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Ist Alpines Erfolgsplan ein Hirngespinst? Alpine will in der Formel 1 endlich Erfolg sehen, arbeitet aber faktisch dagegen
Motorsport Images

Sündenbock- statt Teamkultur: Was bei Alpine falsch läuft

Alpine ist mit seinen Fortschritten in der Formel 1 unzufrieden und zieht personelle Konsequenzen - Warum genau das auf einen Fehler im System hindeutet

Die Entscheidung von Alpine, die Führungsspitze des Formel-1-Teams zu entlassen, wurde damit begründet, dass man den Erfolg beschleunigen wollte, nachdem die bisherige Saison weit unter den eigenen Erwartungen geblieben war.

Während Teamchef Otmar Szafnauer und der sportliche Leiter Alan Permane der Meinung waren, dass es realistischerweise noch ein paar Jahre dauern würde, bis das Team aus Enstone seine Ziele erreichen würde, glaubte die Führungsspitze des französischen Automobilherstellers, dass es auch schneller gehen könnte.

Es war diese Diskrepanz zwischen Zeitplan und Zielsetzung, die Alpine schließlich dazu veranlasste, sich nach dem Grand Prix von Belgien von den beiden Männern zu trennen.

Doch während Alpine das Potenzial sieht, bis 2024 oder spätestens 2025 an die Spitze des Formel-1-Feldes zu gelangen, sind die Konkurrenten skeptischer, ob Teams wirklich in der Lage sind, einen solchen Leistungswandel so schnell zu vollziehen.

Auch wenn Aston Martin im vergangenen Winter und auch McLaren in der laufenden Saison einen beeindruckenden Leistungssprung gezeigt haben, die Realität ist, dass die Evolution dieser Veränderungen mindestens zwei oder drei Jahre zurückliegt.

Es braucht starke Führungspersönlichkeiten

Bei Aston Martin war es die Ankunft von Lawrence Stroll, der mit seinem Ehrgeiz und seiner Vision jene Investitionen und Neueinstellungen in Gang gesetzt hat, die dazu beigetragen haben, das Unternehmen in der Hackordnung nach vorn zu bringen.

Auch bei McLaren gab es umfassende Veränderungen, denn CEO Zak Brown beauftragte den derzeitigen Teamchef Andrea Stella vor einigen Jahren, eine technische Organisation aufzubauen, die die Stärken des aktuellen Reglements ausnutzt.

Während sich Alpine also gerade seiner Spitzenkräfte entledigt hat, zeigen die Beispiele von Aston Martin und McLaren, dass es starke Führungspersönlichkeiten braucht, die ihre Ellenbogen und Scheckbücher einsetzen, das Formel-2-Team befähigen, seine Arbeit zu tun, und sich dann nicht einmischen, weil die Ambitionen des Unternehmens außerhalb des Formel-1-Teams nicht abgestimmt waren.

Der ehemalige Renault-Teamchef Cyril Abiteboul, der derzeit die Motorsportaktivitäten von Hyundai leitet, ist der Meinung, dass der Schlüssel zum Erfolg in einer Führung liegt, die sich absolut auf den Erfolg in der Formel 1 konzentriert - auch wenn dies manchmal nicht mit den Unternehmensabläufen in Einklang steht.

"Meiner Meinung nach muss es auf der Führungsebene der Organisation die Bereitschaft geben, um jeden Preis zu gewinnen - und zwar fast außerhalb jeder Form von Unternehmensstruktur", sagt Abiteboul im Gespräch mit 'Motorsport.com'.

"Red Bull hatte das mit (Dietrich) Mateschitz (Anm. d. R.), und das Erbe geht offensichtlich weiter. Stroll hat das und bringt es in Aston Martin ein, Ferrari hat das. Und Mercedes war in der Lage, trotz des Unternehmensumfelds der Marke eine Struktur aufzubauen, die dem Management von Mercedes F1 genau das ermöglicht."

"Es geht nicht um Autohersteller gegen Nicht-Autohersteller. Es geht darum, dass irgendjemand sagen kann: Wir wollen gewinnen, egal was es kostet. Und ich denke, das ist es, was es braucht, um insbesondere in der Formel 1 erfolgreich zu sein."

Fehlersuche nicht an Einzelpersonen festmachen

Abiteboul glaubt, dass eine Vision und eine gewisse Sicherheit von oben dazu beitragen können, genau die Erfolgskultur auszulösen, die die Teams anstreben. Denn die Einzelnen müssen ihre Zeit dann nicht damit verbringen, sich darüber Gedanken zu machen, dass ein Fehler sie ihren Job kosten könnte.

