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Rallye: Kommentar

Wie man den „Giftzahn der Zeit“ ziehen könnte...

Offroad-Motorsport steht im Fadenkreuz der Umweltbewegung - wie soll man reagieren? Mit „F**k you Greta“-Aufklebern oder doch lieber mit Innovation?

Kommentar von Noir Trawniczek
Foto: FGW/Daniel Fessl

Die Zeiten ändern sich - im Normalfall tun sie das fließend. So wie es bei allem, was lebt, meist nur eine fließende Änderung des Aggregatszustands gibt. Selbst die Leichenstarre setzt nicht sofort in jenem Moment ein, in dem das Leben den Körper verlässt. Nicht wenige Rallyefans haben trotzdem das Gefühl, als hätte ein heute 16-jähriges Mädchen die Welt „verrückt“ gemacht. Greta Thunberg litt im Alter von neun Jahren unter heftigen Depressionen, Essstörungen und selektivem Mutismus - in der Folge wurde bei ihr das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus diagnostiziert. Der Klimawandel war für das junge Mädchen schon damals „Fluch und Segen“ - zum einen verstärkte eine triste Klimalage ihre Deppressionen, zum anderen linderte der Fokus auf den Klimaschutz die Syndrome. Dass sich Autisten gerne ganz besonders in ein Thema „verbeißen“, also in die Fokussierung „flüchten“, wissen viele Rallyefans nicht. Dabei wäre das zumindest ein gemeinsamer Nenner - schließlich bewundern sie Menschen, die ihr ganzes Leben danach ausrichten, im Rallyesport Erfolge zu feiern.

Natürlich ist das schwedische Mädchen für viele Freunde des Rallyesports die absolute Persona non grata. Gerade in Österreich, in dem es bis zum Ibiza-Video eine Mitte-Rechts-Regierung gab und die verhassten „GrünInnen“ aus dem Parlament flogen, gab es eine totale Trendwende - die grüne Bewegung wurde mit überwältigenden Prozentanteilen wieder ins Parlament gewählt und könnte erstmals Regierungsverantwortung übernehmen. Das Engagement von Thunberg und ihren Eltern hat tatsächlich eine weltweite Klima-Bewegung ins Leben gerufen und so für diese Trendumkehr in Österreich mitgesorgt. Hinzu kommen deprimierende Tatsachen wie etwa jene Hoffnung, die man eigentlich in den Sportminister Heinz-Christian Strache hätte setzen können - dass also unter den motorsportaffinen Freiheitlichen der Motorsport endlich zum Sport erklärt wird und man nicht mehr vom Millionentrog der Bundessportförderung ausgeschlossen ist. Ein blanker Hohn ist es, dass Schach als Sport gefördert wird, während Motorsportler, die pro Rennwochenende bis zu drei Kilo verlieren, immer noch als Nicht-Sportler gelten. Umso größer der Frust über die Tatsache, dass Strache offenbar viel mehr Interesse daran hatte, Poker zum Sport zu erklären - jedenfalls gab es in den 18 Monaten seiner Regenschaft als Sportminister keinerlei bekannte Maßnahmen, die Ungerechtigkeit rund um den Motorsport auszumerzen...

Greta-Bashing & brenende Elektroautos

Wer also in der Motorsport-Branche arbeitet und daher auf sozialen Medien mit Motorsportfans befreundet ist, gewöhnt sich - mehr oder weniger - an die vielen, leider mitunter auch extrem untergriffigen Greta-Bashing-Memes und die gleichermaßen zahlreichen Fotos von brennenden Elektroautos. Geradezu absurd ist es, wenn Menschen, die unter ihrem 40-60 Stunden-Job ächzen und dafür eigentlich viel zu wenig Geld bekommen, der jungen Schwedin ausrichten, sie habe in ihrem Leben gar nichts erreicht und sei quasi nicht einmal für die einfachsten Dinge des Lebens geeignet. Nicht selten sind diese Greta-Basher eigentlich Ausgebeutete, gerdezu Opfer des Kapitalismus, die sich über Kredite mehr oder weniger für immer dem Teufel Knochenarbeit verpflichtet haben und mit einem simplen, heutzutage gar nicht unüblichen Burn Out Syndrom nicht nur ihre sondern die Existenz der gesamten Familie zumindest riskieren würden. Ein Moment also, in dem der in diesen Kreisen oft hochgehobene Leistungsgedanke die totale Schubumkehr auslöst - dann nämlich, wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, weiter Leistung zu bringen, weil man einfach zu viel von sich selbst abverlangt hat. Aussuchen kann sich das niemand, der Burn Out kommt zwar auch nicht über Nacht, doch Verfechter des Leistungsprinzips ignorieren mitunter recht gerne die eigenen Burn Out-Syndrome...

