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WRC: Rallye Monte-Carlo

Eigenverantwortung & Zivilcourage - wichtige Faktoren auf der Sonderprüfung

Der Tod eines in Gefahrenzone stehenden Zuschauers trübt den Saisonauftakt – eine Schuld jedoch trägt nur das Opfer selbst…

Kommentar von Michael Noir Trawniczek

So schnell wird aus einem spannend-elektrisierenden ein trauriger Saisonauftakt: Bei einem Abflug von Hayden Paddon kam am Donnerstagabend auf der ersten Sonderprüfung der Rallye Monte Carlo ein Zuschauer zu Tode. Für seine Angehörigen eine Katastrophe - hier gilt es, den Hinterbliebenen unser Beileid auszusprechen.

Zugleich muss aber auch klipp und klar festgestellt werden, dass der Zuschauer in einer Gefahrenzone stand, in der er nichts, aber auch gar nichts zu suchen hatte. Die Veranstalter der Rallye Monte Carlo haben angekündigt, die Umstände rund um diesen wohl vermeidbar gewesenen Todesfall lückenlos zu untersuchen. Derzeit gibt es lediglich Spekulationen: Die auf dem Felsen über der betreffenden Zone stehenden Menschen hätten den Zuschauer mehrmals gewarnt und ihn gebeten, die Gefahrenzone zu verlassen. Wilde Gerüchte, wonach der Neuseeländer dort gar auf dem Boden gesessen sei, werden von Bildmaterial widerlegt – auch jene Meldung, wonach er vom Felsen hinabfiel und daher also gar nicht wissentlich in dieser Zone stand, erweisen sich als „Fake-News“. Es ist auch müßig, sich mit diesen Spekulationen auseinanderzusetzen, denn sicher ist: Dieser Bereich ist auf den ersten Blick als brandgefährliche Zone erkennbar – jede Sekunde, die man dort weiter verbringt, ist eine zu viel…

In den „sozialen Medien“ kamen sogleich Kommentare auf, wonach die neue Generation der World Rally Cars „vielleicht doch zu schnell“ sei – auch das kann man schon vor der Untersuchung als Todesursache ausschließen. Auch ein ausreitendes R1-Auto hätte wohl die gleichen tragischen Konsequenzen zur Folge gehabt.

Viel wichtiger ist die Frage, wie man solche Unfälle vermeiden kann. Hier muss festgestellt werden, dass die Veranstalter sich zu 99,9 Prozent redlich bemühen, Fotografen und Zuschauer über die Physik solcher Zonen aufzuklären, zudem werden Streckenposten eingesetzt, um gefährlich stehende Menschen in Sicherheit zu bekommen, auch der vor jedem Start einer Sonderprüfung über die Strecke fliegende Hubschrauber gehört heutzutage zum üblichen Prozedere und natürlich sind auch die sogenannten „Vorausautos“ ein Teil dieses umfassenden Sicherheitssystems, deren Crews haben gefährlich stehende Menschen zu melden.

Wie man aber gestern gesehen hat, kann auch das beste System eines nicht ersetzen: jene Eigenverantwortung, die ein erwachsener Mensch aufbringen sollte, wenn er sich weiterhin des Lebens erfreuen möchte. Kein Foto, keine Zuschauerposition kann so gut sein, dass es das Risiko wert ist, den eigenen Freunden, der eigenen Familie ein solches Leid anzutun. Nicht zu vergessen jenes Pilotenduo, welches mit einer solchen Tragödie klarkommen muss, auch wenn es natürlich vollkommen unschuldig am Tode eines gefährlich stehenden Menschen ist. Es sind eben aber auch Menschen, die in diesen Autos sitzen und keine Computer…

Aufeinander aufpassen

Genau dort, im menschlichen Bereich, liegt aber auch die Chance, in Zukunft solche ohnehin selten vorkommenden Tragödien schon im Keim zu ersticken: Neben der erwähnten Eigenverantwortung ist auch die Verantwortlichkeit für unsere Mitmenschen ein wesentlicher Sicherheitsfaktor, dazu gehört auch eine große Portion Zivilcourage. Dass man nicht nur fassungslos den Kopf schüttelt, sondern aktiv wird, dass man den Betreffenden höflich, aber auch sehr bestimmt aus der Gefahrenzone verweist. Und dass man bei Uneinsichtigkeit sich auch nicht zu scheuen braucht, den Betreffenden zu melden – denn er riskiert eben nicht nur sein eigenes Leben. Und selbst das wäre kein Grund, sich nicht „einzumischen“.

Wir müssen aufeinander aufpassen – wobei hinzugefügt werden muss, dass innerhalb der Rallye-Community ohnehin schon stark in diese Richtung gegangen wird. Das Aktivwerden, das Einmischen ist mitunter eben der einzig verbleibende Weg, wenn an einer Stelle gerade kein Streckenposten zu sehen ist. Hier müssen wir das Risiko eingehen, von dem oder den Betreffenden als vermeintliche „Spaßverderber“ angeschnauzt zu werden – dabei ist es völlig egal, ob der Betreffende einen „Foto-Latz“ trägt oder ob es sich um einen „gewöhnlichen“ Zuseher handelt. In diesem Moment gibt es einzig und allein ein menschliches Individuum, das gerade nicht versteht oder verstehen will, dass es sein eigenes Leben aber auch jenes der Piloten gefährdet und dass zudem der gesamte Rallyesport unter solchen Vorfällen leidet.

Zivilcourage ist längst nicht nur auf Rallye-Sonderprüfungen gefragt. Man stelle sich vor, man würde von zwei Gewalttätern in Bedrängnis gebracht werden und es taucht eine Menschengruppe auf: Hier sollte nicht darauf gehofft werden müssen, dass einem diese Menschen zur Seite stehen – nein, es sollte Gewissheit sein, dass einem geholfen wird. Denn gemeinsam sind Menschen stark. In diesem Sinne lasst uns weiter zusammenrücken und an unsere gemeinsame Stärke glauben – manchmal müssen Menschen von uns beschützt werden, manchmal sogar vor sich selbst. Die Menschen, die am Donnerstagabend in SP1 auf besagtem Felsen standen, konnten in dem Moment wohl nicht mehr tun, als den Zuschauer auf die Gefahr aufmerksam zu machen – und mussten mitansehen, wie das Unglück seinen Lauf nahm. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, auch künftig nicht wegzuschauen, sondern aktiv zu werden. Denn in den allermeisten Fällen wird so ein Unglück verhindert.

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