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Norbert Haug im DTM-Interview Norbert Haug sieht die DTM mit der Testbeschränkung auf dem richtigen Weg
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Norbert Haug warnt im DTM-Interview: "Wäre Anschlag auf die eigene Sache!"

Wie Norbert Haug die neue Testbeschränkung in der DTM einschätzt, wieso man jetzt Valentino Rossi holen sollte und was ihm Hoffnung für die Zukunft gibt

Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, der die DTM schon mehrmals gerettet hat, forderte Ende 2023 ein Testverbot für die Traditionsserie, sonst sei deren Zukunft wegen der zu hohen Kosten in Gefahr. Zudem schlug er kürzere Rennen vor. Motorspot-Total.com hat den 71-Jährigen, der nach wie vor eng mit der DTM verbunden ist und bei Serienpartner Schaeffler als Berater fungiert, vor dem Saisonauftakt 2024 um seine Einschätzung der ADAC-Reaktion gebeten.

Im ausführlichen Interview erklärt Haug, warum er demnächst mit einem kompletten Testverbot rechnet, wieso sich nun eine Gelegenheit bieten würde, Valentino Rossi zu holen, und wie es in Anbetracht der sinkenden Teilnehmerzahlen für die Saison 2024 um die Zukunft der DTM steht.

Frage: "Herr Haug, Sie haben die ausufernden Testfahrten in der DTM stark kritisiert, da sie ein Drittel des Budgets der Teams verschlingen. Der ADAC hat nun eine Testbeschränkung eingeführt. Sind Sie mit der Lösung zufrieden?"
Norbert Haug: "Ein guter erster Schritt. Bereits zur Saisonmitte wird sich der veranstaltende ADAC mit den Teams voraussichtlich auf ein absolutes Testverbot ab spätestens 2025 einigen. Und wer gegen dieses opponiert, hat den Knall nicht gehört."

"Wer in der DTM startet, repräsentiert die Elite des GT- und Tourenwagensports. Und diese weiß, dass man sich sein eigenes Grab schaufelt, verschwendet man bei Testfahrten Treibstoff, Arbeitskraft, An- und Abfahrtswege, Zeit, viel, viel Geld und somit unnötige Ressourcen. Selbst wer die ganz große Kohle hat und sich auch umfangreichste Testerei leisten könnte, verübt einen Anschlag auf die eigene Sache, wenn künftig nicht freiwillige Selbstbeschränkung praktiziert wird."

Frage: "Ein Team wie Schubert mit drei Autos könnte theoretisch 15 Testtage absolvieren, wenn man immer nur mit einem Auto testen geht. Reduziert das die Kosten wirklich?"
Haug: "Ein Team wie Schubert wird das nicht tun - aus den oben genannten Gründen. Wie man Geld sinnvoll einsetzt und dabei unnötige Ausgaben spart, muss dem erfolgreichen Geschäftsmann Torsten Schubert ganz sicher keiner erklären. Und wie man sorgsam und verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht, gleich zweimal nicht."

Frage: "Zudem heißt es im Reglement, die Teams 'sollen' nicht mehr als drei neue Reifensätze pro limitiertem DTM-Test verwenden. Hätte man diesen Satz nicht besser gleich gestrichen?"
Haug: "Der kommt - wie ich hörte - vom DMSB. Ich interpretiere diese Limitierung so: Lass' dich pro Testtag und Fahrzeug nicht mit mehr als drei Reifensätzen erwischen. Und drei pro Auto sind weniger als ein Drittel dessen, was im letzten Jahr verheizt wurde."

Frage: "Nach 28 Autos im Vorjahr sind dieses Jahr 20 Autos in der DTM eingeschrieben. Ein Alarmsignal? Was muss passieren?"
Haug: "Ich hätte nichts gegen 24 Starter pro Rennen und würde dem ADAC dann noch raten, zwei bis maximal vier 'Wildcards', wie in anderen Sportarten auch, auszugeben. Für Fahrer wie Valentino Rossi beispielsweise. Wir hatten DTM-Zeiten mit weniger als 20 Autos, und wenn durch das Testverbot pro Team ein Drittel der letztjährigen Budgets eingespart werden wird, kommen auch wieder mehr kompetente Starter in die DTM."