"Es braucht jemanden, der den Rennteams sagt: 'Legt los, was immer ihr braucht, ihr bekommt es von mir und ich werde euch beschützen'", sagt Abiteboul. "Irgendjemand muss im Grunde dieses Sicherheitsnetz für das Rennteam bereitstellen."

"Unterschätzen Sie nicht die Verbindung zwischen der Organisation des Mercedes-Rennstalls und dem Mercedes-Konzern. Aber es gibt einen übergeordneten Rahmen, der aufgebaut wurde, der funktioniert und stabil ist, sodass sie sich auf das konzentrieren können, was sie tun müssen, nämlich Rennen zu gewinnen."

Diese Ermächtigung der Teammitglieder scheint in völligem Gegensatz zu dem zu stehen, was Alpine mit der Trennung von Szafnauer und Permane getan hat - ein Schritt, der sich zweifellos negativ auf die Moral bei Alpine ausgewirkt hat.

Ein weiteres wichtiges Element des Erfolgs besteht darin, die Schuldzuweisungen in den Teams loszuwerden, die oft zu seinem Teufelskreis aus Entlassungen und Neueinstellung führen. Stattdessen ist es wichtig, dass die Führungsspitze die Stärke besitzt, die Schuld auf sich zu nehmen, wenn etwas schiefläuft.

Mercedes-Teamchhef Toto Wolff ist der Meinung, dass Formel-1-Teams nur dann erfolgreich sein können, wenn sie sich auf Prozesse und nicht auf Einzelpersonen konzentrieren - und die Schuldzuweisung für unvermeidliche Fehler komplett abschaffen.

"Ich denke, es ist eine menschliche Reaktion, dass man immer, wenn etwas schiefgeht, sagen will, dass es die Schuld eines anderen ist, denn das erlaubt uns, den Druck von uns zu nehmen", sagt Wolff. "Das ist etwas, worüber wir aktiv diskutieren."

"Klar, wenn die Dinge rosig laufen, kann man diesen Standards einfacher gerecht werden. Aber manchmal geht es auch schief, was uns vergangenes Jahr und auch in diesem Jahr in einigen Fällen passiert ist", blickt der Mercedes-Teamchef zurück. "Man muss sich diese Denkweise und diese Werte immer wieder ins Gedächtnis rufen, damit wir dem Problem die Schuld geben und nicht der Person."

"Wenn wir einen schlechten Boxenstopp haben, dann liegt das nicht daran, dass ein Mechaniker nicht gut genug gearbeitet hat, sondern daran, dass seine Ausrüstung dem Job nicht gewachsen ist, dass das Training nicht gut genug war oder dass unsere Radmuttern nicht so sind, wie sie sein sollten", erklärt er weiter.

"Am Ende kann man immer zurückverfolgen, wo das Problem liegt. Es liegt an uns, die Person so zu entwickeln, dass sie in ihrer Rolle das Beste leisten kann. Das ist unser Credo."

Team steht und fällt mit der richtigen Kultur

Wolffs Management-Kultur hat auch auf den neuen Williams-Teamchef James Vowles abgefärbt, der sich dort wie kaum ein anderer den Herausforderungen stellen muss, die mit der Umstrukturierung eines Formel-1-Teams verbunden sind.

Dabei sei die richtige Kultur das A und O: "Ich glaube, dass die Kultur die Strategie zum Frühstück verspeist. Es spielt keine Rolle, welche Strategie man verfolgt. Die Kultur ist der Motor, der dahinter steht, und das verändert die Organisation."

Und so wie es eine Weile dauert, die Infrastruktur und das Design eines Autos zu ändern, ist es auch unmöglich, die richtige Kultur in nur einem Augenblick aufzubauen.

"Eine Kultur entsteht nicht über Nacht", betont Vowles und nennt einen ungefähren Zeitrahmen: "Meiner Erfahrung nach dauert es bei etwa 800 Leuten drei Jahre, um eine Kultur in einer Organisation zu verändern. Das ist eine erfundene Zahl von mir, aber ich habe das in diesem Sport oft genug erlebt, um es zu sehen."

Ein Zeitraum von drei Jahren würde für Alpine bedeuten, dass alles für einen Erfolg im Jahr 2026 sprechen würde - genau der Zeitrahmen, den Szafnauer für realistisch hält, damit die von ihm vorgenommenen Änderungen greifen. Es bleibt abzuwarten, was Alpine anders machen wird, um schneller dorthin zu kommen.

Motorsport-Total.com

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