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Formel-1-Launches 2015 Mercedes F1 W06 Hybrid

Technische Analyse: Mercedes W06

Viele Details des Mercedes-Boliden erinnern an jenen des Vorjahres, doch warum sollte man ein dominierendes Auto auch groß überarbeiten?

Auch am Ende einer dominanten Formel-1-Saison 2014 hatte der Mercedes W05 im Renntrimm noch einen gewaltigen Vorsprung auf die Konkurrenz. Daher ist es keine Überraschung, dass es sich beim am Sonntag in Jerez offiziell präsentierten W06 in vielen Bereichen lediglich um eine Weiterentwicklung des Vorgängers handelt. Abgesehen von der vorgeschriebenen neuen Fahrzeugnase sind die Veränderungen so geringfügig, dass das Auto kaum von seinem Vorgänger zu unterscheiden ist, doch sowohl das Chassis als auch der Antriebsstrang wurden modifiziert.

Einige Details des Chassis und der Aerodynamik waren beim W05 im vergangenen Jahr einzigartig: Die U-Form der Nase, die clever verbundenen unteren Querlenker an der Vorderachse, die schmalen Seitenkästen und das große, "Monkey Seat" genannte Winglet am Heck. Auch der Antriebsstrang mit seinem aufgeteilten Turbolader, dem kompakten Auspuff und dem Kassettengetriebe war einzigartig.

Gegen Mitte der Saison war das Auto nicht nur wegen des Antriebsstrangs überlegen, sondern auch bei der puren Chassisperformance, selbst nachdem die FRIC-Fahrwerke verbannt wurden. Nur in Sachen Zuverlässigkeit gab's einige Probleme: Brems-, Getriebe- und ERS-Defekte kosteten dem Team so manchen WM-Punkte.

Aufgrund dieses klaren Vorsprungs musste Mercedes beim 2015er-Auto das Rad nicht neu erfinden, sondern konnte sich auf die Details konzentrieren. Einige Bereiche des W06 sind nicht mehr als eine überarbeitete Version des alten Designs. "Jede Entwicklung birgt Risiken in sich", erklärt Technikchef Paddy Lowe hierzu. "Wenn man Fortschritte machen will, geht man das Risiko ein, dass es nicht funktioniert. Da wir ein gutes Auto hatten, waren wir da sehr vorsichtig. Wir wollten bei der Entwicklung das Kind nicht mit dem Bade ausschütten."

 Mercedes F1 W06 Hybrid, Frontflügel

Die Regeländerungen betreffend der Nase und der Chassisfront hatten zur Folge, dass die Nasenspitze und die Form des Chassis des 2014er-Autos nicht mehr den Regeln entsprachen. Obwohl die neue Nase sehr schmal und kurz ist, verfügt sie im Gegensatz zu der von Williams nicht über einen Stummel an der Spitze. Nur eine kleine Wölbung verrät, dass die neue Nase den überarbeiteten Regeln entspricht.

Bei der alten Mercedes-Nase waren die Aufhängungen des Frontflügels Teil der vom Reglement vorgeschriebenen Querschnittfläche. Nachdem dies nicht mehr erforderlich ist, sind die Befestigungen nun wieder deutlich schlanker gestaltet. Auf der Nasenspitze sind die Halterungen für die TV-Kameras wie schon im Vorjahr hoch, nahezu rechtwinklig angebracht, damit ihre Luftverwirbelungen den Rest des Autos so wenig wie möglich beeinflussen. Unterhalb der Nase entspricht der Frontflügel jenem, der am Ende der Saison 2014 verwendet wurde.

Das Fahrwerk wurde nun voll für den Einsatz ohne FRIC optimiert, bei der Vorderradaufhängung besteht der untere Querlenker weiterhin aus zwei Teilen, die in einem Profil verlaufen. Diese Verbundform wurde 2015 weiter auf die Spitze getrieben. Die engen, gespreizten Streben des Querlenkers bilden nahe ihrer Anlenkpunkte am Chassis ein einzelnes Profil.

