Triumph Street Twin - Retro-Bike im Test | 11.05.2016
Retro-Tante
Retro-Look, moderne Technik: Die Triumph Street Twin bietet alles, was man von einem Motorrad erwartet, etwa üppig Fahrspaß trotz wenig Leistung.
mid/mst
Wasser- anstatt der traditionellen Luftkühlung und deutlich weniger PS als bei der Vorgängerin T100: Triumph hat mit der neuen Street Twin ein Experiment gewagt, das Marken-Enthusiasten die Stirn runzeln lässt.
Dass Triumph seine Bonneville-Familie - das sind die bei den Fans der britischen Marke so beliebten Retro-Bikes - für das Modelljahr 2016 kräftig überarbeiten würde, war eine Nachricht, die bei vielen Lust auf mehr weckte - vor allem auf mehr PS.
Dass das Einstiegsmodell Street Twin aber anno 2016 mit deutlich weniger Leistung vorfährt, ist ein echter Paukenschlag. Das muss man sich erst einmal trauen.
Dabei ist das Herzstück der kleinen Bonneville, der Zweizylindermotor mit parallel angeordneten Kolben, um 35 auf 900 Kubikzentimeter vergrößert worden. Trotzdem stehen im Datenblatt nur 41 kW/55 PS. Beim Vorgängermodell sind es 68 Pferdchen, die für Vortrieb sorgen.
Doch was an Leistung fehlt, macht das neue Aggregat mit einer besseren Drehmomententfaltung weg. Maximal stehen 80 Newtonmeter bei 3.230/min zur Verfügung. Dazu kommt ein sattes Brummeln aus den beiden Edelstahl-Auspuffrohren, das nach dem Drehen des Zündschlüssels schon vor dem Losfahren für Vorfreude sorgt.
Auf der Straße sind die fehlenden PS überhaupt nicht spürbar. Im Gegenteil: Die Street Twin täuscht durch das früh anliegende maximale Drehmoment mehr PS vor als sie hat. So macht das Retro-Bike ab dem ersten Meter Spaß. Die Maschine mit 198 Kilo Trockengewicht wirkt zudem leichter als sie ist. Mit 172 km/h Spitze ist die Street Twin zwar keine Rennsemmel, aber das verlangen ihre Käufer auch nicht. Die möchten gemütlich bis zügig cruisen, ohne zu rasen. Und dafür ist die Maschine nahezu optimal.
Kurvige Landstraßen sind ihr Revier, dort kann sie ihre Agilität voll ausspielen. Dank der flachen Sitzbank und der niedrigen, aber dennoch sehr aufrechten Sitzposition auf 75 Zentimeter Höhe fühlen sich auch kleinere Fahrer sofort wohl auf dem Bike.
Und wegen des Drehmoments hängt sie am Ortsausgang so manche stärkere Maschine problemlos ab. Durchschnittlich 4,3 Liter Verbrauch bei den Testfahrten gehen zudem völlig in Ordnung. Die Werksangabe liegt bei 3,7 Liter je 100 Kilometer. Bei einem Tankvolumen von 12 Liter sind auch längere Touren gut machbar, ohne ständig eine Tankstelle anzusteuern.
Zu den wirklich überraschenden Leistungsdaten kommt ein schnörkelloses Design. Die Maschine ist wie aus einem Guss und könnte - von LED-Blinkern und -Rücklicht einmal abgesehen - auch aus den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen.
Das Testbike mit einem Tank in Cranberry Red (150 Euro Aufpreis) und roten Zierstreifen auf den schwarzen Leichtmetall-Gussrädern ist optisch ein echter Retro-Leckerbissen.
Dabei ist die Triumph Street Twin technisch auf dem neuesten Stand: ABS mit 310er-Bremsscheibe vorn und 255er hinten, hintere Stereofederbeine mit einstellbarer Federbasis, flüssigkeitsgekühlter Motor mit elektronischer, sequentieller Kraftstoffeinspritzung, die sogenannte "Ride-by-Wire"-Technologie oder auch die Traktionskontrolle - die schnörkellose Britin bietet alles, was man von einem modernen Motorrad erwartet.
Dazu kommt noch etwas, was selbst moderne Technik und ein gutes Aussehen alleine nicht wettmachen können: ein besonderer Spirit, den vor allem das Traditionsbewusstsein der britischen Kult-Marke und ihrer Fans befeuert.
Mindestens 9.500 Euro (Deutschland: 8.900 Euro) kostet der Einstieg in die Bonneville-Welt. Dafür stellt Triumph ein Retro-Bike vor die Tür, das diese Bezeichnung verdient. Beim Blick auf die Technik wird schnell klar, dass es ein Mitglied einer "Modern Family" ist.
Technische Daten Triumph Street Twin
Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem Paralleltwin, acht Ventile; Hubraum: 900 ccm, Bohrung x Hub: 84,66 mm x 80 mm, max. Leistung: 40,5 kW/55 PS bei 5.900/min, max. Drehmoment 80 Nm bei 3.230/min, elektronische sequentielle Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, 5-Gang-Getriebe; Fahrwerk: Stahl-Zentralrohrrahmen mit zwei Unterzügen, Stahl-Zweiarmschwinge, Telegabel mit 120 mm Federweg, Stereofederbeine mit 120 mm Federweg hinten, Scheibenbremse vorn und hinten, ABS, Antriebsschlupfkontrolle (abschaltbar), Reifen vorne: 100/90-18, hinten: 150/70-17; Maße: Radstand: 1.439 mm, Sitzhöhe: 750 mm, Gewicht fahrfertig: 217 kg, Tankinhalt: 12 l.Österreich-Preis: 9.500 Euro (Deutschland: 8.900 Euro).