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Härteprüfung, Teil 2

Text: Jürgen Zöllter/mid
Fotos: Manuel Hollenbach

Komplett neu entwickelte Motoren treiben das neue Porsche-Flaggschiff an. Deren Kraft portioniert ein kompakt bauendes Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK), das ZF zuliefert.

Es weist weniger Reibwiderstände auf und senkt den Durchschnittsverbrauch gegenüber dem Vorgängermodell signifikant. Dafür sind der 7. und 8. Gang verbrauchsoptimiert vergleichsweise "lang" übersetzt, ähnlich einer Drehzahl absenkenden Overdrive-Funktion.

Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht der Panamera Turbo mit aufgeladenem V8-Aggregat konsequenterweise im 6. Gang. Das Entwicklungsziel lautet, ausreichend Kraft bereitzustellen, wenn der Pilot hohe Fahrdynamik wünscht und Treibstoff zu sparen, wenn man im Verkehr mitschwimmt. Saugmotoren sowie Handschaltgetriebe werden nicht mehr angeboten. Sie stehen der späteren Elektrifizierung des Antriebstrangs im Wege.

Wir wechseln in den Panamera von Markus Schieritz. Der hebt demonstrativ den Zündschlüssel: Wie in Porsches Sportwagenikone 911 Carrera starten auch die Triebwerke des Panamera über ein Zündschloss links vom Lenkrad. Dem modischen Trend zum preiswerteren Starterknopf in der Mittelkonsole haben sich Porsche-Entwickler erfolgreich entzogen.

Wir gleiten mit 120 km/h dahin, geführt von "Inno-Drive", der neuesten Generation des adaptiven Geschwindigkeits-Regelautomaten (ACC). Dieses teilautonome Fahren mit aktivem Gas- und Bremseingriff bringe bis zu zehn Prozent Verbrauchsvorteil, sagt Schieritz begeistert.

Warum wir den Motor nicht hören, erklärt der Blick auf den Tourenzähler: Wir gleiten mit nur 1.400 Touren dahin. Und wenn Schieritz vom Gas geht, fällt das Triebwerk sogar ins Standgas. Der Panamera "segelt" dann, wie die Techniker sagen. Das zweifach aufgeladene V8-Aggregat im Panamera Turbo bleibt im Teillastbereich akustisch völlig im Hintergrund. Kann aber auch anders.

Dazu wechselt Schieritz über das aus dem Porsche 918 und Carrera bekannte Rädelrad im Lenkrad in den Fahrdynamikmodus Sport Plus. Blitzschnell legt das Getriebe den passenden Gang für höchste Drehmomentausbeute ein, die Gasannahme wird geschärft und ab geht die Post.

Wobei der Vergleich mit der Post nicht wirklich verdeutlicht, was hier passiert: Der Panamera Turbo drängt eindrucksvoll nach vorn, röhrt etwas heiser, hebt dann die Stimmlage. Ein trockenes "Klacken" quittiert die schnellen Gangwechsel, nachhaltig schnell eilt die Tachonadel voran. 160, 180, 220 km/h - der Schub dauert noch immer an, treibt unseren Herzschlag.

Und Schieritz bestätigt: In allen Panamera-Varianten sind die drei Fahrdynamikprogramme Comfort, Sport und Sport Plus hinterlegt.

Zudem verfügen alle V8-angetriebenen Viertürer über eine Drei-Kammer-Luftfederung, die permanent mit der neuen Hinterachslenkung und Quersperre korrespondiert.

Als besonderer Leckerbissen ist die innovative aktive Wankstabilisierung (AWS) mit elektrischer Luftfeder-Aktivierung an Bord. Sie hält den Panamera auch bei extremer Querbeschleunigung im Lot, weshalb man die Fliehkraft nicht über Karosserieneigungen, sondern den Seitenhalt der Sitzschalen spürt.

Das System wird von einer 48-Volt-Einheit für sehr kurze Reaktionszeiten gesteuert. Es speist seine Energie aus sogenannten "Caps", die in Form einer Batterie unterm Kofferabteil wohnen.

Für noch mehr Richtungsstabilität in hochdynamischen Fahrsituationen und zur Traktionssicherung auf von Schlechtwetter beeinträchtigen Fahrbahnbelägen können alle Panamera-Varianten mit Allradantrieb geordert werden. Das Hang-on System mit vollvariabler Kraftverteilung überträgt bis zu 45 Prozent des bereitgestellten Drehmoments an die Vorderachse, ohne die feinfühlige Lenkung zu beeinträchtigen.

