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WLTP & RDE: neue Verbrauchs- und Abgasmessung

Verbrauchs-Realschule

Ab September 2017 wird die Prüfung von Auto-Verbräuchen und Abgaswerten auf eine realistischere Basis gestellt. Wir liefern alle Infos.

Text: Georg Koman
Fotos: ADAC (1), MAHA (1), privat (1)

Der VW-Abgasskandal rückte die Ausscheidungsprodukte des Automobils wieder ins Massen-Bewusstsein. Abgase – wie die seither zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Stickoxide (NOx) –, aber auch den Verbrauch. Deshalb fragen sich immer mehr Menschen: Warum verbrauchen Autos im wirklichen Leben deutlich mehr als laut Werksangabe?

Die meisten Menschen wollen, dass angegebene Verbräuche der Realität entsprechen. Sie fühlen sich sonst als Konsumenten nicht ernst genommen. Und weil Politiker in seltensten Fällen Techniker sind, gehen sie hier mit der Meinung der Konsumenten konform. Außerdem haben sich die offiziellen Mixverbräuche in den letzten Jahren immer weiter von den durchschnittlichen Realverbräuchen entfernt.

Daher kommen ab September 2017 neue Prüfverfahren – WLTP und RDE, die voneinander völlig unabhängig sind. WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) ersetzt das aktuelle NEFZ-Verfahren, ist also eine adaptierte Form des verbrauchs-ermittelnden Labortests. RDE (Real Driving Emissions) ist ein zusätzliches Testverfahren, das Abgas-Emissionen im realen Straßenverkehr überprüft.

Die Tests werden nicht von den Autoherstellern selbst, sondern von den Behörden beauftragten Institutionen wie zum Beispiel dem TÜV durchgeführt. Die Hersteller können allerdings innerhalb der EU die Prüf-Institution frei wählen.

Die Verbrauchsprüfung gliedert sich bisher und zukünftig in zwei Teile. Im ersten Teil (Fahrwiderstandsprüfung) wird das Auto auf einer ebenen Strecke auf die maximale Geschwindigkeit des Testzyklusses beschleunigt und rollt danach im Leerlauf aus.

Dabei wird in Zehn-km/h-Schritten die Zeit gestoppt, unterschiedliche Verzögerungswerte ergeben sich aus unterschiedlichen Roll- und Luftwiderständen der Autos. Diese Werte bilden neben dem Fahrzeuggewicht die Basis für die Widerstands-Einstellungen der Prüfstands-Rollen im zweiten Testteil (Rollenprüfstand im Labor).

Sprich: Wird bei der Fahrwiderstandsprüfung ein geringer Luft- und Rollwiderstand ermittelt, werden im zweiten Teil die Prüfstandsrollen auf weniger Widerstand eingestellt und umgekehrt. Um gute Werte zu erreichen, wurde bisher oft und gern getrickst, nach dem Motto: „Was nicht explizit verboten ist, ist für uns erlaubt“.

Etwa das Abkleben von Fugen oder das Entfernen des rechten Außenspiegels. Bei Kombis findet sich die Dachreling oft als „Null-Euro-Extra“. Warum? Weil man sie dann für die Fahrwiderstandsprüfung abnehmen kann. Oder die Reifen: Bisher musste man für Tests den „zweitbreitesten zugelassenen Reifen“ wählen. In der Extraliste findet sich dann häufig ein sehr breites Exemplar, die restlichen Optionen liegen nah beisammen. Auch vor der Optimierung der Spureinstellung schreckte man nicht zurück.

Künftig wird das laut Dr. Werner Tober (Bild rechts), Forscher am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien, strenger werden: „Die Autos müssen künftig im serienmäßigen Zustand verbleiben, die aerodynamisch ungünstigste Karosserie-Variante muss gewählt werden, und die für diese Motorisierung breitesten zugelassenen Reifen müssen montiert sein.“

Im zweiten Teil – dem Rollenprüfstands-Test – wird ein komplett neuer Fahr-Zyklus (WLTC) absolviert: Er dauert mit 30 Minuten (statt 20) deutlich länger als bisher, die Stehzeiten sind kürzer, die Höchstgeschwindigkeit steigt auf 131 km/h (derzeit 120 km/h), die mittlere gefahrene Geschwindigkeit auf 46,6 km/h (derzeit 34 km/h).

Weiterhin abgeschaltet muss die Klimaanlage bleiben, die Verwendung von Leichtlaufölen ist nach wie vor erlaubt und die Labor-Temperatur wird jetzt auf 23 Grad mit einem Toleranzbereich von +/- 3 Grad festgelegt (zuvor konnte sie zwischen 20 und 30 Grad liegen. Niedrigere Temperaturen bedeuten höhere Verbräuche im Kaltlaufbereich am Anfang des Tests.

