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„Was läuft falsch in der ORM?“

Gerwald Grössing, der Initiator der Schneebergland-Rallye, spricht offen und unverblümt über die aktuelle Lage in der Rallye-Staatsmeisterschaft…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl/www.motorline.cc

Die heimische Rallye-Staatsmeisterschaft hat schon bessere Zeiten erlebt, die Starterfelder sind rückläufig. Gerwald Grössing denkt im Gespräch mit motorline.cc über die Gründe des Starterschwunds nach und stellt dabei auch Lösungsansätze in den Raum, beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen von Rallye-ÖM (ORM) und Austrian Rallye Challenge (ARC)…

Gerwald, die von dir initiierte Schneebergland-Rallye steht wieder auf dem Programm – nach dem Motto: ‚Klein, aber fein‘…

Von den Nennungen her ist es in etwa so, wie in den letzten Jahren auch. Es ist in Österreich generell ein Schwund an Startern festzustellen, das ist halt so. Aber alles in allem sind wir zufrieden. Es geht sich schon aus, sodass wir auch mit den Kosten durchkommen.

Dieser von dir angesprochene Starterschwund in Österreich – woran liegt das deiner Meinung nach?

Die Autos werden immer teurer, es wird alles immer schneller, du musst entwickeln. Du brauchst mehr Budget. Du brauchst starke Partner, die dir helfen – sonst kannst du dir das überhaupt nicht leisten. Das ist einfach das Wesen des Rennsports – alle wollen schneller werden.

Auch die Hobbypiloten. Selbst wenn der ein bescheidenes Budget hat, will er auch einen Fortschritt sehen. Der hat keinen Bock darauf, dass er jahrelang immer um die „goldene Ananas“ fährt. Der will auch in der Gruppe, in seiner Klasse gewinnen, der will auch irgendwo vorkommen.

Das ist aber nicht nur bei uns der Fall, generell ist der Motorsport mit immer mehr Ausgaben verbunden. Zugleich ist es einfach Fakt, dass die Leute kein Geld haben. Die Firmen sind nicht mehr da in der Art und Weise, wie man es brauchen würde und aus der privaten Tasche können es die wenigsten finanzieren.

Wie könnte man diese Situation deiner Meinung nach ändern?

Das ist eine schwierige Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Dazu müsste man schon beinahe ein Prophet sein. Hinzu kommt sicher auch, dass wir mit der Vermarktung ein wahnsinniges Problem haben. Der österreichische Motorsport ist sehr schlecht vermarktet. Das ist ganz klar.

Wir haben diesbezüglich ein Riesen-Potential, auch fahrerisch, wir müssen uns da auch international nicht verstecken – nur ist es einfach so, dass wir zu wenig öffentliches Interesse erwecken. Wir haben schlechte Medienauftritte. Wir haben eigentlich eine Medienberichterstattung, die nicht dem entspricht, was eigentlich gezeigt wird. Wie man das ändern kann und wer das ändern kann – da bin ich ehrlich gesagt überfragt.

Das müsste man jetzt vielleicht konkretisieren. Nehmen wir die Rallye-ÖM, die ORM, in der du ja fährst – ist sie deiner Meinung nach schlecht vermarktet?

Nehmen wir die Austrian Rallye Challenge, die ARC. Und dann schau dir die ORM an. Von den Startern her hast du beim nächsten ARC-Lauf, bei der Kärnten-Rallye 91 Starter. Wieso haben wir bei der Challenge 91 Starter und bei der Österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft zwischen 30 und 40? Das muss doch einen Grund haben! Ich kenne diesen Grund nicht.

Ich habe mich nie intensiv mit der Challenge beschäftigt – ich weiß nicht, warum sie um so viel attraktiver sein soll. Die haben die Starter, wir haben sie nicht – also stimmt irgendwas nicht. Was glaubst du, woran es liegt?

Viele Aktive sagen, dass die Challenge weniger kostet. Kürzere Rallyes, weniger Nenngeld.

Das Nenngeld ist sicher ein Thema – es ist sicherlich ärgerlich, wenn Nenngelder erhöht werden. Nur: Schau dir einmal das Budget eines Veranstalters an. Die sind ja alle „flach wie die Briefmarken“. Da bleibt ja am Ende des Tages genau nichts über. Wenn da keine Nenngelder kommen, wird es diesen Lauf nicht mehr geben.

