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Vier Räder, ein Ziel

Auf den Rallye-Pisten gibt es seit über einem Vierteljahrhundert ohne Allradantrieb keinen Blumentopf mehr zu gewinnen; auf der Rundstrecke sieht das etwas anders aus. Der größte Widersacher der 4WD-Fraktion war die technische Komplexität der Antriebssysteme, und später vor allem die Offiziellen.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Visionäre: Bugatti, Chapman & Co.

Beispiele aus der Frühzeit des Rennsportes: Ettore Bugatti probierte mehrmotorige Designs, bevor er im Jahr 1932 den Typ 53 zeichnete. Mit einem 5-Liter-Motor zeichnete sich der als Handling-Monster verrufene Zweisitzer besonders bei den großen Bergrennen wie La Turbie oder Mont Ventoux aus. Nur drei Stück verließen die Fabrik in Molsheim.

Ein anderer Visionär war später Colin Chapman, der für die 500 Meilen von Indianapolis gleich ins Volle griff und 1968 die konservative amerikanische Konkurenz mit dem „Doorstop“ (Türkeil) schreckte: Der Typ 56 hatte nicht nur Allradantrieb, sondern auch eine Gasturbine von Pratt & Whitney. Mike Spence starb im Qualifying, sein Teamkollege Joe Leonard führte das Rennen locker an, bis knapp vor Schluß das Triebwerk einging. Die souveräne Vorstellung des 56 führte zum Allrad-Verbot in Indianapolis. (Das Wort "Verbot" wird weiter eine gewisse Rolle spielen.)

Chapman nahm seine Idee in die Formel 1 mit. Der Typ 63 des Jahres 1969 wurde von den Lotus-Starfahrern Graham Hill und Jochen Rindt als „Todesfalle“ rundweg abgelehnt; Rindt schaffte einen zweiten Platz bei einem Rennen außerhalb der WM in Oulton Park als bestes Resultat.

Chapman probierte dann den Indy-Wagen als 56B mit Cosworth-V8 in der Formel 1, aber der war zu kompliziert und zu schwer. Mit dem Schritt zum legendären Typ 72 legte Lotus das Allrad-Kapitel endgültig ad acta.

In Amerika wurde weiter experimentiert: Für die technisch innovative CanAm-Serie entstand 1970 der „MAC’s IT Special“, mit je einem Rotax-Zweitakt-Motor pro Rad. Was auf Anhieb wie eine schlechte Idee klingt, stellte sich in der Praxis folgerichtig als solche heraus. Nach ein paar unbeholfenen Runden verschwand das Auto im Nebel der Geschichte.

Allrad-Boom in den Eighties

Wirklich los ging die Sache in den 1980ern, als Nebenprodukt der Rallye-Erfolge. Audi stellte die Rallye-Welt mit dem Quattro auf den Kopf, die Gruppe B brachte einige der aufregendsten Autos aller Zeiten hervor. Porsche plante den Einstieg mit dem 959, nicht nur auf Rallye-Pfaden.

Es sollte auch eine Gruppe-B-Weltmeisterschaft auf der Rundstrecke geben, dafür entstand das Parallelmodell 961. Nach dem abrupten Ende der Gruppe B Ende 1986 war der 961 ein Stiefkind, tauchte aber immerhin trotzdem zweimal in Le Mans auf und gewann dort mangels Konkurrenz einsam seine Klasse.

In der Rallye-WM tat sich Allrad-Pionier Audi zunehmend schwerer, auch in der vermeintlich seriennahen Gruppe A wurden die Ingolstädter bald deklassiert. Die interne Devise war damals weiterhin „Rennsport nur mit quattro“, dafür bot wieder Amerika die geeignete Bühne. Der 200 turbo quattro in der TransAm-Serie war ein reinrassiges Silhouettenauto mit Rohrrahmen und Fünfzylinder-Turbomotor. Die Fahrer waren US-Star Hurley Haywood, Hans Stuck und – in einem seiner seltenen Ausflüge auf die Rundstrecke - Walter Röhrl.

1988 schlug man die US-Boys vernichtend, daraufhin wurde der Allradantrieb - eh klar - verboten. Nach dem Wechsel in die GTO-Kategorie der International Motor Sport Association (IMSA) mit dem noch extremeren 90 quattro wiederholte sich das Spiel, auch dort hagelte es das obligate Verbot.