Der Ladestand der Batterie wird künftig vor und nach dem Test gemessen. Sollte sich eine Differenz ergeben (weil die Batterie zur Stromerzeugung "angezapft wurde und damit die Lichtmaschine entlastet hat, was wiederum Verbrauchsvorteile bringt), wird diese in Verbrauch umgerechnet und dem Gesamtwert aufgeschlagen.

Ob die Abgase – Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe, Stickoxide und Rußpartikel – beim Verbrauchstest gleich mitgemessen werden, wird in den EU-Gremien noch diskutiert. Bisher ermittelte man Verbrauch und Abgase in zwei unterschiedlichen Tests, was wiederum Spielraum für Optimierungen in die eine oder andere Richtung ließ.

Ab September 2017 gilt der WLTP für alle neu typisierten Fahrzeuge, ab September 2019 müssen ihn auch alle vor September 2017 typisierten Fahrzeuge erfüllen, sonst dürfen sie nicht mehr neu zugelassen werden. Die Summe der Maßnahmen wird bei den allermeisten Autos zu einer spürbaren Erhöhung der Verbrauchsangaben führen.

Ebenfalls im September 2017 wird RDE für neu typisierte Fahrzeuge eingeführt, diese „Real Driving Emissions“ dienen der Überprüfung der Abgaswerte im realen Fahrbetrieb, zunächst wird ausschließlich der Stickoxid-Ausstoß (NOx) von Dieselfahrzeugen gemessen.

Basis dafür ist die Euro-6-Abgasnorm mit einem Grenzwert von 80 Milligramm NOx auf 100 Kilometer. Dieser Grenzwert darf um das 2,1-fache überschritten werden, das Limit sind somit 168 Milligramm pro 100 Kilometer.

Klingt generös, ist es aber nicht, denn die Rahmenbedingungen sind extrem weit gesteckt. Die Temperatur darf zwischen -7 und +35 Grad Celsius liegen, die Strecke ist frei wählbar, Klimaanlage, Sitzheizung und Licht dürfen aufgedreht werden. Als Höchstgeschwindigkeit gelten in Deutschland 145 km/h, ansonsten die jeweiligen Autobahnlimits. Verboten sind lediglich Nachtfahrten und Fahrten an Wochenenden, die Fahrzeuge müssen wie gehabt „im Serienzustand“ sein.

Die Autohersteller dürfen die von den Behörden beauftragten Prüfinstitutionen auch bei RDE frei innerhalb der EU auswählen (spanische Wärme kann etwa finnischer Kälte vorgezogen werden, auch die Autobahnlimits werden den Testort wohl beeinflussen).

Wieder jede Menge Spielraum für Tricksereien? „Nein“, meint Werner Tober. Denn: „Die RDE-Ausstattung ist im Auto mitführbar und ab etwa 100.000 Euro erhältlich. Im Gegensatz zu einem rund fünf Millionen Euro teuren Rollenprüfstand ein Betrag, den Umweltschutzorganisationen, Autofahrerclubs etc. durchaus aufbringen werden, um Tests nachzufahren und den Autoherstellern gegebenenfalls kräftig auf die Finger zu klopfen.“

Damit scheint der Weg für realistischere Verbrauchs- und Abgasmessungen also geebnet. Für Österreichs Autokäufer gibt es allerdings noch ein Spezialproblem: Hierzulande wird die beim Autokauf fällige Normverbrauchsabgabe (NoVA) anhand des Mixverbrauchs bzw. des 1:1 mit dem Verbrauch konform gehenden CO2-Ausstoßes berechnet. Je höher der Verbrauch, desto höher die NoVA.

Finanzminister Hans-Jörg Schelling ist also in der für ihn angenehmen Situation, durch bloßes Nichtstun künftig mit höheren NoVA-Einnahmen rechnen zu können. Wollte er eine zusätzliche Schröpfung der Autofahrer verhindern, müsste er aktiv gegensteuern, etwa durch das Einziehen eines Faktors bei der NoVA-Berechnung, der sie im Vergleich zur Zeit vor WLTP aufkommensneutral macht.

Wir fragten deshalb beim Finanzministerium an und erhielten die kryptische Antwort: „Wir planen keine NoVA-Erhöhung.“ Logisch, eine aktive Erhöhung muss niemand planen, der durch bloße Passivität Mehreinnahmen erwarten darf.

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