Da beißt sich die Katze in den Schwanz – je weniger Starter ich habe, umso mehr Nenngeld musst du verlangen, damit du überhaupt diesen Lauf abhalten kannst. Bei der Challenge mit 91 Starter werden sie wahrscheinlich mit dem halben Nenngeld auskommen.

Aber ich glaube nicht, dass es nur am Nenngeld liegt. Der Einsatz eines Mitsubishi Lancer Evo kostet in der Challenge genau so viel wie in der ORM. Ich sehe die großen Unterschiede nicht. Und ich wäre sowieso für eine Zusammenlegung, wo es passt.

Früher wurde bei der Waldviertel-Rallye an zwei Tagen ORM und an einem Tag Challenge gefahren – warum geht das nicht mehr? Warum macht man das nicht mehr? Ich verstehe es einfach nicht. Haben sich da gewisse Leute zerstritten oder was ist da los? Ich weiß es nicht, ich habe mich um die Politik nie gekümmert.

Die Rallye Challenge ist ja nicht minderwertig, da fahren ja schnelle Leute. Ich bin ja selber schon einmal einen Challenge-Lauf gefahren. Die haben ja auch anspruchsvolle, schnelle Sonderprüfungen, die sind ja auch nicht schlechter als jene der ORM. Warum versucht man dann nicht, Veranstaltungen zusammenzulegen? Dass an zwei Tagen ORM gefahren wird und am Samstag ist die Challenge mit dabei. Dann hast du für beide Veranstaltungen eben nur eine Streckensperre, nur eine Zeitnahme – da hast du Kostenreduktion an allen Ecken und Enden.

Da ich bei der Schneebergland-Rallye mithelfe, bekomme ich mit, wie schwierig eine Rallye zu finanzieren ist – auch wenn ich dabei nicht aktiv mitorganisiere und die Probleme nur von außen mitbekomme. Aber heute ist jede Rallye ein Kraftakt des Veranstalters.

Zugleich verstehe ich die Starter, die sagen, dass sie mit den Kosten nicht mehr auf Gleich kommen. Wir reden da vom Nenngeld – aber was kostet eine Getrieberevision? Was kostet eine Antriebswelle? Wenn der Turbolader kaputt ist? Wir haben ein extrem hohes Niveau in Österreich – sowohl in der ORM als auch in der Challenge.

Das heißt: Technisch ist der Rallyesport einfach teuer. Die Aktiven haben das Problem, dass sie keine Sponsoren mehr finden. Und da schließt sich der Kreis, denn da landest du wieder beim Vermarktungsproblem…

Das ist sicherlich mit ein Grund, warum wir weniger Sponsoren haben. Obwohl die Veranstaltungen attraktiv sind – was sportlich geboten wird, ist hochgradig attraktiv. Die heimischen Rallye-Meisterschaften zählen in Europa sicher zu den schnellsten, die man zu sehen bekommt. Wir werden diesbezüglich allesamt unter Wert verkauft.

Wir spüren beispielsweise schon, dass heuer rund zehn wichtige Fahrer nicht in der ORM am Start sind. Manfred Stohl, Mario Saibel, Hannes Danzinger – um nur drei zu nennen. Jetzt hast du an der Spitze immer die gleichen Hauptdarsteller, die Positionen sind mitunter bezogen, dein dritter Platz ist in gewisser Weise festzementiert. Und wenn das Kräfteverhältnis bei jeder Rallye gleich ist, gibt es in den breiten Medien weniger Berichte…

Das ist genau das Problem, das wir derzeit haben – früher gab es mehr Abwechslung. Da gab‘s den Stohl, den Saibel, den Kris Rosenberger, den Hermann Neubauer – da wurde um diesen dritten Platz hart gekämpft.

Dann hatten wir eine extrem schnelle 2WD-Meisterschaft, doch die ist de facto auch wieder zusammengebrochen. Der Achim Mörtl ist seiner eigenen Rolle nicht gerecht geworden, indem er sich zweimal rausgestellt hat, jetzt ist die 2WD-Meisterschaft de facto entschieden. Da ist die Luft draußen. Das ist schade, das ist einfach schade.

Und vorne in der Divsion I sind die Positionen in Wirklichkeit auch bezogen – das war mit Stohl, Saibel und Neubauer sicher eine andere Story. Wenngleich wir jetzt schneller sind als je zuvor.

