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ORM: Rebenland-Rallye

Hochschaubahn mit Lerneffekt

Aus dem absoluten Tief des Vorjahrs heraus wurden schon bei der Rebenland-Rallye 2018 entscheidende Optimierungen gefunden. Die 2019er-Ausgabe wollte Johannes Keferböck komplett optimiert angehen - doch weil "das Leben" und ein zweitweise etwas übermotivierter Vizestaatsmeister unabsichtlich dagegenhielten, wurde das vergangene Rallye-Weekend zur mentalen Hochschaubahn. Doch gerade dann findet "Kefer" als Pilot stets Verbesserungspotential - dazulernen geht immer...

Fotos: Daniel Fessl, Walter Scheucher

Im Vorfeld der Rebenland-Rallye stand im Grunde eine punktgenaue Optimierung gegenüber dem Vorjahr auf dem Programm. Denn die Rebenland-Rallye 2018 nennt Vizestaatsmeister Johannes Keferböck heute unverblümt ein "Desaster" - es war das erste Kapitel des mit dem Sieg bei der Jännerrallye dank eines kräftigen Schubs seines Erdölsponsors begonnenen Traums, der im Rebenland jedoch durchaus alptraumhaft begonnen hatte. Man stelle sich nach zehn Jahren "Jännerrallye only" die selektiven, aber dank Rollsplit "giftigen" Rebenland-Prüfungen unter Regen und mit falschen Reifen vor. Dass ihm die Prüfungen an sich zudem weniger liegen als viele andere, klammerte "Kefer" ganz bewusst im Vorfeld aus.

Denn zur hohen Kunst der Optimierung gehört etwas, das auch in einem kostenstarken Spitzensport wie jenem der Rallye-Staatsmeisterschaft stets die Basis alles Tuns bilden sollte, wie es Johannes in seinem Rückblick mit seinem ersten Satz zum Ausdruck bringt: "Das Thema im Vorfeld der Rebenland-Rallye hieß Freude! Freude über das prognostizierte Trockenwetter. Freude darüber, dass es kein solches Desaster wie 2018 geben wird. Freude über die superschönen Prüfungen rund um Leutschach in der Weinstraße - wo der viele Split einfach dazugehört, mit ihm haben wir gerechnet. Daher war auch die Vorfreude groß, am Donnerstag vor der Rallye einen kurzen Test mit dem Ingenieur des Eurosol Teams abhalten zu können, um uns im Škoda FABIA R5 optimal zurückzuwagen - dorthin, wo im Vorjahr eigentlich ein absoluter Tiefpunkt zu den vielen Optimierungen während meiner ersten vollen ORM-Saison seit mehr als zehn Jahren geführt hat. Es ging uns darum, tiefenentspannt loslegen zu können - und dank des Tests nicht gleich wieder ins kalte Wasser springen zu müssen."

Wenn "das Leben" auf Challenge umschaltet

Auch wenn die von Johannes Keferböck im Vorjahr vorgenommenen Verbesserungen tatsächlich zum Gewinn des Vizestaatsmeistertitels führten, garantieren solche Entscheidungen noch lange nicht den gewünschten Erfolg - vor allem dann nicht, wenn "das Leben" die eine oder andere vorgesehene Maßnahme völlig unabsichtlich aber doch komplett torpediert. Am Donnerstagvormittag erreichte Keferböck die Hiobsbotschaft: Der Transporter des Eurosol Rallye Team Austria hatte auf der "Sonderprüpfung" von Ungarn nach Leutschach einen Reifenschaden, der an sich schnell behoben werden hätte können, wenn er nicht auch dazu geführt hätte, dass am LKW ein Hydraulikschaden auftrat. Erst um 21 Uhr am Donnerstagabend traf der virtuos "on Track" reparierte Truck in Leutschach ein.

Johannes Keferböck blieb nichts anderes übrig, als hinzunehmen, dass die Rebenland-Rallye 2019 quasi schon vor der ersten SP suboptimal begonnen wird: "Da kann natürlich niemand etwas dafür und es wurden vom Team her schon große Anstrengungen abverlangt, um den gestrandeten Truck überhaupt rechtzeitig ins Rebenland zu bringen. Zugleich wäre gerade hier der Test wichtig gewesen und ich muss zugeben, dass ich daher auch etwas unentspannter in das Rallye-Weekend ging." Dennoch legten sich Keferböck und seine mit über hundert WRC-Starts sowie Unmengen an nationalen Rallyes erfahrene, auch als Sport- und Mentaltrainerin diese Erfahrungen weitergebende Copilotin Ilka Minor einen spontanen Plan B zu: "Wir erklärten kurzerhand den Shakedown zu unserem Test und fuhren insgesamt sechsmal über die Prüfung - dabei konnten wir auch ein Setup erarbeiten, das ich als ordentliches `Mittelding` bezeichnen würde. Zumindest waren wir nun bereit für das große Abenteuer in den Weinstraßen."

