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WRC: Schweden-Rallye

„Irgendwann sind doch alle normal, oder?“

Nach einem Jahr Rallyepause konnte Henning Solberg mit Copilotin Ilka Minor die Schweden-Rallye auf Platz sieben beenden.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Minor

Ein ganzes Jahr lang saß Henning Solberg nicht mehr in einem Rallyeauto – die Schweden-Rallye 2013 war seine letzte Betätigung als Rallyepilot. Am selben Ort also kehrte er zurück ins Cockpit. Die Motivation leidet darunter nicht, ganz im Gegenteil. Ilka Minor erzählt: „Bei der Besichtigung war Henning extrem motiviert – denn natürlich möchtest du nach einer so langen Pause zeigen, dass du es noch drauf hast.“

Schon bei der „Recce“, wie die Besichtigung im Fachjargon genannt wird, war klar, dass die Rückkehr von Henning Solberg und Ilka Minor (in Monte Carlo nicht am Start) unter schwierigen Verhältnissen stattfinden wird: „Es hat bis am Samstag vor der Rallye geschneit, doch dann war es einfach zu warm, es hatte Plusgrade. Dann hast du sehr viel Schneematsch auf der Strecke, der extrem rutschig ist – und langsam kommt dann auch der Schotter durch. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eine der schwierigsten Schweden-Rallyes war, an die ich mich erinnern kann.“

41-jähriges, unentdecktes „Jungtalent“

Wenn man ein Jahr lang keine Rallye mehr absolviert hat - kommen dann Zweifel auf, ob man noch mithalten kann? Ilka nickt: „Natürlich ist man ein bisschen unsicher. Doch Henning ist glücklicherweise ein lockerer Typ und auch mit Humor gesegnet. In einem Interview mit dem schwedischen Radio hat er gesagt, er verfüge durchaus über Talent, doch bislang habe ihn noch niemand entdeckt...“

Das 41-jährige „Jungtalent“ und seine 38-jährige Copilotin starteten in einem von der britischen Rallyeschmiede M-Sport eingesetzten Ford Fiesta RS World Rally Car. Dabei handelte es sich um ein Testauto – wenige Tage vor der Rallye hat damit interessanterweise Robert Kubica seine ersten Kilometer auf Schnee und Eis absolviert.

Henning Solberg musste ohne einen Test in das Abenteuer Schweden-Rallye starten. Eine erste Vergleichsmöglichkeit mit den 16 Konkurrenten der Königsklasse WRC war der Shakedown am Mittwochvormittag – doch dieser ist bei Schnee-Rallyes nicht für die Startreihenfolge entscheidend. Dennoch war Solberg erleichtert über die viertschnellste Zeit. Ilka sagt: „Das hat ihm schon eine gewisse Sicherheit gegeben, auch wenn die Zeiten schwer einzuschätzen waren.“

Die erste Sonderprüfung fand am Mittwochabend statt, bei der Superspecialprüfung in Karlstad waren zahlreiche Fans vor Ort – auf der 1,9 Kilometer kurzen Strecke konnten Solberg/Minor die sechstschnellste Zeit markieren. Für Solberg eine weitere Bestätigung, Ilka nickt: „Auch wenn es nur eine kurze Prüfung war – dort haben die anderen bereits Vollgas gegeben, mit der Zeit konnten wir also zufrieden sein.“

Am Donnerstagmorgen startete endlich die „richtige“ Rallye. Doch gleich auf der ersten Prüfung kam ein „Aha-Erlebnis“, wie Ilka schildert: „Wir haben uns gedreht. Dieser Dreher hat uns rund zehn Sekunden gekostet – die Bedingungen waren aber auch extrem schwierig.“ Tatsächlich gab es im Laufe der Rallye zahlreiche Abflüge zu vermelden, so unterlief auch dem regierenden Weltmeister Sebastien Ogier ein Fehler, auch er steckte wie viele andere in einer Schneewand. Der „Schuss vor den Bug“ hatte Solberg aber auch gewarnt: „Wir müssen auf der Straße bleiben“, hat er nach SP 2 erklärt, als wollte er sich damit selbst beschwören…

„Überrascht, dass er dermaßen Stoff gibt“

Wenig später, auf der mit 16,8 Kilometern längsten Prüfung der ersten Etappe, der SP 4 „Finnskogen“, sorgten Solberg/Minor für erstaunte Gesichter, denn die beiden konnten die zweitschnellste Zeit in den Schnee brennen! Ilka sagt: „Das hat ihn dann natürlich sehr gefreut. Ich muss zugeben, dass es auch mich überrascht hat, dass er dermaßen Stoff gegeben hat, und das so früh in der Rallye. Er hat einfach gesagt: ‚Ich will schnell fahren und meinen Spaß haben!‘ Und er hat auch in den schnellen Kurven Vollgas gegeben, er hat wie Evgeny Novikov einfach stehenlassen und dabei nicht gezuckt.“

Dabei könnte Solberg vom Alter her der Vater des jungen Russen sein. Tatsächlich fuhr mit Pontus Tidemand der Stiefsohn von Henning Solberg einen weiteren Fiesta des M-Sport-Teams. Ilka sagt: „Es war sicher nicht leicht für ihn. Denn natürlich gibt es auch zwischen Vater und Stiefsohn einen Konkurrenzkampf – jeder will der Schnellere sein.“ Tatsächlich lagen Solberg und Tidemand eng beieinander – nach SP 4 beispielsweise trennte die beiden eine winzige Zehntelsekunde im Gesamtklassement…

Auf SP 7, der letzten Prüfung der ersten Etappe, mussten Solberg/Minor wieder einen Zeitverlust hinnehmen: „Wir hatten nach zwei Kilometern einen Reifenschaden rechts vorne. Wir sind die Prüfung zu Ende gefahren – in Rechtskurven konnten wir normal weiterfahren, doch in den Linkskurven mussten wir natürlich aufpassen.“ Rund eine halbe Minute büßten Solberg/Minor auf SP 7 ein, sodass sie auf Rang 13 abrutschten.

