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Die Familienrakete

Sie protestieren schnell einmal, die „Fans“, die im Internet den Untergang einer Marke vorhersehen wollen, sobald dieser es wagt etwas am vermeintlichen Markenkern zu ändern. Beispielsweise als es Porsche „gewagt“ hat von Luft- auf Wasserkühlung umzusteigen. Oder natürlich, als BMW den 2er Active Tourer vorstellte. Family-Van?! Front-Antrieb?! Die Fangemeinde war erzürnt. Der Markt aber verzückt. Der 2er wurde zum Top-Seller, ein Nachfolger war dementsprechend schnell beschlossen. Und der beweist, allen voran als PHEV, dass „Freude am Fahren“ hier nach wie vor ganz oben auf BMWs To-Do-Liste stand. Nur eben kombiniert mit immensem Alltagsnutzen.

Johannes Posch

Woher der Spaß so kommt, wird beim Blick auf die technischen Daten leicht erahnbar. 326 PS Systemleistung, und 5,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 in einem Van? Schon allein die gewisse Absurdität dieser Kombination lockt die Mundwinkel Richtung Ohrläppchen. Hinzu kommen gewohnte BMW-Stärken: so sorgt etwa das knochentrockene Fahrwerk in Kombination mit der verhältnismäßig strengen und direkten Lenkung für ein zackiges Einlenkverhalten. Die Bremsen wiederum wirken ebenso standfest, obgleich der Tritt aufs linke Pedal hier freilich nicht nur den Zangenschluss um die großen Stahlscheiben hinter den Felgen bewirkt, sondern ein Zusammenspiel mit der Rekuperation des E-Motors an der Hinterachse orchestriert werden will; was bestens funktioniert. Vor allem, da man eigentlich selten aufs Bremspedal latschen muss, sobald man die intelligente Rekuperation aktiviert. Die regelt die E-Motor-Verzögerung nämlich sodann intelligent auf Basis des vor einem fahrenden Verkehrs und der Routenführung. Anfangs ungewohnt, dank der mit maximal 0,15 g aber recht starken Verzögerungswirkung der Rekuperation nach einiger Zeit effektiv und angenehm gleichermaßen.

Mit Bestzeit in die Schule
Auch in Sachen Beschleunigung gibt’s sodann nichts zu meckern. Durch den E-Motor an der Hinterachse entfällt im reinen und tatsächlich oft realisierten E-Betrieb jedwedes Geschalte, obgleich die verbaute Siebengang-Doppelkupplung die Kraft des top gedämmten Turbo-Benziners gut zu verwalten weiß. Doch egal ob nun beide aus vollem Saft zusammenarbeiten, nur der E-Motor sein Ding macht oder der Verbrenner wegen leerer Akkus einen Großteil der Arbeit übernimmt: „langsam“ ist der 230e nie. Im Gegenteil. Der Antrieb sorgt in jeder Lebenslage für mehr als adäquaten Vortrieb. Und ja: sparsam ist die Chose außerdem. Auf mit maximal 7,4 kW Leistung geladenen 100 Prozent SoC sorgt der 16,3 kWh-Akku für WLTP-theoretische 92 km E-Reichweite; in der Praxis jedenfalls für genug für alle Alltagswege. Und selbst wenn man mit leeren Akkus durch die Gegend fährt – so wie wir zu Testzwecken auf unserer Verbrauchsrunde – können sich 5,3 Liter Super auf 100 km durchaus sehen lassen. Witziger Gag zudem: Das linke, „Gang runter-Schaltpaddel“ hinterm Volant kann durch längeres Ziehen eine „Boost“-Funktion aktivieren, bei der dann für kurze Zeit und rasch die volle Leistung des Antriebs abgerufen werden kann. So bekommen die Radfahrer-Überholmanöver am Schulweg einen Hauch von DTM-Rennen. Auch nicht schlecht.

Auch das Cockpit bringt, zumindest, sofern man das M-Paket ordert und auch sonst nicht allzu sparsam ist, alles mit, was man BMW als sportliche Marke so an Stärken attestiert: erstklassiges Gestühl, griffiges Lenkrad, gute Ergonomie und natürlich eine gewisse Fahrer-Orientierung, die sich hier mangels allzu vieler, haptischer Bedienelemente vor allem in der leichten Links-Neigung des 10,15-Zoll großen und hochauflösenden Infotainment-Screens äußert. Dieser wiederum gewährt via Touch-Bedienung Einlass zum aktuellen BMW-Betriebssystem, das zwar reich an Funktionalitäten ist und mit praktischen Details wie automatischen Parkgebühr-Zahlungen und einem erstklassigen Sprach-Assistenten zu überzeugen weiß, dafür aber durch seine vielen, kleinen App-Icons arg verschachtelt wirkt und nur im Stillstand solide bedienbar ist … wobei man während der Fahrt ja ohnehin auf die Straße schauen sollte. Immerhin aber hält BMW an den physikalischen Tasten am Lenkrad fest, mit denen mit neben dem Tempoaten z. B. auch die Lautstärke des Radios regeln kann.