Aus der Spur und von der Rolle

Entspannt stiegen Johannes Keferböck und Ilka Minor also am Freitagmorgen in den Škoda FABIA R5: "Wir sind auf der ersten Prüfung auch sehr gut gestartet und kamen auch gleich in den Flow - doch nach zwei Kilometern kam ich in einem Links-Knick aus der Spur, sodass wir von der Strecke 'abflogen' und es ein Riesenglück war, dass wir uns keine Schäden zuzogen und wir die Fahrt fortsetzen konnten." Dieser frühe "Moment", wie ihn die Lenkradakrobaten bezeichnen, mit seinen beinahe die Rallye beendenden Konsequenzen, setzte Johannes dann doch zu. Offen gibt der Oberösterreicher zu: "Das hat mir dermaßen die Schneid abgekauft!" Und wie so oft in solch einem Fall kam es noch auf der selben Prüfuing zu einem weiteren Zwischenfall: "Wir haben etwas zu tief gecuttet und lagen auf der Bodenplatte auf, wodurch das Auto für diesen Moment nicht mehr manövrierbar war. Auch wenn das nur eine Sekunde war, so hat es mir doch das Vertrauen genommen."

Das blieb auch auf der gleich im Anschluss absolvierten zweiten SP so: "Ich hatte kein Gefühl und bin total schlecht gefahren, unkonzentriert, völlig von der Rolle. Ich habe im Ziel zu Ilka gesagt: 'Da brauchst du gar nicht auf die Zeit schauen'." Eine der "Weisheiten" des Rallyesports lautet: So schnell man das Vertrauen von einer Sekunde auf die andere verlieren kann, wird man es nur selten zurückgewinnen - denn das kann dauern. Es muss zurück erarbeitet werden. Johannes berichtet: "Unser Ingenieur vom Eursol Team hat mich dann darauf eingeschworen, dass ich den Freitag als unseren Testtag betrachten soll - das hat mir dann auch geholfen. Ab SP4 sind wir dann wieder in den Fluß gekommen, da waren auch die SP-Zeiten wieder da." Tatsächlich konnten sich Keferböck/Minor am Freitagabend von Platz zehn auf Platz fünf vorarbeiten.

Doch auf der abschließenden zweiten Remschnigg-SP kam es nochmal zu einem Zwischenfall: "Wir haben uns gleich in der ersten Kehre eingedreht und so rund 25 Sekunden liegen lassen."

Gut aufgelegt in die Bremspunktoptimierung

Nach einem erholsamen Tiefschlaf war es für "Kefer" trotz der emotionalen "Hochschaubahn" der Vortage kein Problem, dem Samstag freudig ins Auge zu blicken: "Ich war am Morgen richtig gut aufgelegt und habe mich total auf diesen Tag gefreut. Es lief dann auch prächtig. Auf der kurzen Poharniberg-Prüfung lagen wir zeitenmäßig ohnehin alle recht nah beieinander und auch die SP Glanz hat gut funktioniert, wir lagen sehr gut im Rhythmus und wir haben im Service zwischen den Durchgängen auch noch sehr viel dazugelernt. Konkret habe ich dank unseres Ingenieurs anhand der Daten meine Bremspunkte verbessern können. So blieb ich den gesamten Samstagvormittag über in einer super Stimmung und ging auch guter Dinge in die Mittagspause."

Pirouettenkönig zieht mentale Reissleine

Am Nachmittag jedoch, auf den beiden langen Prüfungen, drehte sich nicht nur die Stimmung im Cockpit noch einmal um 360 Grad: "Nicht nur einmal haben wir uns gedreht - wir wurden auf diesen Prüfungen zu einer Art Pirouettenkönig. Die Zeiten waren natürlich allesamt reif für die Rundablage - da müssen wir im Nachhinein wirklich total froh sein, dass wir überhaupt ins Ziel gekommen sind. Es war für mich dann nur noch eines wichtig: Ich sagte mir selbst unentwegt: 'Du musst jetzt konzentriert bleiben!'."

Dass der Start der zweiten Eichberg-SP um zehn Minuten verzögert wurde, war in dieser Situation wenig hilfreich. "Wir mussten alle auf kalten Reifen in die Prüfung fuhren", wie Johannes erklärt. Und: "Es gab wieder einen Big Moment - da hatte ich so viel Glück, das Auto nicht gleich in den Wald geschmissen zu haben, sodass wir alle gemeinsam quasi die mentale Reissleine zogen. Denn der fünfte Platz war so gut wie safe und nach vorne war ohnehin nichts mehr möglich. So haben wir beschlossen, auf den beiden abschließenden Prüfungen am Setup des wieder einmal optimal arbeitenden Škoda FABIA R5 zu arbeiten und eben safe die Punkte mitzunehmen."

Learning the hard way, but learning

So kann Johannes Keferböck die gefühlsmäßig ziemlich hochschaubahnartige Rebenland-Rallye 2019 durchaus nicht in der Rundablage, sondern vielmehr in den Ordner "Learning the hard way, but learning" ablegen: "Auch wenn ich es vor und während der Rallye nicht ins Bewusstsein geholt habe, war doch von vornherein klar, dass mir die Strecken der Rebenland-Rallye einfach nicht so gut liegen. Ich würde sagen, dass diese Rallye wieder ein großer Schritt für Mensch und Maschine waren. Ich habe an diesem Wochenende ganz viele neue Inputs erhalten - an ihnen gilt es nun zu arbeiten. Und ich spüre schon jetzt eine große Vorfreude auf die Lavanttal-Rallye, die Prüfungen dort haben mir im Vorjahr sehr großen Spaß bereitet, dort fuhren Ilka und ich zum ersten Mal gemeinsam - dorthin kehre ich sehr gerne wieder zurück."

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