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Formel 1: Interview Bernie Ecclestone, Jean Todt, Monaco Grand Prix, Monte Carlo 2014

Todt zum Status quo der Formel 1

Trotz eigener Versäumnisse wirft der FIA-Präsident den Kritikern vor, selbst auch keine brauchbaren Vorschläge auf den Tisch zu legen.

Bernie Ecclestone begegnet dem Vorwurf, er würde mit den in den kommerziellen Rahmenverträgen festgehaltenen Fixgagen für die großen Rennställe die "Königsklasse" kaputt und die Chancen der kleineren Teams zunichte machen, indem er auf geltende Abmachungen verweist. Nun schließt sich auch FIA-Präsident Jean Todt der Argumentation des Formel-1-Zampanos an: "Es frustriert mich, dass diejenigen, die klagen, auch diejenigen sind, die nicht den besten Deal gemacht haben. Warum haben sie dann unterzeichnet?"

Dass immer wieder an den Automobilweltverband herangetragen wird, dieser müsse in dieser Hinsicht für eine Verbesserung sorgen, ärgert Todt. "Erwartet man von der FIA, dass sie an der Verteilung der kommerziellen Rechte etwas ändert, gebe ich auf", schüttelt er den Kopf. "Wie soll ich mir etwas anmaßen, was nicht in unserer Verantwortung liegt?" Fakt ist: Seit Ende der Achtziger Jahre ist die Vermarktung der "Königsklasse", sowohl im Fernsehen als auch was die Rennveranstalter betrifft, Sache einer separaten Firma namens Formula One Mangement.

In Abwesenheit eines allgemeinen Concorde Agreements sind die vom FOM mit den Mannschaften auf individueller Basis geschlossenen Verträge bindend. Sauber, Force India, Lotus und Manor/Marussia ist dies ein Dorn im Auge, weil Ecclestone die Topkonstrukteure mit reichlich leistungsunabhängigen Boni belohnt. Seine Logik: Spielen die Superstars unter den Teams nicht mit, will auch keiner die Formel 1 sehen – und die Privatiers können erst recht kein Geld verdienen.

Am Mikrofon lästern, im Meeting schweigen?

Todt geht es aber offenbar auch gegen den Strich, in welcher Art und Weise aus den Reihen dieser Rennställe Kritik geübt wird. Fast jede Woche werden Warnungen und Untergangszenarien publik, doch hinter verschlossenen Türen seien die großen Mahner mucksmäuschenstill: "Es gibt ein, zwei oder drei Leute, bei denen ich mich gelegentlich beschwert habe. Ich nenne keine Namen, habe aber gesagt: 'Hört zu, ich habe eure Interviews gelesen, also warum bitte habt ihr im Meeting die ganze Zeit geschwiegen?'", so Todt.

"Jeder kann sich äußern", macht der Franzose klar und vermutet, dass hinter dem Schweigen keine Feigheit, sondern vielmehr Ratlosigkeit steckt. "Wenn sie Lösungen oder Vorschläge haben, dann bitte! Dann versuchen wir, sie umzusetzen; aber das ist gar nicht der Fall." Die Darstellung verwundert: Mit dem Vorschlag, ein gemeinsames Einheitschassis zu bauen, oder eine allgemeine Kostenobergrenze einzuführen, gab es insbesondere seitens Sauber und Force India durchaus Konzepte, die einen solchen Ansatz darstellen.

Todt betont, dass Verhandlungen über die bis 2020 juristisch wasserdichten Verträge erschwert würden, wenn die Profiteuere Ferrari, Red Bull Racing und McLaren mit den Vereinbarungen glücklich seien. Dabei stimmt er den kleinen Teams in einer Sache zu: "Ich bin jemand, der die Formel 1 für zu teuer hält", pflichtet der frühere Ferrari-Rennleiter bei, betont aber Errungenschaften selbst unter Mosley: "Sie ist günstiger als vor zehn Jahren. Es wurde vieles richtig gemacht, auch von meinen Vorgänger."

Der Brite ist weiterhin Verfechter einer Kostenkontrolle und sagte der BBC auch lange nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des FIA-Präsidenten noch: "Das fundamentale Problem ist, dass es so teuer wird, wenn man ausgeben kann, was man will. Zwei oder drei Teams an der Spitze investieren nach Lust und Laune, diejenigen im Hinterfeld geraten in Probleme." Mosley wünscht sich deshalb, dass die kleinen Teams mehr technische Freiheiten erhalten, sich dafür aber einer Budgetobergrenze beugen.

Antriebsfrage: Todt räumt Versäumnisse ein

Auch wenn Todt überzeugt ist, dass ihm teilweise die Hände gebunden sind, so räumt er in Sachen sportliches und technisches Reglement Versäumnisse ein: "Ich übernehme die Verantwortung dafür, für die Kunden nicht das Maximum eingespart zu haben. Wir müssen uns dem lieber jetzt als nie widmen." Gemeint sind die Turbo-Hybrid-Aggregate, die bei den Privatiers seit 2014 für das größte Loch in der Kasse sorgen – von einem Ausgabenplus von 20 Millionen Euro pro Jahr und mehr ist die Rede.

Für den Mangel an Spannung auf der Rennstrecke will Todt die Technik indes nicht verantwortlich machen. "Wir wissen: Wenn es neue Regeln gibt, erledigt ein Team oder ein Hersteller seine Arbeit besser als die anderen", kommentiert er die Überlegenheit des Mercedes-Werksteams. "Deshalb halte ich stabile Regeln für so wichtig, weil nach zwei oder drei Jahren die Dinge wesentlich balancierter sind."

Er ist vor dem Hintergrund einer (angeblichen) Ferrari-Aufholjagd sogar überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis drei bis vier Hersteller sehr nahe beieinander seien – drei bis vier wohl deshalb, weil derzeit unabsehbar ist, wann bzw. ob Neueinsteiger Honda es schafft, seine Antriebseinheiten nicht nur standfest, sondern auch leistungsfähig zu machen.

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