie am Donnerstag auf motorline.cc.

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