 Mercedes F1 W06 Hybrid, Querlenker

Mercedes nutzt diese Form der Querlenker, um die Luftströmung des Frontflügels so zu kontrollieren, dass sie den Rest des Autos nicht beeinträchtigt. Ähnliches beabsichtigt Ferrari mit den Zugstreben der Vorderradaufhängung. Am anderen Ende der Vorderradaufhängung wurde die Innenseite der Räder mit einer neuen Bremsbelüftung verkleidet, deren Innenfläche keinerlei Einlässe aufweist.

Dieses Konzept ist zwar nicht einzigartig, da auch anderen Teams die Kühlluft für die Bremsen aus kleinen Einlässen zwischen dem Reifen und der Bremsbelüftung abzweigen, dennoch beschreitet Mercedes hier einen neuen Weg, der die Umströmung des Autos deutlich verbessern soll. Im Gegensatz zu einigen Rivalen nutzt Mercedes die Vorderachse nicht in Form einer Hohlachse als aerodynamisches Hilfsmittel; vielmehr ist die Spitze der Achse abgerundet, was die Aufnahme der Radmuttern bei den Boxenstopps erleichtern soll.

Eine weitere, wesentliche strukturelle Veränderung ist der neue Überrollbügel. Im vergangenen Jahr war er an der Unterseite stark eingeschnitten, sodass die Streben unterhalb des Lufteinlasses die Struktur des Überrollbügels unterstützen mussten. Jetzt ist dieser Bereich weniger stark eingeschnitten und gleichmäßiger gestaltet. Innerhalb dieser Struktur ist der Lufteinlass zweigeteilt, während die seitlichen Einlässe des W05 verschwunden sind. Die untere Hälfte des Lufteinlasses versorgt die Airbox des Motors, die obere Hälfte führt nach hinten zum Ölkühler.

 Mercedes F1 W06 Hybrid, Lufthutze

Die Optimierung der Kühlung war ein Schlüsselbereich bei der Entwicklung. Die Tatsache, dass sowohl die Lufteinlässe am Überrollbügel als auch die Seitenkästen verkleinert wurden zeigt, wie viel Arbeit in die Antriebseinheit, die Schmierstoffe und die Kühler selbst investiert wurde.

Im vergangenen Jahr wurde die Luft des Turboladers mit einem Luft-Wasser-Wärmetauscher gekühlt, der hinter dem Benzintank lag, während sich der dazugehörige Wasserkühler im Seitenkasten befand. Dadurch konnten die Seitenkästen bereits deutlich kleiner als bei einem herkömmlichen Luftkühler gestaltet werden. Das scheint eine der Gemeinschaftsentwicklungen zwischen dem Chassisteam in Brackley und der Motorenschmiede in Brixworth zu sein.

Neu sind an den schlankeren Seitenkästen auch die Windabweiser an der Vorderkante. Diese wurden im Vergleich zu 2014 überarbeitet. Oberhalb des horizontalen Abweiser gibt es nun auch einen vertikalen Abweiser, der einen eigenen Luftwirbel erzeugt. Unter der Motorhaube wurde das Mercedes-Aggregat verbessert. Dabei handle es sich laut Andy Cowell um eine Evolution, obwohl er gleichzeitig anmerkte, es handle sich im einen völlig neuen Motor.

 Mercedes F1 W06 Hybrid, Aggregat

Innerhalb dessen, was eigentlich als restriktives Regelwerk gedacht ist, sind weitreichende Veränderungen an Struktur und Design möglich. Das Team der Antriebseinheit aus Brixworth legte den Schwerpunkt auf Kühlung und Leistung, musste sich aber auch dem ERS widmen, das im vergangenen Jahr nicht immer zuverlässig war.

Die Aerodynamik am Heck entspricht mehr oder weniger dem Stand Ende 2014. Der Diffusor, der Heckflügel und das Winglet weisen das bekannte Design auf. Neben dem Frontflügel ist dies wahrscheinlich der Bereich, der vor dem Grand Prix von Australien die meisten Upgrades erfahren wird.

 Mercedes F1 W06 Hybrid, Heckflügel

Im vergangenen Jahr hatten die Updates von Mercedes wie erwartet funktioniert, daher wird die Zielsetzung bei den Tests zunächst darin bestehen, die Zuverlässigkeit des Antriebsstrangs zu verbessern, während die entscheidenden Weiterentwicklungen erst später folgen.

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