Hagfors Sprint: Bestzeit!

Am Freitagvormittag kam das nächste Highlight: Auf dem 1,9 Kilometer langen „Hagfors Sprint“ durften sich Henning und Ilka über die Bestzeit freuen. Und was für eine! Denn auf der kurzen Strecke konnten sie dem zweitplatzierten Weltmeister Ogier satte 1,7 Sekunden abknöpfen. Ilka wundert sich heute noch: „Das ist beinahe eine Sekunde am Kilometer!“ Lachend fügt sie hinzu: „Ich habe keine Ahnung, was Henning da gemacht hat.“

Nach einer fünftschnellsten Zeit auf SP 12 konnte Solberg am Freitagabend, beim zweiten „Hagfors Sprint“ die drittschnellste Zeit markieren. Nach Platz fünf bei der abschließenden Karlstad-Prüfung lagen die beiden am Ende der zweiten Etappe auf Platz sieben, nur 1,7 Sekunden dahinter belegte Pontus Tidemand Platz acht. Allerdings näherte sich von hinten Sebastien Ogier, der sich nach seinem Ausritt auf einer Aufholjagd befand…

Die Schrecksekunde: Dreher bei 140 km/h

Auf der letzten Etappe der Schweden-Rallye waren noch acht Sonderprüfungen zu 141,2 Kilometern zu absolvieren. Nach einer sechstschnellsten Zeit auf SP 18 kam auf der SP 20 „Vermüllsasen“ der mit Abstand heikelste Moment für das norwegisch-österreichische Duo. Ilka erzählt: „Wir hatten einen Highspeed-Dreher. Auf einer engen Straße drehten wir uns bei rund 140 km/h um die eigene Achse. Es war ein Wunder, dass wir nirgends eingeschlagen sind, denn es waren unter dem Schnee einige Baumstümpfe zu erkennen. Man präpariert sich in einer solchen Situation auf einen solchen Einschlag – doch zum Glück kam er nicht, irgendwie konnte Henning den Wagen abfangen. Und so sind wir einfach weitergefahren.“ Im Ziel der SP 20 sagte Solberg: „Das wäre beinahe das Ende gewesen.“ Ilka erzählt: „Natürlich habe ich Henning danach daran erinnert, dass wir auf den letzten Prüfungen danach trachten müssen, das Ergebnis heimzufahren.“ Denn dieses konnte sich sehen lassen…

Zwar lagen die beiden zu diesem Zeitpunkt bereits auf Rang sechs, doch den vorstürmenden Ogier konnten sie dann doch nicht hinter sich halten. Ilka erklärt: „Im zweiten Durchgang kamen Ogier auch die Verhältnisse entgegen, da kam bereits der Schotter durch und er konnte kräftig Gas geben.“ So beendeten Henning Solberg und Ilka Minor die Schweden-Rallye auf Platz sieben, rund 50 Sekunden dahinter belegte Hennings Stiefsohn Pontus Tidemand Platz acht. Einmal mehr also konnten Solberg/Minor WM-Punkte an Land ziehen – geht es nach dem Norweger, so werden die Fans diesmal nicht ein ganzes Jahr auf ihn warten müssen, das versprach er auch dem Rallyradio. Ilka sagt: „Er arbeitet hart an weiteren Einsätzen – zwar werden wir bei der nächsten WM-Rallye in Mexiko nicht dabei sein, aber vielleicht geht sich ja ein Start in Portugal aus.“

Von wegen Glanz und Glamour

Wer daran glaubt, dass die weltbesten Rallye-Piloten und Copiloten nach einer Rallye in Glanz und Glamour ihre Erfolge feiern, der möge an dieser Stelle aufhören, zu lesen. Denn der weitere Ablauf nach der Zieldurchfahrt auf SP 24 wirkt dann doch ein wenig ernüchternd…

Ilka erzählt: „Es gab noch ein Zehnminutenservice, dann mussten wir noch 80 Etappenkilometer zurücklegen, um über die Zielrampe zu fahren. Von dort ging es in den Parc ferme – dort wird das Auto abgestellt, dort sind auch keine Fans zugegen. Unser Hotel war 100 Meter vom Parc ferme entfernt, da konnten wir also gemütlich zu Fuß rübergehen. Im Hotel habe ich noch schnell geduscht, ehe mich ein Freund von Henning nach Oslo brachte, wo wir drei Stunden später ankamen. Dort, im Flughafenhotel, habe ich dann alleine mein Abendessen zu mir genommen, danach ging‘s gleich ins Bett – denn schon zeitig am Morgen startete der Flieger nach Wien. Mein Ehemann holte mich ab, den Rest des Sonntags habe ich gemütlich vor dem Fernseher verbracht und mir die Olympiade angeschaut.“

Glanz und Glamour? Eben erst mit 150 durch den Wald geflogen und dann vor dem Fernseher faulenzen? Ilka lacht: „Ich weiß, das würden viele nicht vermuten. Nur: Warum sollen nicht auch Rallyepiloten abseits des Cockpits ein normales Leben führen? Wenn du im Büro arbeitest, gehst du ja auch nach Hause, um ein normales Leben zu führen. Irgendwann sind doch alle normal, oder?“

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