Godzilla und andere rare Tiere

Zurück in die alte Welt: 1990 stieg Audi in die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft (DTM) ein. Dort waren wiederum Turbomotoren verboten, deshalb wurde der große V8, das Full-Size-Flaggschiff der Marke, im zweiten Bildungsweg zum Rennwagen. Nach dem Titel 1990 und ständigen Regelquerelen stieg Audi aus der DTM aus.

Ironie des Schicksals: nach dem Audi-Abgang wurde die DTM zur Allrad-Spielwiese par excellence. Mit den neuen Klasse-1-Regeln Anfang der 1990er hatten Alfa Romeo und Opel vierradgetriebene Autos am Start, nur Mercedes blieb beim Heckantrieb. Die teure Technik ließ die Kosten davongaloppieren, Ende 1996 zogen die Hersteller den Stecker. Beim Neustart der DTM als „Masters“ im Jahr 2000 war Allradantrieb kein Thema mehr.

Bei den seriennahen Tourenwagen war Ford der wichtigste Allrad-Proponent. Als Homologationsmodelle für die Gruppe A entstanden, waren die 4WD-Modelle des Sierra und später Escort auch erfolgreiche Rennwagen in den (mehr oder weniger) „seriennahen“ Klassen. Mit einem Escort RS Cosworth holte sich beispielsweise Claudia Hürtgen 1995 den Titel in der kurzlebigen Österreichischen Tourenwagenmeisterschaft.

In Japan entstanden zu dieser Zeit einige der komplexesten Tourenwagen überhaupt: Bei Nissan lief ab 1989 der Skyline GT-R vom Band. In Europa nur ein seltener Gast, war der Skyline mit 2,6l-Sechszylinder-Doppelturbo und permanentem 4WD der König der Rennstrecken in Japan und Australien. Die Medien „down under“ verpassten dem Auto, das die V8-Supercars jahrelang nach Belieben ablederte, auch seinen bleibenden Nom de Guerre: Godzilla.

Die Baureihen R32, R33 und R34 waren ständige Weiterentwicklung von Technik und Styling des „Über-Tourenwagens“, der seiner Konkurrenz eine halbe Nummer zu groß war. Mit der Renaissance der GT-Szene Mitte der 1990er legte sich der Skyline dann auch mit Ferrari, Porsche & Co. an.

Die japanische GT-Meisterschaft ist über Asien hinaus vor allem durch etliche Videospiele bestens bekannt, der Skyline war Nissans Waffe gegen Honda NSX und Toyota Supra – dort allerdings ab 1997 nur mehr mit Heckantrieb. Ein unerwartetes Comeback in Europa gab der Skyline ausgerechnet in Deutschland: das japanische Falken-Team war ein ständiger Gast beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In der deutschen Langstreckenmeisterschaft auf der ehrwürdigen Nordschleife dürfen die verschiedenen Antriebskonzepte noch beinahe ungehindert gegeneinander antreten.

Einer der absoluten Lieblinge der Fans, schaffte der feuerspeiende „Godzilla“ trotzdem nie den Sieg beim deutschen 24-Stunden-Klassiker; 2005 ging der japanische Renn-Saurier in Pension.

Renaissance durch die Hintertür?

Dafür legt sich in letzter Zeit Subaru auch auf Asphalt merklich mehr ins Zeug. Das japanische GT-Programm des Tuners Cusco lief über einige Jahre hinweg eher auf Sparflamme und mit Duldung des Werkes anstatt offener Unterstützung - vielleicht missfiel den Allrad-Pionieren bei Subaru der Heckantrieb der diversen GT300-Imprezas seit 1997.

Heuer gibt es die verspätete Allrad-Premiere für den Impreza in der „SuperGT Series“, wie die japanische Meisterschaft seit 2004 heißt. Für die europäischen Fans eher ein Kuriosum, ist die Serie in Asien ähnlich beliebt wie die DTM in Deutschland oder NASCAR in Amerika – also eine Marketing-Bühne von riesiger Bedeutung.

Daneben ist Subaru auch in die Entwicklung seriennaher Rennwagen involviert. In England läuft ein Programm, das auf Basis der Gruppe-N-Technik das erreichen soll, was Nissan und Honda verwehrt geblieben ist: den ersten japanischen Sieg bei den 24 Stunden am Nürburgring. Als letzter Klassiker ist der Marathon durch die Eifel bislang noch von keinem japanischen Hersteller "geknackt" worden.

Der Allradantrieb lebt also auch auf der Rennstrecke – wenn man ihn lässt.

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