Außen kompakt, innen groß
Einer der Vorteile der Van-Bauform ist seit jeher, dass man in Relation zu den Außenmaßen viel Platz im Innenraum hat. Das ist vor allem dann relevant, wenn man von einem PHEV spricht, bei dem auch heute noch die Akkus zwangsweise einiges an Stauraum wegknabbern. So auch beim aktuellen 2er BMW, wenn auch in überschaubarem Ausmaß. Ja, die Basisversionen haben mit 470 bis 1455 Liter deutlich mehr maximal verfügbaren Stauraum als der 230e mit seinen 406 bis 1.370 Litern, schaut man sich allerdings einen konventionell betriebenen Allradler an, schrumpft dieser Unterschied mit dessen 415 bis 1.405 Litern doch deutlich zusammen. Viel wichtiger: Die Ladefläche ist auch hier schön eben, auch wenn man die 2:1:2 geteilt umlegbare Fondlehne umklappt, die Ladestufe ist angenehm klein und es gibt ein Unterflurfach, das locker ein bis zwei Ladekabel und sonstiges Zeug beherbergen kann. Zudem sind die besagten Rückenlehnen in ihrer Neigung verstellbar, es gibt nicht nur auf der Rückbank zwei Isofix-Positionen, sondern auch eine am Beifahrersitz und es warten in beiden Reihen üppig dimensionierte Ablagen. Und natürlich ist auf der Rückbank auch für die Erfüllung aller aktuellen Grund-Bedürfnisse gesorgt. Es gibt also sowohl einen WLAN-Hotspot im Auto, wie auch zwei USB-C-Buchsen zum Laden von Geräten und Luftauslässe, um einen kühlen Kopf bewahren zu können.

Auch sonst ist der 2er Active Tourer übrigens – und das beweist unser Testwagen ganz ausgezeichnet – in Sachen Annehmlichkeiten gegen Aufpreis ein echter BMW. Will heißen: Es gibt nix, das es hier nicht gibt … das man in dieser Klasse erwarten darf. Feinst verarbeitetes Vollleder etwa, ein HUD, ein riesiges Panoramaschiebedach oder ein mächtig anschiebendes Soundsystem von Harman Kardon etwa. So wird aus dem Preislisten-Basispreis von 47.650,– dann auch ruck-zuck der durchaus selbstbewusste Tarif von 65.848,- Euro, für den unser Testwagen über den Tresen ginge … der dann wiederum das HUD mit Plexiglas-Scheiberl statt Windschutzscheibenprojektion und so manches Plastik im Interieur doch etwas negativ auffallen lässt.

FAZIT
Lasst die Puristen doch schreien. Der Erfolg des ersten 2er Tourers war berechtigt und der neue ist ein mehr als würdiger Nachfolger. Innen und außen modern gezeichnet bringt er auf kleiner Fläche gewohnt viel Platz und als Top-PHEV mehr als genug – eigentlich schon fast zu viel Leistung mit. Dazu fährt sich der Gute noch ganz „wie ein BMW“ und gönnt sich, vielleicht abseits des verschachtelten Infotainmentsystems, keine echten Schnitzer. Eltern, die gerne mal am Heimweg von der Schule etwas Spaß haben (oder auch schon am Weg hin – je nachdem, wie der Nachwuchs diesbezüglich so drauf ist, versteht sich), können wir den neuen 2er Active Tourer also ebenso ans Herz legen wie allen, die schlichtweg viel Platz auf kleinem Raum zu schätzen wissen. Entsprechende Optionen werden am Markt zunehmend rar. Witzig irgendwie, dass ausgerechnet BMW diese Nische nun nach wie vor bedient.

Technische Daten:
BMW 2er Active Tourer 230e xDrive
Hubraum | Zylinder
1.499 cm3 | 3
Systemleistung 326 PS (150 + bis zu 130 kW)
Drehmoment 477 Nm
0-100 km/h | Vmax 5,5 s | 205 km/h
Getriebe | Antrieb 7-Gang aut. | Allrad
Ø-Verbrauch | CO2 0,6 l S | 14 g/km (EU6d)
Kofferraum | Zuladung 406 – 1.370 l | 575 kg
Garantie Fahrzeug | Batterie 2 Jahre | 8 Jahre/160.000 km
Basispreis | NoVA 47.650 (inkl.) | 0

Das gefällt uns: der Antrieb, das Fahrverhalten, der Platz
Das vermissen wir: Frontscheibenprojektion fürs HUD
Die Alternativen: Mercedes B 250 e

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