Ist das für dich nicht hart, dass diese ‚Flaute‘ ausgerechnet jetzt zum Tragen kommt, wo du regelmäßig auf das Podium fährst?

Natürlich tut mir das weh. Aber okay, ich habe meine Partner schon so weit, dass sie sagen: ‚Okay, der Werbewert ist in Ordnung!‘ Denn wir finden medial sehr wohl statt, weil wir selber eine gute Presse machen.

Mit tut es nur von der Gesamtperformance her leid, dass die darunter leidet, weil momentan nicht viele bekannte Leute dabei sind. Es wäre einfach gut, wenn Leute wie Manfred Stohl oder Mario Saibel fahren würden.

Aber ich möchte es auch nicht krankjammern. Die Leute, die jetzt dabei sind und die sich das auch noch leisten können, die machen allesamt einen Spitzenjob. Auch in der 2WD: Der Michael Böhm hat sich absolut gemausert, er fährt eine ganze Nummer schneller Auto, als es früher der Fall war. Wir haben eine sehr schnelle Meisterschaft – sie war immer schnell und sie ist aber noch wesentlich schneller geworden.

Du hast vor dem Interview einen reglement-technischen Punkt erwähnt, der dir hinsichtlich 2014 Sorgen bereitet…

Ja, die FIA möchte offenbar für 2014 ein einheitliches Reifenreglement einführen, also einen Einheitsreifen, auch für die Nationalen Meisterschaften. Das wäre zum einen aus Kostengründen bedenklich - denn gerade weniger bekannte Piloten haben oft einen Reifenvorrat, mit dem sie dann zwei Jahre auskommen. Wenn sie diese Reifen dann nicht mehr einsetzen können und sie sich den Einheitsreifen kaufen müssen, der natürlich auch mehr kosten wird, dann werden manche vielleicht resignieren. Da hätten wir dann noch einmal um zehn Prozent weniger Fahrer.

Zudem sind diese Reifen in meinen Augen ein Sicherheitsrisiko – denn sie sind in Längsrichtung geschnitten und du darfst sie nicht nachschneiden. Wenn du da ein wechselhaftes Wetter hast und du auf eine Pfütze gerätst – da möchte ich lieber nicht wissen, was dann passiert.

Aber ich vertraue und hoffe da auf die OSK, dass sie dieses Reifenreglement nicht in Österreich einsetzen wird. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass man diesen Einheitsreifen in Österreich zum Einsatz bringen wird.

Ich möchte auch die OSK lobend erwähnen. Als es darum ging, dass wir die Schneebergland-Rallye aus Kostengründen an einem Tag abhalten, hat die OSK sehr verständnisvoll reagiert. Ohne die Hilfe der OSK wäre das nicht möglich gewesen, dafür möchte ich mich in aller Form bedanken.

Die Sonderprüfung „Haselrast“ musste um zirka vier Kilometer verkürzt werden, dieser Umstand wurde vereinzelt kritisiert…

Sportlich ist das völlig zu vernachlässigen. Man soll sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, dass wir auf der Sonderprüfung ‚Bieglhof‘ auf 23 Kilometern eine Fahrzeit von zirka 25 Minuten haben werden! Da spielen doch ein paar gekappte Asphaltkilometer überhaupt keine Rolle. Ich rechne mit einer Gesamtfahrzeit von rund 1:35 Stunden. Das auf Schotter ist jedenfalls mehr als ORM-würdig.

Wird es die Schneebergland-Rallye im kommenden Jahr wieder geben?

An mir soll es nicht scheitern. Ich habe über meine Kontakte ein Mindestsponsorenbudget zur Verfügung – solange wir am Ende nicht mit einem Verlust aussteigen, wird es diese Rallye weiterhin geben. Was wir zurzeit schon überlegen, ist, dass wir vieleicht komplett auf Asphalt wechseln…

Würde diese Rallye als Asphalt-Rallye nicht ihr Charisma verlieren?

Schau, wenn die Leute zwar begeistert sind von Schotter-Rallyes aber dann jammern: ‚Bitte nicht einen so harten Schotter!‘, dann müssen wir uns etwas überlegen. Denn dann ist diese charismatische Rallye zum Sterben verurteilt, wenn die Leute nicht fahren…

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