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ORM: Wechselland-Rallye

Ein subjektiver Kommentar zur aktuellen Situation

Wieder einmal wurde etwas gut Gemeintes zu einer Lose/Lose-Situation. Ein absolut subjektiver Kommentar von Michael Noir Trawniczek.

Kommentar von Michael Noir Trawniczek
Foto: IG Rallye Fotoservice

Noch nie zuvor habe ich Raimund Baumschlager und Hermann Neubauer derart aufgebracht und emotional erlebt wie an diesem Dienstag, den 28. April 2015. In meinen Augen sind beide die leidtragenden Opfer einer katastrophalen Fehlentscheidung der OSK. Wenn man sich in die Lage von Baumschlager und Neubauer versetzt, erkennt man, dass beide einem mächtigen Druck ausgesetzt waren.

Baumschlager fährt am Wochenende bei der Wechselland-Rallye zum ersten Mal mit dem neuen Skoda Fabia R5-Boliden. Es ist der zweite Wettbewerbs-Auftritt dieses Autos nach dem Sieg von Jan Kopecky in Tschechien am vergangenen Wochenende. Wie wichtig Skoda die Einführung dieses neuen Autos ist, konnte man schon bei der Präsentation in Mlada Boleslav spüren. Baumschlager hat an der Entwicklung dieses Fahrzeugs als Testpilot großen Anteil geleistet.

Jetzt gibt es in den Küchen der Verschwörungstheoretiker unbestätigte, von Baumschlager vehement bestrittene Gerüchte, die besagen, dass der Skoda Fabia R5 im Betrieb mit Tankstellensprit mehr Verluste an PS erleiden würde als der Ford Fiesta S2000 von Hermann Neubauer und dass Baumschlager quasi deshalb Druck auf die OSK ausgeübt haben soll, die Regel zu kippen. Baumschlager bestreitet das wie erwähnt entschieden, die OSK wiederum räumt offen ein, dass die Regel schlicht nicht durchführbar sei, zahlreiche Experten bestätigen das. Die Regel wurde widerrufen, weil sie nicht praktikabel ist. Aber selbst wenn die Verschwörungstheorien stimmen würden: Warum sollte man Wettbewerbsmenschen, wie sie Rallyepiloten einmal sind, vorwerfen, dass sie auch die geringsten Vorteile in Anspruch nehmen beziehungsweise sich gegen geringste Nachteile verwehren? Oder andersrum gefragt: Warum sollte man von einem Spitzensportler verlangen, wie „Mutter Theresa“ zu agieren?

In diesem Fall jedoch hat Baumschlager eingelenkt und von Skoda ein entsprechendes Mapping erbeten – sobald die Regel widerrufen wurde, hätte er das nicht mehr tun müssen. Er hat es aber getan. Und ich finde immer noch, dass man Menschen nach ihrem Handeln beurteilen sollte und nicht nach vorgefertigten Meinungsschablonen. Ich glaube schon auch, dass Baumschlager in der Vergangenheit das eine oder andere Mal versucht hat, die OSK in eine ihm gelegene Richtung zu lenken – nur: Das gehört zum „Spiel“. Und das haben mit Sicherheit auch andere probiert. Wieder andersrum gefragt: Wenn es eine Anfrage seitens der OSK gibt, was denn Pilot X von dieser oder jener Regelmöglichkeit halten würde: Warum sollte der Pilot etwas sagen, das ihm Nachteile bringt?

Weder Raimund Baumschlager noch Hermann Neubauer wären heute dort, wo sie jetzt stehen, wenn sie nicht ab und an ihre Ellenbögen eingesetzt oder ihre Beziehungen ins Spiel gebracht hätten. Das gehört dazu – auch auf der großen WRC-Bühne gehört dieses Spiel zum Alltag. Niemand kann ernsthaft von einem Spitzensportler verlangen, dass er das Wohl des Ganzen über seinen eigenen Erfolg stellt. Deshalb gibt es ja Instanzen wie eine Sportkommission – letztendlich muss SIE für die größtmögliche Chancengleichheit sorgen.

So groß mein Verständnis für Raimund Baumschlager in dieser speziellen Situation ist, so groß ist es auch für jene von Hermann Neubauer. Ich stehe dazu, was ich nach der Jännerrallye geschrieben habe: Die Aussage nach dem Ausfall, man könne jetzt gleich in die ERC abwandern, betrachte ich als unsportlich. Jetzt jedoch ist die Situation eine völlig andere. Hermann Neubauer hat sich auf ein Reglement verlassen, er hat danach sein Budget erstellt und sich entsprechende Chancen ausgerechnet. Aus der Perspektive von Neubauer ist diese plötzliche Kehrtwendung nicht nachvollziehbar – aus seiner Perspektive sieht es vielleicht wirklich so aus, als würde die OSK einen Kniefall vor Baumschlager tätigen. Nur: Die OSK macht keinen Kniefall, sondern gibt offen zu, einen kapitalen Fehlgriff getätigt zu haben. Und hier muss man wieder fragen: Warum sollte die OSK eine solche Bürde auf sich nehmen, nur um einem einzelnen Teilnehmer zu helfen? Was hätte sie denn davon?

Ich empfinde großen Respekt vor OSK-Sekretär Kurt Wagner dafür, dass er in unserem Telefonat nicht einmal einen Sekundenbruchteil lang versucht hat, irgendeine Ausrede zu suchen. Und dass er klar sagte: „Die Schuld liegt bei der OSK, die Kraftstoffregel war ein schwerer Fehler.“ Ich habe den Eindruck, dass bei der OSK nun ein Umdenken stattfindet und man durchaus auch selbstkritisch das bisherige Wirken der Rallyekommission betrachtet.

