RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Rallye: Hintergund

„Warum ich mir die NGTs wünsche“

Philipp Lietz wandte sich mit einem Appell an motorline.cc: Mit der Einführung von NGT-Fahrzeugen könne Österreichs Rallyeszene belebt werden…

Michael Noir Trawniczek & Michael Hintermayer
Fotos: philipp-lietz.at, Daniel Fessl/www.motorline.cc

Philipp Lietz, der jüngere Bruder des Porsche-Werkspiloten Richard Lietz, seines Zeichens zweifacher Le Mans-Klassensieger und bei Rallye-Gastspielen ebenfalls erfolgreich, hat vor rund zwei Jahren eine Rallyepause eingelegt…

Vor Kurzem jedoch hat Philipp Lietz bei der Baron von Aretin-Rallye in Deutschland ein Comeback gegeben, in einem Race Rent Mitsubishi Lancer Evo konnte er gleich einmal seinen ersten Gesamtsieg bei einer Rallye feiern. Jetzt hat der 24-jährige Ybbsitzer Blut geleckt – man denkt über verschiedene Projekte für 2014 nach.

Lietz, der in den Jahren 2010 und 2011 mit seinem modernen, kultigen „PhilFun“-Konzept auch optisch Aufsehen erregen konnte, gehört zu den wenigen wirklichen „Jungpiloten“ im Feld der heimischen Rallyeszene. Im Rahmen eines Interviews anlässlich seines jüngsten Sieges, sprach Philipp Lietz ein interessantes Thema und ein mögliches Projekt für 2014 an. Er wolle unter Umständen wieder in die heimische Rallye-Staatsmeisterschaft (ORM) und/oder in die Rallye-Challenge (ARC) einsteigen, er habe einige Konzepte im Kopf.

Frischzellenkur

Zugleich jedoch betonte er, man müsse mit dem Rallyesport in Österreich künftig auch junge Menschen ansprechen, der Rallyesport benötige quasi eine Art „Frischzellenkur“ - auch hinsichtlich seiner Vermarktung beispielsweise, er als „Jungpilot“ wolle jedenfalls neue Wege beschreiten…

Zudem brachte Lietz ein altbekanntes „rotes Tuch“ ins Spiel: Mister „PhilFun“ möchte nämlich künftig heckangetriebene Porsche und ähnliche Fahrzeuge der Klasse NGT auf Österreichs Rallyepisten sehen. Er selbst spiele derzeit mit dem Gedanken, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen: „Das könnte ich mir gut in der ORM vorstellen, nur sind momentan die Rahmenbedingungen für ein solches Projekt nicht gegeben, da die NGTs in Österreich nicht startberechtigt sind. Ohne ein Reglement ein Projekt aufzustellen, wäre zu riskant. Ich habe momentan kein fertiges Projekt, weder ein Auto oder sonstiges. Jedoch würde ich mich gern um diese Dinge bereits kümmern.“

Konkret handelt es sich um seriennahe Sportwagen, die zum größten Teil über Hinterradantrieb verfügen. Unter ihnen befinden sich Derivate wie zum Beispiel Porsche 911, Nissan 350 und 370Z sowie BMW M3 und Toyota GT86. Derzeit jedoch wird die NGT-Klasse in Österreich und auch in einigen anderen Ländern nicht ausgeschrieben, wohl aber in Ländern wie Deutschland, Belgien oder Spanien beispielsweise.

Lietz erklärt: „Die hinterradgetrieben Sportwagen würden höchstwahrscheinlich mehr Leute an die Strecke bringen, da sie unter anderem einen hohen Wiedererkennungswert haben und sehr spektakulär sind, auf eine eigene Art und Weise. Durch ein gut positioniertes Marketing wäre es wahrscheinlich möglich, Sponsoren und Helfer für solch ein Projekt zu finden. Ich würde mir, so denke ich, leichter tun mit einem NGT-Projekt als mit einem Gruppe N-Projekt. Es würde einen Riesenspaß machen, solch ein Auto spektakulär zu bewegen, dies würde sich auf die Zuseher übertragen.“