Einem straffen Prozess folgend, endet das Mittagessen nach 45 Minuten. Die Triebwerke starten und bis zum nächsten Fahrerwechsel vergeht eine Stunde. Die haptische Rückmeldung der Schalter in der Mittelkonsole, die Döllner am Morgen als "zu unpräzise" kritisiert, so lernen wir am Nachmittag, sei mit dem mittlerweile überholten Entwicklungsstand des Bauteils zu erklären.

Im neuen Panamera wird ein komplett neu gestalteter Armaturenträger einschließlich leicht verbreiterter Mittelkonsole für jetzt zwei Cupholder verbaut. Bis auf vier mechanische Schalter der Klimaanlage (je zwei für Fahrer und Beifahrer) liegen nun alle Bedienungsfunktionen entweder im Menü des 12,3-Zoll-Farbdisplays oder sie werden über druckempfindliche Schaltflächen angesteuert.

Sogenannte "Shaker" unter diesen Flächen geben haptische Rückmeldung. Diese Funktion sei inzwischen optimiert, aber im Erprobungsfahrzeug noch nicht eingebaut.

Inzwischen treiben die Ingenieure ihre Panamera-Flotte über mit Geröll gespickte Staubstrassen. Gewaltige Schlaglöcher setzen Luftfederfahrwerk und Niederquerschnittsreifen zu. Immer wieder kracht es im Gebälk.

Niemand beachtet die verwilderte Landschaft, die Blicke weisen konzentriert geradeaus. Je dichter die Staubfahnen, desto dünner die Kommunikation der Männer. Als wir endlich wieder Asphalt unter die Räder nehmen, wird ein kurzer Stopp eingelegt, um die Felgen-Innenseiten und Bremsscheiben von Staub zu befreien.

Kunkel verteilt Wasserflaschen und mahnt zur Flüssigkeitsaufnahme. Jemand klopft Staub aus Hemd und Hose. "Solche Straßen wird kaum ein Kunde jemals befahren", so Kunkel, "doch sie bringen jede Material-Schwachstelle zu Gehör."

Gegen 17 Uhr orientieren wir uns Richtung Quartier. Stallgeruch scheint das Tempo zu treiben. Die Test-Karawane darf Geschwindigkeiten fahren, die weit über dem gesetzlichen Tempolimit liegen. Dafür stellt eine staatliche Behörde Zertifikate aus, verlangt aber verantwortungsvollen Umgang mit dem gebeugten Gesetz. Den Ingenieuren verlangt dieses Recht Disziplin und höchste Aufmerksamkeit ab. Jetzt liegen noch rund 250 Kilometer zwischen uns und der ersehnten Abenddusche. Gegen Sonnenuntergang ticken die Uhren langsamer.

Als die neuen Panamera ihre Tiefgaragenplätze erreichen, ist es 20 Uhr. Die Motoren entspannen, ein leises Ticken erzählt von der Abkühlung des Materials. Die Testwagen verschwinden unter einer blickdichten Plane. Wer jetzt hofft, den Abend entspannt ausklingen zu lassen, sollte Erprobungsfahrten bei Porsche meiden. Es folgen Gespräche über Auffälligkeiten des Tages.

Den einen stört die Schwingungsanregung einer Seitenverkleidung auf dem kritischen Abschnitt vorm Franchoek-Pass, dem anderen sind Lastschläge bei Gangwechsel im Sport Plus Modus zu laut, auch könnte die Rückstellfeder eines Staufachdeckels stärker sein. Einer führt das Protokoll. Dann 30 Minuten Pause bis zum gemeinsamen Abendessen, dem die Planung des nächsten Tages folgt.

Nach 16 Stunden Konzentration auf das komplexeste Regelwerk menschlicher Mobilität, fahren die Spannungsregler des Porsche-Erprobungteams endlich runter. Arbeitszeitregelungen auf Abstimmungsfahrten dürfen nur als Empfehlung gelten. Denn am Ende möchte Baureihenleiter Gernot Döllner seine Kritikhoheit niemals an einen späteren Kunden des neuen Porsche Panamera verlieren.

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