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Ein Triumph der Lebensfreude

Der 53-jährige Lokalmatador Hansjörg Matzer gibt in Weiz sein Rallyedebüt – warum er schon vorher als Sieger feststeht, lesen Sie hier…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Topspeed-Racing

Frühjahr 2014. Hansjörg Matzer eilt von Termin zu Termin, es gibt viel zu tun – seit Generationen steht der Name Matzer für Sicherheit, ja sogar für Geborgenheit. Matzer ist Versicherungsmakler, er sichert die Menschen ab, er versichert sie - für den Fall einer kaputten Fensterscheibe ebenso wie für den Ernstfall, wenn der Boden unter den Füßen wegzurutschen droht. Für nahezu alle Fälle hat Matzer ein „Fangnetz“, eine Polizze parat – nur eines kann auch er nicht garantieren: immerwährende Gesundheit oder gar das ewige Leben…

Er kann im Fall der Fälle die Folgewirkungen lindern, er kann in weiser Voraussicht so manches abfangen, sodass es keine bösen Überraschungen gibt, wenn das Schicksal einmal einen Schlag austeilen sollte.

Darüber nachzudenken, dass es auch ihn selbst einmal treffen könnte - dafür fehlt Matzer in diesem Frühjahr 2014 einfach die Zeit. Seine kurz vor der Jahrtausendwende gegründete Firma floriert, ein Familienbetrieb, seine Ehefrau arbeitet von Beginn an mit, die Firma wird größer, auch einer der beiden Söhne verstärkt das Team, eine Filiale wird eröffnet, Expansion ist angesagt…

Diagnose Krebs

Doch dann kommt, was man selbst nie für möglich hält: Im April 2014 erhält Hansjörg Matzer die Diagnose Hautkrebs. Plötzlich, von einem Moment auf den anderen, steht für den 53-Jährigen die Zeit still, die fleißige Familie fällt in einen Ausnahmezustand, steht unter Schock. Matzer erinnert sich: „Es war wie ein Keulenschlag. Ich war bis dahin schon so einer, den man einen Workaholic nennt. Die Arbeit war mir und auch meiner Frau wichtig, das Geschäft lief gut, wir konnten zufrieden sein.“ Die Ärzte raten dem 53-Jährigen zu einer Chemotherapie – der übliche Leidensweg scheint sich abzuzeichnen, zwischen Hoffnung und Verzweiflung pendelnd, von den schweren Geschützen der Chemie gezeichnet...

Doch Matzer hört sich um, beginnt zu recherchieren und entscheidet sich schließlich gegen die Schulmedizin: „Die Lösung war eine Galvanotherapie, auch unter dem Namen Bio-Elektrotherapie bekannt. Diese hier näher zu erklären, würden den Rahmen sprengen.“ Tatsächlich spricht Matzer auf diese neue Therapie an – und darf sich glücklich schätzen, er ist dem drohenden Tod quasi von der Schaufel gesprungen. Doch bevor es so weit kam, in dieser dunklen Zeit der Ungewissheit, haben Matzer und seine Familie nachgedacht…

Heute erzählt er: „Auch wenn ich mittlerweile als geheilt gelte – diese Diagnose war für mich ein Wendepunkt. Meine Frau und ich haben schließlich festgestellt: Der Krebs kommt nicht einfach so daher, er hat eine Ursache! Wir haben erkannt, dass wir unser Leben verändern müssen. Wir haben abgespeckt, haben die Filiale und das große Haus verkauft – das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.“ Hansjörg Matzer erhielt quasi ein „zweites Leben“ – und dieses wollte er nach einem altbekannten Motto führen: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!“

Träume leben

Schon immer hatte Matzer eine Vorliebe für Motorsport, schon vor dem großen Wendepunkt in seinem Leben fand Matzer ab und an die Zeit, die eine oder andere Rallye zu besuchen und sich als Hobbyfotograf zu versuchen. Matzer erinnert sich: „Es war eine Art Bubentraum von mir, dass ich irgendwann einmal selbst fahren wollte.“ Diese „Bubenträume“ sollten in seinem „zweiten Leben“ zur Realität werden: Matzer gründete sein eigenes Topspeed-Racing Team, in dessen Namen er seine Abenteuer bestreiten wird. Vor einigen Wochen gab Hansjörg im Volvo Stock Cup sein spätes Renn-Debüt – und schlug sich mehr als beachtlich: Sieg im B-Finale, Platz zwei im Grande Finale, für einen Rookie sensationell.