Artenvielfalt

Die Artenvielfalt sei in den letzten Jahren abhandengekommen, findet Philipp Lietz. Und erklärt: „Bei manch einer Rallye hatte man in letzter Zeit wirklich das Gefühl, einem Mitsubishi-Markenpokal beizuwohnen. Doch einen konkurrenzfähigen Evo zu fahren kostet Geld, viel Geld. Für Einsteiger ist ein Einsatz in einem sehr guten und konkurrenzfähigen Mitsubishi Evo kaum finanzierbar. Man muss bei den Autos sehr viel revidieren und es gibt bei den Anbauteilen preislich nach oben hin keine Grenzen. Dass der Rallyesport teuer und komplex ist, steht außer Frage - jedoch denke ich, dass bei einem NGT-Auto die Einsatzkosten ähnlich, wenn nicht günstiger sind als bei einem Gruppe N- oder R4-Evo.“

„Ein Serien 911 oder 350Z ist von Grund auf spektakulär, man hat einen Saugmotor, ein robustes Getriebe und so weiter, dies lässt die Kosten nicht ganz so hochschießen. Klar, man kann überall die Kosten explodieren lassen, wenn man will - sogar in einer Suzuki Cup-Saison ist das grundsätzlich möglich. Und was die Zuseher anbelangt, der Spaßfaktor ist ohnehin vorhanden und die herrlich brüllenden und schreienden Sportwagen haben bis jetzt jeden, der sie einmal live erlebt hat, in ihren Bann gezogen.“

Junge Fans

Zudem wittert Philipp Lietz eine Chance, mittels NGT-Boliden auch junge Fans anzulocken. Gerade jetzt startet der nächste Teil zu „The Fast and the Furious“ in den Kinos und Heerscharen junger Leute strömen vor die Leinwand, um die Sportwagen im Drift um die Ecke biegen zu sehen.

Wäre die Einführung der NGTs also auch eine Möglichkeit, ein junges Publikum an die Sonderprüfungen zu locken, um „ihre“ Autos live auf dem „Kriegspfad“ zu erleben? Lietz nickt: „Ja ich denke schon. Zwar interessieren mich persönlich solche Filme eher weniger, aber wenn man sich anschaut, wie viele Menschen es in die Kinos zieht, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die dann auch bei der einen oder anderen Rallye zusehen kommen. Und dann sollte diese so spektakulär wie möglich sein, damit sie bei der nächsten wieder kommen.“

Kostenexplosion

Aus Deutschland jedoch hört man nicht nur Positives zum Thema NGT – dort wurde für den Porsche 911 GT3 eine, ziemlich kostenintensive, nationale Homologation finanziert, seitdem jedoch dominieren diese Autos das Feld, ein Wettrüsten wurde losgetreten, die Kosten explodieren. Lietz sagt dazu:„Dies sollte auf keine Fall das Ziel sein, in Deutschland wurden die Autos mittlerweile auch schon vom Reglement eingeschränkt. Ich finde, man sollte lediglich jene für die Sicherheit notwendigen Upgrades machen, welche nötig sind, um schön Rallye fahren zu können: Ein gutes Fahrwerk, Bremse, Reifen - neben den Standard-Umbauten wie Käfig und dergleichen.“

Einen Aufbau eines Porsche oder eines anderen NGT-Boliden nach dem in Österreich von der OSK eingeführten seriennahen M1-Reglement als Alternative kann sich Lietz nicht vorstellen: „Naja, es geht hier auch um die Sicherheit, teilweise würden die GT-Autos vielleicht eine zu kleine Bremse haben, ein schlechtes Fahrwerk und so weiter. Rallye muss, unter allen Umständen, die man nicht beeinflussen kann, so sicher wie möglich sein und ich würde ich es nicht für sinnvoll erachten, ein Auto mit solch einer Leistung nach diesem Reglement aufzubauen.“

Noch einmal kommt Philipp Lietz auf die Markenvielfalt zurück, denn er kann sich sogar vorstellen, dass mit der Zulassung von NGT-Fahrzeugen Hersteller angelockt werden könnten: „Die in letzter Zeit verloren gegangene, von vielen Fans vermisste Markenvielfalt könnte wieder etwas aufgepäppelt werden. Und sollten sich erst einmal drei oder vier Sportwagen, wie zum Beispiel Toyota, eingestellt haben, könnte dies wiederum die Hersteller ins Boot locken, Cups oder gar Importeurs-Autos wie in den Achtziger- und Neunzigerjahren wären vielleicht wieder möglich.“