Beidseitige Manipulationen & falsch liegendes Geld

Wie auch immer: Das an Autismus erkrankte Mädchen hat natürlich etwas erreicht, das nur wenige von sich behaupten können - sie hat mit „Fridays for Future“ eine weltweite Bewusstseinsbewegung für den Umwelt- und Klimaschutz ausgelöst. Und zwar vor allem, aber nicht nur, bei den Jüngsten unter uns, welchen die Greta-Basher noch vor Kurzem Interesselosigkeit und alleinigen Fokus auf Videogames und Handtelefone vorgeworfen hat. Natürlich ist dieses neue kollektive Bewusstsein für den Klimawandel und dessen angestrebte Milderung etwas, das zur Manipulation einlädt. Es ist so gut wie unmöglich, binnen weniger Minuten sämtliche Fakten zu recherchieren, ohne der einen oder anderen Manipulation zu erliegen. Da geht ein 80-jähriger Ex-Nobelpreisträger auf Tournee, um dort zu verkünden, dass es den Klimawandel gar nicht geben würde. Backstage gibt der Vortragende in einem Interview ganz offen zu, dass ihn der Klimawandel überhaupt nicht interessieren würde und er für seine Vorträge gerade einmal einen Vormittag auf Google verbracht habe. Prompt erweisen sich viele der von ihm präsentierten Fakten als falsch. Zugleich gibt es neuerdings Umweltbehörden wie jene in Deutschland, die ebenfalls mit frisierten Zahlen arbeiten und nur einen Fokus haben: möglichst viele Strafgelder zu lukrieren. Dass es dabei am allermeisten die „Kleinen“ trifft, verwundert nicht - denn zurzeit scheint es Usus zu sein, dass sich Mittelschicht und Reiche gegen die Armen, gegen Arbeitslose, gegen Flüchtlinge verschwören und ihnen etwas vorwerfen, das es nicht gibt: eine finanzielle Krise. Hier sei ein Rechenbeispiel des bekannten Philosophen Richard David Precht erwähnt. So hat etwa Deutschland ein jährliches Bruttoinlandsprodukt von 3,5 Billionen Euro - doch mit Finanztransaktionen werden in dem Land unglaubliche 240 Billionen Euro umgesetzt, mit lediglich einer dieser 240 Billionen könnte man in Deutschland ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für jeden, auch arbeitenden Menschen von 1500 Euro monatlich ausschütten. Dazu wären also lediglich Mikro-Steuern auf Finanztransaktionen nötig. In Österreich ließ sich Kanzler Sebastian Kurz dafür abfeiern, dass er dem Konzern Amazon drei Prozent Datenträgersteuer abringen konnte - wähend jeder Kleinstbetrieb ein Vielfaches an Steuern zu begleichen hat. Es scheint also Geld in Hülle und Fülle zu geben - doch offenbar liegt es falsch...

Rationales Denken auf beiden Seiten - es fehlt die Lust

Was hat das mit dem Motorsport oder speziell mit Rallye zu tun? Nicht wenig. Denn der „Zahn der Zeit“ hat den Offroad-Motorsport ganz sicher im Fadenkreuz. Er wird als erster ins Visier genommen. So haben Grüne in einem deutschen Landkreis bereits das absolute Verbot von Rallyes gefordert. Das Paradoxe daran ist, dass dieser rationale Ansatz der Grünen sich deckt mit dem von vielen Motorsportfans geliebten Leistungsgedanken, denn auch er ist zutiefst rational. Nur wer leistet soll auch verdienen, da geht es um nackte Zahlen wie Arbeitsstunden und das Gehalt dafür. Und die Grünen sagen: Alles was unnötig, sprich ohne Not CO2 ausstößt soll man verbieten. Was in beiden Ansätzen völlig ignoriert wird, sind der Genuss, die Lebensfreude, die Muse, die Lust, die Freude am Sport. Das Ausgrenzen dieser wesentlichen Seite des Lebens und die immer mehr steigende Arbeitslosigkeit haben schon oft zu einem Worst Case Scenario geführt: dem Krieg. Er schafft wieder Arbeitsplätze weil die dahinter stehende Industrie dann vermehrt produzieren darf. Das BGE würde dies nicht nur abfedern sondern völlig umkehren. Viele würden dann nur noch 20 Sunden arbeiten und so auch gesünder und lustbetonter leben. Somit würde es wieder mehr Arbeitsplätze geben. Vor allem aber würde man wieder mehr konsumieren und so die Wirtschaft erst recht beleben. Während man also eigentlich stolz darauf sein könnte, was der Kapitalismus und der Leistungsgedanke und die den Besitz hortenden Superreichen ermöglicht haben, nämlich bei gut durchdachter Verteilung des Rechtums vom Müssen ins Wollen gleiten zu können, halten vilele am Leistungsprinzip fest - weil in ihren Augen nicht sein kann, dass man 1500 Euro allein dafür erhält, hier zu sein. Und so regiert weiter das Rationale, das nun eben auch die Motorsportgegner einsetzen - nüchterne Kosten/Nutzen-Rechnungen sowie Umweltverträglichkeitsfakten werden bar jeder Freude am Sport in den Vorständen der großen Hersteller umgesetzt. Ist es nicht möglich mit einem Sebastien Ogier Weltmeister zu werden, zieht man den Stecker halt ein Jahr früher. Plötzlich ist jener Motorsport, der viele dieser Hersteller in den letzten Jahrzehnten zur Kultmarke werden ließ, nur noch „dreckiger Verbrennersport“, der nicht mehr zeitgemäß sei...