Frage: "Was Rennformat etc. angeht, bleibt das Reglement stabil. Vorschläge, das Qualifying zu Mittag vor dem Rennen durchzuführen oder die Rennlänge zu verkürzen, wurden nicht berücksichtigt. Was halten Sie für den richtigen Weg, um die DTM attraktiver zu machen?"
Haug: "... wait and see. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden, und die DTM-Verantwortlichen beim ADAC rund um Thomas Voss, Michael Rebhan, Kay-Oliver Langendorff und Sportpräsident Dr. Gerd Ennser sind auf der Höhe der Zeit und werden deshalb auch sukzessive und fortgesetzt zeitgemäße Weichen für diese einmalige Rennserie stellen."

"Sie sind vor allem kompetente Zuhörer und keine voreingenommenen Besserwisser. Gerade deshalb hat die DTM auch in ihrem 40. Jahr die besten Voraussetzungen, ihre Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Die DTM ist nicht irgendeine Rennserie, sondern weltweit die GT- und Tourenwagenserie Nummer 1. Und diese Auszeichnung gilt es zu erhalten - mit Qualität und umgesetztem Vordenkertum."

Frage: "Ralf Schumacher hat Kritik geübt, dass der Porsche 2023 zu stark eingestuft war. Wie sehen Sie das?"
Haug: "Schwach auf der Brust war er jedenfalls nicht, was nichts von Thomas Preinings Leistung nehmen soll."

Frage: "Sie haben sich auch als Mercedes-Motorsportchef immer für die DTM stark gemacht. Wie beurteilen Sie die Engagements der Hersteller in der aktuellen DTM?"
Haug: "Der Weg der DTM zur reinen Teammeisterschaft ist der absolut richtige. Aber ohne Hersteller, deren Fahrzeuge und ihrer finanziell überschaubaren Unterstützung wird es keine DTM geben. Das wissen Hersteller wie Teambesitzer. Es ist nur wenig länger als ein halbes Jahrzehnt her, da haben drei deutsche Premiumhersteller mehr als die zehnfache Summe ihrer letztjährigen Budgets mit teuren Class-1-Fahrzeugen ausgegeben."

Frage: "Halten Sie die GT3-Autos für das richtige Fahrzeug für die DTM?"
Haug: "Absolut ja. Ein Segen, dass es diese Fahrzeugkategorie gibt und mehr als ein Dutzend Hersteller, die solche Production-Racer in Kleinserien zum Kauf anbieten."

Frage: "Sind Sie der Meinung, dass die DTM beim ADAC in den richtigen Händen ist? Was macht er gut, was könnte man besser machen?"
Haug: "Kennen Sie etwas, was man nicht besser machen könnte? Mir ist es jedenfalls nie gelungen, alles so zu machen, dass man es nicht hätte besser oder noch besser machen können. Wenn der ADAC nicht DTM kann, wer denn dann? Großartig von diesem riesigen Verein mit weit über 20 Millionen Mitgliedern, dass er sich der DTM annimmt und ihr eine sichere Basis verschafft."

"Wir haben ja in der Formel 1 leidvoll erfahren, wie schnell man als Formel-1-Nation Nummer 1 mit zwölf gewonnen Fahrer-Weltmeistertiteln zwischen 1994 und 2016 im Formel-1-Niemandsland untertauchen kann: Statt zwei Formel-1-Rennen pro Jahr keines mehr, statt sieben deutschen Fahrern, unter ihnen gleich mehrere mit Siegchancen wie noch 2010, nur noch einer ohne Siegchance und ein Ersatzfahrer."

Frage: "Wäre es für Sie vorstellbar, in Zukunft aus Kostengründen eine DTM mit Fahrerwechseln wie im ADAC GT Masters durchzuführen, oder würde man damit gegen die DNA der DTM, in der immer ein Fahrer pro Auto eingesetzt wurde, verstoßen?"
Haug: "Fahrerwechsel soll es bitte gerne in allen übrigen GT-Serien geben, nicht aber in der DTM. Es wird dort der beste Fahrer und nicht die beste Fahrerpaarung gesucht."

Frage: "Wie sehen Sie diese Frage bezüglich der Performance-Boxenstopps? Könnte man auf sie theoretisch verzichten?"
Haug: "Aus meiner Sicht auf keinen Fall. Ginge es nach mir, würden wieder wie früher ein Dutzend Teammitglieder den Performance-Boxenstopp ausführen. Das ist weniger anstrengend als heute praktiziert und so viele sind pro Team eh vor Ort."

"Boxenstopp-Training tagein, tagaus hält alle Teammitglieder fit und geschmeidig. Und gibt es ein besseres Gefühl als an einem Sieg im wahrsten Sinne des Wortes mit Hand und Fuß mitgewirkt zu haben?"

Motorsport-Total.com

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