Potential

Dass viele Rallyefans von der Einführung der NGTs begeistert wären, möchte Philipp Lietz mit einem konkreten Beispiel bekräftigen: „Man muss das Publikum eben anders bedienen in solchen Zeiten. Die Rallye-ÖM hat auf jeden Fall Potential nach oben. Als mein Bruder bei der BP-Rallye 2007 als Vorausauto einen Porsche pilotierte, waren die Leute begeistert, manche sind sofort zur nächsten Sonderprüfung weitergefahren, um ihn wieder zu sehen.“

Mit seinem Schlusswort möchte Philipp Lietz mögliches „böses Blut“ im Keim ersticken: „Mir ist es sehr wichtig, dass sich mit meinen Aussagen kein einziger auch nur andeutungsweise kritisiert oder gar beleidigt fühlt, dies ist ausschließlich meine persönliche Meinung zur jetzigen Situation. Jede Meinung gehört respektiert und wenn es für die OSK sinnvoller erscheint, die NGT nicht starten zu lassen dann wird dies auch seine Gründe haben. Dann müsste ich mir etwas anderes suchen, denn unter diesen Umständen, wie sie jetzt herrschen, würde es für mich nicht wirklich einen Sinn ergeben beziehungsweise überhaupt möglich sein, ein solches oder ähnliches ÖRM-Projekt auf die Beine zu stellen.“

„Generell mehr Zusammenhalt wäre super und hilfreich in der ORM. Ich kenne die aktuelle Situation derzeit nicht, denke aber, dass sich diese in den letzten eineinhalb Jahren nicht großartig verändert hat. Ich weiß noch genau, als ich zur ersten Rallye gekommen bin, komplett ungefärbt von einer Meinung, hat es mich erschreckt, wie viel man streiten kann, beim Ausleben der gleichen Leidenschaft. Jeder ist jedem etwas neidisch und wenn man eine gute Leistung erbringt, war die letzte Ursache dafür der Fahrer.“

„Solche Grabenkämpfe interessieren niemanden und schon gar nicht die Zuseher an der Strecke! Die ORM hat viel Gutes anzubieten, ein Beppo Harrach oder ein Raimund Baumschlager, die auf einem absoluten Top-Niveau fahren, was sie auch immer wieder bei internationalen Bewerben unter Beweis stellen. Dann kommt ab und zu mal ein ganz junger Fahrer, wie Simon Wagner, der eine fantastische Zeit hinknallt, und dann gibt es eine 2WD-Staatsmeisterschaft, in der es um Sekunden geht - das ist doch herrlich!“

Zurzeit wird sowohl bei der Obersten Nationalen Sportbehörde OSK aks auch bei der Obersten Internationalen Sportbehörde FIA über die Zukunft der GT-Fahrzeuge im Rallyesport nachgedacht.

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Lavanttal-Rallye: Nach SP2

Zwei Fragen nach zwei Prüfungen

Der Auftakt zur 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg ist erfolgt / An der Spitze duellieren sich mit Simon Wagner und Hermann Neubauer zwei alte Bekannte / Die Verfolger warten noch ab

Lavanttal-Rallye: Vorschau BRR/Lengauer

Vorfreude auf „die Lavanttal“ mit zwei Premieren

Mit der „LASER HERO Lavanttal Rallye powered by Dohr Wolfsberg“ steht nur drei Wochen nach der Rebenland-Rallye bereits ÖRM Lauf 3 vor der Türe. Jänner-Rallye Sieger Michael Lengauer kann neben seinen bewährt treuen Sponsoren auch auf die Unterstützung einiger Lavanttaler Unternehmen zählen, welche seinen Start in Wolfsberg mit ermöglicht haben.

Lavanttal-Rallye: Nach SP9

Wagner-Doppelführung nach Neubauer-Dreher

Bei der 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg zieht ein fehlerloser Simon Wagner auf und davon / Zwischen- und Ausfälle bremsen die Konkurrenten des Staatsmeisters

Lavanttal-Rallye: Vorschau ZM Racing

Drei Teams vertreten die Farben von ZM-Racing

Neben Fabian Zeiringer (Stmk) und Christoph Zellhofer (NÖ), startet auch der Deutsche Gast Björn Satorius unter der Flagge von Max Zellhofer in Kärnten

Lavanttal-Rallye: Bericht

Gebrüder Wagner feiern ersten Doppelsieg

Staatsmeister Simon Wagner feierte bei der 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg seinen zweiten Sieg nach 2022 / Ein packendes Sekundenduell prägte vor allem die 2WD-Staatsmeisterschaft