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Planai Classic 2008

Björn Waldegard im Interview

Björn Waldegard spricht über die Rallye-WM damals und heute. Über schlaflose Nächte, die Kunst des Driftens und die Diktatur des Marktes in der WM.

Michael Noir Trawniczek, Fotos: Markus Kucera, www.planai-classic.at

"Der Rallyesport ist mein Leben - und ich habe mit meinem Hobby Geld verdient. Ich erhalte auch heute noch viele Einladungen, eine davon war jene zur Planai Classic. Ich liebe es, hier in Gröbming zu fahren, denn das hält mich jung", sagt Rallye-Ikone Bjön Waldegard, der die Planai Classic 2008 gemeinsam mit Navigator Hans Sylvan auf einem Porsche 911 aus dem Jahr 1965 bestreitet.

Der 65-jährige Schwede ist alles andere als im Ruhestand - unlängst konnte er, auf einem Ford Escort, mit seinem Sohn Mathias am Sozius, die East African Safari Classic-Rallye gewinnen - mit satten 30 Minuten Vorsprung. Der Retro-Event dauert neun Tage lang, es werden unglaubliche 4.700 Kilometer absolviert - dagegen sind die heutigen WM-Rallyes Sprintrennen. Waldegard sagt: "Früher waren alle Rallyes sehr lang - die heutige Weltmeisterschaft ist da ganz anders. Aber du kannst den Rallyesport aus den Siebzigerjahren nicht mit der heutigen Zeit vergleichen."

Die Rallyes der Siebzigerjahre waren richtige Abenteuer - Waldegard schmunzelt: "Es war in vielen Belangen sehr verrückt. Manchmal bist du vierzig Stunden ohne Schlaf gefahren." Ob er nach diesen schlaflosen Stunden tatsächlich noch mit vollem Speed gefahren sei? Waldgard antwortet trocken: "Natürlich. Das war extrem, denn du wirst sehr müde...das war natürlich nicht wirklich gut, weil es ja auch gefährlich war. Aber ich bin froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben. Damals war der Rallyesport so, wie er sein sollte."

Diktatur des Marktes

Später, mit zunehmender Vermarktung der Rallye-WM, mit vermehrter TV-Berichterstattung, wurden die Rallyes immer kürzer. "Ich kann verstehen, warum sie das getan haben. Die Publicity ist heutzutage derart groß und es wäre unmöglich, heute 4.000 km zu bestreiten, weil du das nicht fernsehgerecht verkaufen kannst. Ich wünsche mir die alten Tage nicht zurück, da ich ohnehin nicht in der WM antreten werde. Aber vielleicht sollte man in der WM zumindest einen Kompromiss eingehen."

Auch in anderen Belangen zeigt Waldegard Verständnis für die in der WM vertretenen Automobilgiganten: "Viele Leute haben die alten Autos mit dem Heckantrieb lieber - aber das ist heute nicht mehr möglich, denn die Hersteller erzeugen Autos mit Allradantrieb und sie wollen diese Autos auch verkaufen. Du kannst den Herstellern nicht sagen, dass sie keine Allradautos mehr einsetzen dürfen - wer die alten Boliden mit dem Heckantrieb sehen will, muss sich eben eine klassische Rallye ansehen."

Keine Helferlein

Was die zahlreichen elektronischen Fahrhilfen betrifft, welche in den heutigen World Rally Cars (WRC) zum Einsatz kommen, zeigt sich der schwedische Lenkradakrobat weniger verständnisvoll: "Da gibt es einige Hilfen, die in einem Rallyeauto wirklich ichts zu suchen haben." In seinen Boliden jedenfalls gab es weder Traktionskontrolle noch Startautomatik oder sonstige Fahrhilfen. "No, no, no - das waren richtig klassische, altmodische Autos", sagt Waldegard stolz.

The Art of Driving

Die hohe Kunst des Driftens wird in der heutigen Weltmeisterschaft aufgrund der Allradautos so gut wie nicht mehr gepflegt. Heute sagt man, dass man beim Drift eher Zeit verlieren würde - doch Björn Waldegard schüttelt den Kopf: "Manchmal bist du quer schneller, manchmal nicht. Wenn ich gedriftet bin, dann tat ich das, weil ich damit schneller war. Jene Leute, die behaupten, dass du mit dem Driften langsamer bist, haben keine Ahnung vom Rennfahren. Wenn du wirklich schnell sein willst, dann musst du driften, das gehört einfach dazu." In einem heckbetriebenen Fahrzeug, wohlgemerkt. Vor fünf Jahren testete Waldegard ein Allrad angetriebenes WRC: "Das sind wunderbare Autos, die sind fantastisch zu fahren." Freilich müsse man seinen Fahrstil anpassen: "Die Autos mit Allradantrieb sind ein bisschen wie ein Zug, sie sind sehr stabil."

"Der Sieg war immer das Ziel"

Bei rund 4.000 Kilometern Distanz waren viele Piloten bereits froh, wenn sie nur das Ziel erreichen konnten. Björn Waldegard gehörte jedoch nicht zu ihnen - er gehörte zur Weltklasse, die damals auch noch entsprechend be- respektive entlohnt wurde: "Mein Ziel war es nicht, nur das Ziel zu erreichen. Ich wurde dafür bezahlt, zu fahren und ich wurde dafür bezahlt, zu gewinnen. Der Sieg war immer das Ziel. Ich habe nicht viele Autos zerstört, ich war ein verlässlicher Fahrer - deshalb wurde ich über viele Jahre hinweg bezahlt. Früher wurden alle Werkspiloten bezahlt. Das war ganz anders als heute."

Die Aussage eines Manfred Stohl, wonach in der heutigen WM nur drei Piloten für ihre Arbeit bezahlt werden, bestätigt Waldegard: "Heute hast du sehr viele Fahrer, auch sehr viele gute Piloten - doch weil der Sport so teuer geworden ist, müssen auch diese Fahrer Geld mitbringen - das ist eine komplett falsche Entwicklung. Sogar in den Werksteams muss der zweite oder dritte Pilot Geld einzahlen."

Weltelite?

Ob in der WM heutzutage tatsächlich die weltbesten Piloten vertreten sind? Waldegard überlegt - und sagt: "Nicht alle der aktuellen Fahrer gehören zu den besten Piloten. Das ist schwer zu sagen - denn jene Piloten, die in der letzten Zeit gefahren sind, wie Manfred Stohl oder Mikko Hirvonen, die sind schon sehr gut. Ich kann nicht sagen, dass außerhalb der WM so viele bessere Piloten zu finden sind. Vielleicht Marko Märtin - doch er lehnte es ab, für sein Cockpit zu bezahlen. Das war auch bei Colin McRae der Fall - auch er wollte keine Unmengen dafür bezahlen, dass er fahren darf."

Hätte er Geld mit an Bord gebracht, wenn dies in seiner Zeit verlangt worden wäre? Waldegard überlegt abermals, und antwortet: "Vielleicht hätte ich auch abgelehnt - das ist eine sehr komplizierte Frage." Auch was die Zukunft der Rallye-WM anbelangt, sagt Björn Waldegard: "Ich bin froh, dass ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen muss. Es sieht so aus, als würde sich die WM in einer Krise befinden - aber ich sitze nur am Rand und beobachte."

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