E wie Ekel?

Und plötzlich sind nahezu alle Hersteller in der bei vielen Rallyefans komplett verhassten Formel E vertreten. Woher dieser Hass kommt, ist schwer nachvollziehbar. Denn diese Serie fährt in Großstädten auf jenen Plätzen, auf welchen eine Verbrennerformel niemals würde fahren dürfen. Und: Die in dieser Serie vertretenen Piloten liefern immer wieder großartige Renn-Action. Und: Auch ein elektrisches Rallycross könnte mitten in der City vor allem auch eines tun, was ganz dringend nötig wäre: junge Fans abholen! Auf dass sie auf den Geschmack kommen und auch dem Originalsport etwas abgewinnen können. Manfred Stohl, immer schon innovativ gewesen, hat ein Elektro-Rallycross-Auto entwickelt und war ob der unglaublichen Beschleunigung schwer begeistert: „Als würdest du mit einem Katapult ins Weltall geschleudert werden!“ In dem WRX-Boliden hat es anfangs sämtliche Halbachsen abgerissen, so sehr „beißt“ der Stard Hyper. Dass Rallyes völlig ungeeignet für reinen Elektrobetrieb sind, liegt auf der Hand. Doch die FIA hat nun das einzig Richtige getan und ab 2022 Hybrid-Rallyeautos in der Weltmeisterschaft eingeführt. Dass man ansonsten verlorene Energie via Elektro-Motor und Batterien aufsaugt und gezielt wieder einsetzt, ist etwas, dass auch dem streng Rationalen entspricht. Selbst wenn es immer noch nicht völlig klar zu sein scheint, ob der Bau der dafür nötigen Batterien dem Ganzen nicht doch in die „Umweltschonsuppe“ spuckt. Aber: Mit den neuen Rally1-Autos kann man etwa auf City-Sonderprüfungen rein elektrisch fahren und so eben auch junge Fans ansprechen. So könnte man auch eine Sonderprüfung so gestalten, dass perfektes Rekuperieren im Fokus liegt.

Mit Erdgas Greta an Bord holen

Abschließend noch eine Idee: Der oben erwähnte Manfred Stohl hat schon vor einem Jahrzehnt bewiesen, dass Erdgas nicht nur sauber ist, sondern sogar die höhere Klopffestigkeit im Verbrennungsmotor hat. Damals hat die Erdölindustrie es verhindert, dass Stohl Racing international mit dem Erdgasboliden Furore macht. Was würde denn dagegen sprechen, die Rallye-WM oder den gesamten Rallyesport, der eben in freier Natur abgehalten wird, mit Erdgas zu betreiben, beispielsweise mit einem als Generalsponsor tätigen Gaslieferanten? Nach dem Motto: „Ja, richtig, wir fahren mit Verbrenner-Hybrid in der freien Natur - doch schaut her: Das - zudem deutlch günstigere - Erdgas hat so gut wie keinen CO2-Ausstoß und die Motorteile beiben blank und ohne jeden Russ!“. Der Sound der Motoren bleibt genau gleich, es ändert sich nichts. So könnte man den Gegnern des Offroad-Sports ihren „Giftzahn“ ziehen. Denn eines sei schon noch, bei allem Respekt und mit Verlaub, gesagt: Mit „F***k you Greta“-Schriftzügen auf dem Heckflügel, wie das schon hierzulande gesichtet wurde, wird man den „Giftzahn der Zeit“ ganz sicher nicht ziehen, sonndern nur heftigst eitern und schmerzen lassen. Und: Dass die Familie Thunberg dafür die so sehr benötigten Sponsorengelder locker machen wird, ist in höchstem Maße unwahrscheinlich - mit einem nahezu CO2-losen Rallyesport könnte man Greta sogar an Bord holen, ja, vielleicht sogar einmal in ein Cockpit setzen. Und mit einer nahezu reinen neuen Rallye-Ära völlig neue Sponsoren lukrieren...

Ein Kommentar spiegelt die persönliche Meinung des Autors wieder.

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