Matzer lacht: „Ich habe im Volvo Stock Cup gesehen, dass es gar nicht so schlecht läuft. Aber Rallye ist natürlich wieder etwas ganz Anderes – doch der Rallyesport hat mich schon immer interessiert.“

Rallye-Debüt mit 53

Bei der bevorstehenden Weiz-Rallye wird Hansjörg Matzer mit Startnummer 81 nun sein ersehntes Rallye-Debüt geben – im Team von Nikolas Ziesler mietet er dessen Renault Clio (Klasse RC3) an, als Copilot fungiert der erfahrene Manfred Cerny. Ziesler selbst fährt erstmals einen Peugeot 208 R2, sein Team betreut auch den Wagen von Matzer. Dieser erhält für den Einsatz eine eigene Beklebung: „Ein Freund von mir betreibt die ‚The Sign Werkstatt‘, er macht das Design.“ Dieses wird nicht nur in den Farben von Topspeed-Racing gehalten sein, denn Hansjörg Matzer scheint auch als Rallyepilot ein „goldenes Händchen“ zu haben: „Ich habe sogar ein paar Sponsoren gefunden, womit die Kosten in Grenzen gehalten werden.“

Bei einem Test im Vorfeld der Rallye konnte Hansjörg bereits erste Eindrücke sammeln – zuvor jedoch galt es „Lehrgeld“ zu bezahlen. Matzer erzählt mit einem Grinsen im Gesicht: „Ich habe beim Wegfahren gleich einmal den Motor abgewürgt, und dann gleich noch einmal – erst beim dritten Versuch hat es geklappt. Es ist gar nicht so einfach, den richtigen Druckpunkt für die Kupplung zu finden, danach brauchst du sie ja nicht mehr, denn der Clio hat ein sequentielles Getriebe. Das Fahren hat mächtig Spaß bereitet – ich habe hernach gestrahlt wie ein Hutschpferd.“

Hitzetraining im Renngewand

Nicht minder begeistert zeigt sich Hansjörg Matzer von seinem Beifahrer Manfred Cerny: „Ich habe ihn beim Test näher kennengelernt. Manfred ist im Zivilberuf Vermessungstechniker und arbeitet auch im Rallyeauto sehr genau. Er ist ganz klar der Chef im Auto – und das ist gut so, denn er verfügt über die nötige Erfahrung. Er sagt mir auch, wo ich etwas schneller fahren könnte und wo ich mich lieber einbremsen sollte. Das ist auch wichtig, denn ich will sicher nichts ruinieren – schon gar nicht auf den ersten vier Sonderprüfungen am Freitagabend. Unser Ziel ist nichts anderes als das Ziel, wir wollen und können auch niemandem etwas beweisen.“

Ganz ohne Ehrgeiz geht es aber dann doch nicht, wenn Hansjörg Matzer etwas in Angriff nimmt: „Da ich über 50 bin, musste ich für die Lizenz eine ärztliche Untersuchung absolvieren, was überhaupt kein Problem war. Aber natürlich bin ich übergewichtig – da wollte ich vor der Rallye noch etwas für meinen Körper tun. Im Büro gehe ich schon seit einiger Zeit die 52 Stufen zu Fuß hoch, anstatt wie früher mit dem Lift zu fahren. Und weil es bei dieser Hitze in Rennoverall und feuerfester Unterwäsche ganz schön heiß hergehen kann im Cockpit, habe ich zur Mittagshitze in voller Montur in unserem Garten einige Übungen gemacht. Aber ich hätte damit schon viel früher beginnen müssen – die 'Wampe' bring ich so schnell nicht weg, das wird sich bis zur Rallye ganz sicher nicht mehr ausgehen.“

Ob kleine oder große „Wampe“, ob Platz 50 oder Platz 82 – Hansjörg Matzer wird bei der Weiz-Rallye so oder so einen großen, einen ganz speziellen Sieg erringen. Zu diesem Triumph der Lebensfreude wollen wir Hansjörg Matzer und seiner Familie schon jetzt von ganzem Herzen gratulieren!

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