Traurig ist, dass sich Baumschlager und Neubauer, die zuvor einen gewissen Respekt voreinander empfunden hatten (soweit es der Konkurrenzkampf zulässt), sich jetzt völlig überworfen haben. Traurig ist, dass Neubauer jetzt enttäuscht von dannen zieht. Traurig ist auch, dass der Veranstalter der Wechselland-Rallye zum Handkuss kommt und er nun noch weniger Fahrer am Start hat. Für die gesamte ORM ist das ein Worst Case Scenario. Und auch Raimund Baumschlager weiß, dass ein Sieg immer nur so viel wiegt, wie stark die jeweilige Konkurrenz ist. Es sind keine leeren Worte, wenn man sagt, dass Baumschlager unter dem Abgang von Neubauer ebenso leidet, weil damit ein Sieg automatisch weniger wert ist.

Traurig wäre es in meinen Augen auch, wenn man jetzt Dietmar Hinteregger zum alleinigen Sündenbock abstempeln würde. Dieser Mann hat 30 Jahre lang ehrenamtlich für den Rallyesport gearbeitet, ist bei unzähligen Veranstaltungen als Sportkommissar oft bis spät in die Nacht in irgendwelchen Veranstaltungskämmerchen gesessen und hat Beschlüsse in Form gebracht, was bei den komplexen Regelwerken alles andere als eine leichte Aufgabe ist. Es wäre töricht, zu glauben, dass jemand über einen Zeitraum von 30 Jahren regelmäßig unentgeltlich von Kärnten nach Wien fährt, nur um einen persönlichen Geltungsdrang zu befriedigen oder gar dem Rallyesport zu schaden. Dieser Mann war ein Entscheidungsträger in einem großen Konzern – warum sollte er ausgerechnet in der Behörde einer Randsportart sein Ego befriedigen?

Es stimmt sicher, dass Hinteregger von seinen Kollegen eine gewisse Genauigkeit eingefordert hat und er das manchmal wohl etwas zu hart getan hat. Zumal auch sie ehrenamtlich arbeiten. Es stimmt wohl auch, dass es in punkto Kärnten-Rallye eine besonders emotionale Situation gegeben hat und dass Dietmar Hinteregger hier vielleicht auch persönlich wurde, zumal er auch persönlich hart attackiert wurde.

Dass Fehler gemacht wurden, ist unbestritten. Dass sie jedoch mutwillig gemacht wurden, um dem Sport zu schaden, möchte ich massiv bezweifeln. So einfach ist das Leben doch nur in den allerseltensten Fällen gestrickt. Ich behaupte: Hinteregger wollte dem Sport Gutes tun. Und das ist ihm in vielen Fällen auch gelungen. Dass auch Fehlentscheidungen getroffen wurden, oder dass manchmal gute Ideen einfach nur schlecht umgesetzt wurden, Stichwort zum Beispiel Serienreglement M1, liegt mitunter auch an der Organisationsstruktur der OSK. Dass hier modernisiert werden muss, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln.

Der Glaube an den guten Willen jedes einzelnen Menschen wird einem oft als dümmliche Blauäugigkeit ausgelegt und vielleicht ist es auch eine solche. Ich sehe jedoch in der Funktion als Journalist keine brauchbare Alternative dazu, den Menschen, die mit mir sprechen erst einmal Glauben zu schenken, denn sonst würden sich Gespräche mit der Zeit ad absurdum führen. In meinen Augen hat jeder Gesprächspartner das Recht, dass man ihm zunächst einmal glaubt, was er sagt. Freilich mit der Möglichkeit, das Gesagte zu hinterfragen.

Ein großes Manko haben wir: Wir machen es uns leicht, andere zu verurteilen, aus der sicheren Entfernung, bewaffnet mit Halbwissen. Findet man jedoch das direkte Gespräch mit demjenigen, kann man plötzlich dessen Positionen verstehen oder zumindest nachvollziehen. Auch in unserem modernen Kommunikationsmedienzeitalter ist das direkte Gespräch durch nichts zu ersetzen – es muss wieder mehr miteinander gesprochen werden.

Es fällt uns zudem unheimlich schwer, uns in die Perspektive des anderen zu versetzen – schlimmer noch, manche wollen erst gar nicht den Versuch wagen, einmal aus der „gegnerischen“ Perspektive die Dinge anzusehen. Dabei ist es unheimlich hilfreich, sich in den anderen zu versetzen. Meiner Meinung nach sind es genau diese kleinen, vermeintlich simplen und unwichtigen Dinge, die es uns allen erleichtern würden, miteinander vorwärts zu kommen. Zugleich muss ich feststellen: Auch das hier ist graue Theorie – der Autor dieser Zeilen ist sich bewusst, dass auch das hier als „Klugscheißerei“ empfunden werden kann. Ist auch so: Am Ende ist jedes Wort nur graue Theorie, wenn keine Taten folgen.

Vielleicht ist es auch blauäugig zu glauben, dass die aktuelle Situation nebst all ihrer Bitterkeit auch eine Chance darstellt - eine Chance, mit neuen Kräften durchzustarten. Und selbst wenn es tatsächlich blauäugig ist: Was spricht dagegen, einen Neustart zu wagen? Kann also Lose/Lose noch Win/Win werden? Sicher kann es das!

Der vorliegende Artikel ist ein Kommentar und spiegelt daher lediglich die persönliche Meinung des Autors wieder.

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