RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Immerhin: Die Rallye-WM kann nur noch besser werden…

Die neue World Rally Car-Generation feiert beim WM-Auftakt in Schweden Premiere. Ändert sich das Kräfteverhältnis? Oder bleibt es unspannend?

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Citroen, Ford, Rally & more, Photo4

Bei seinem Wien-Besuch, vor einigen Tagen, zeigte sich FIA-Präsident Jean Todt, früher selbst auf dem Rallye-Beifahrersitz unterwegs, von motorline.cc auf die gegenwärtige Krise der Rallye-Weltmeisterschaft angesprochen, als Champion. Im Schönreden. Und Hoffnung machen. Auf die Zukunft. Motto: Alles wird gut. Aber später. Jetzt noch nicht. Oder zumindest noch nicht ganz…

Doch wir Normalsterblichen, die wir uns nur an dieser einen Realität reiben können, befinden uns nun einmal in der Gegenwart – und in dieser wird am kommenden Wochenende die neue Rallye-WM in Schweden, in den Wäldern rund um Karlstad eröffnet. Und die Nennliste liest sich so, wie es in den letzten Jahren üblich war.

Immer noch ist die WM eine „Zweimarkengesellschaft“, mit Citroen und Ford sind nur zwei Hersteller mit von der Partie. Erst später in der Saison wird der neue MINI Countryman vom Stapel gelassen. In Schweden werden in der großen Spielklasse insgesamt 13 World Rally Cars an den Start gehen, vier Citroen und neun Ford.

Ausgeglichenes Kräfteverhältnis dank der neuen WRCs?

Die World Rally Cars der neuen Generation, wohlgemerkt – denn die FIA hat ab 2011 neue WRC auf Basis der Super 2000-Formel vorgeschrieben. Anstatt des Zweilitersaugermotors brüllt im Heck der neuen, kleineren S2000-WRCs ein 1,6 Liter-Turbomotor.

Ein Großteil der Hoffnung der WM-Macher basiert auf dieser Neueinführung. Sie soll Überraschungen bringen und das seit Jahren festgefahrene Kräfteverhältnis neu ordnen. Denn, so die Optimisten, der Unterschied zwischen Werks- und Kundenauto sollte zumindest am Saisonbeginn marginal oder zumindest geringer als üblich ausfallen.

Schließlich stehen sowohl das Citroen DS3 WRC als auch das Ford Fiesta RS WRC erst am Anfang ihrer Entwicklung.

David gegen Goliath

Doch immer noch handelt es sich beim Duell Ford gegen Citroen um eine Neuauflage von „David gegen Goliath“. Lediglich Citroen leistet einen wirklichen Werkseinsatz. Ford beauftragt schon seit Jahren die britische Rallyeschmiede M-Sport mit dem Projekt in der Rallye-WM – und M-Sport kann rein finanziell betrachtet genau so wenig wie Prodrive mit den allmächtigen Franzosen mithalten.

Zudem hat Citroen immer noch den ewig siegenden, quasi von den Kinderschuhen an auf das Siegen hin getrimmten Sébastien Loeb im Kader – seit Jahren angelt er sich Titel um Titel und sein Ziel ist auch heuer wieder die Verteidigung des solchen.

Loeb, ein genialer Fahrer, ansonsten aber ein gerne mit den Achseln zuckender Berufsphlegmatiker mit Hang zur leichten Überheblichkeit, dominiert die Rallye-WM wie einst Michael Schumacher die Formel 1.

Ford hingegen hat im Vorjahr auf den schon einmal, Ende 2004 als wenig erfolgreichen Subaru-Werksfahrer aussortierten Mikko Hirvonen als Titelkandidat gesetzt, der jedoch im Vorjahr völlig zusammenbrach, überhaupt nicht zurechtkam und sogar gegen seinen als klare Nr. 2 gesetzten Teamkollegen Jari Matti Latvala so gut wie keine Chance hatte.

Nichtsdestotrotz bleibt das Fahrer-Lineup beim Ford-Werksteam unverändert, wenngleich die Piloten nun gleichberechtigt sind, schließlich krönte sich Jari Matti Latvala zum Vizeweltmeister. Und: Wie immer erhält Khalid Al-Quassimi ein drittes Werksauto, um Sponsor Abu Dhabi zu befriedigen.

Paydriver & Berufssöhne statt Jungtalente

Wirkliche neue, junge und aufstrebende Talente sucht man derzeit vergeblich in der Weltmeisterschaft, wenn man von einem, in der WM auch nicht mehr ganz so neuen Sébastien Ogier absieht, der den lange Zeit im Schatten von Loeb dahin vegetierenden Dani Sordo im zweiten Werks-Citroen abgelöst hat.

Hinzustoßen konnten und werden heuer in der WRC-Klasse lediglich ein paar, mitunter auch nicht unbegabte Bezahlfahrer, die sich mit ihren dicken Geldbörsen die ersten Kundenexemplare der neuen WRC-Generation sicherten.

Dennis Kuipers wird in Schweden einen der Kunden-Fiesta pilotieren. Peter van Merksteijn junior, der sich ein DS3 WRC sichern konnte, hat auf die Auftakt-Rallye verzichtet, damit Ex-Weltmeister Petter Solberg teilnehmen kann. Daniel Oliveira respektive dessen Herr Papa konnte sich den ersten Kunden-MINI angeln, den er später in der Saison einsetzen wird.

Apropos Papa: Malcolm Wilson setzt natürlich wieder ein drittes Stobart Ford World Rally Car für den nach vielen Jahren immer noch mäßig begabten, aber leicht verbesserten Sohnemann Matthew ein. Die Kastanien respektive WM-Punkte sollen für Stobart Ford aber neuerdings Mads Östberg und abermals Henning Solberg aus dem Feuer holen.

Ilka Minor beim Reha-Training mit Trainerin Melanie Brandstätter.

Ilka Minor wieder mit Henning Solberg am Start

Der Bruder von Petter Solberg wird wieder von Co-Pilotin Ilka Minor begleitet. Die in Wien lebende Kärntnerin hat nach ihrem Wirbelbruch, den sie sich bei einem Ausritt von Manfred Stohl bei der Steiermark-Rallye zugezogen hatte, eine harte Zeit der Rehabilitation hinter sich. Die Rückenmuskulatur musste wieder neu aufgebaut werden.

Das große Comeback fand bereits statt – doch bei der Rallye Monte Carlo waren Henning Solberg und Ilka Minor nicht lange im Einsatz. In einer Reportage der Zeitschrift Rally & more erzählte Minor von ihrem Training: „Es war nicht immer leicht, aber dann dachte ich immer: Ich habe ein Ziel, die Monte, also muss ich auch etwas dafür tun. Nachdem ich mich im Vorjahr dafür entschieden habe, jetzt nur noch Motorsport zu machen, war klar, dass ich mich nur auf dieses eine Ziel konzentriere.“

Auch Minor hofft, dass die Schere zwischen Werks- und Kundenautos bei der neuen WRC-Generation noch nicht so weit auseinander klafft, wie dies zuletzt bereits der Fall war.

Henning Solberg erwartet sich einiges von der Schweden-Rallye: „Schnee liegt mir einfach am besten. Und ich bin mit dem Fiesta vertraut.“ Die S2000-Variante fuhr er im Vorjahr bei einigen WM-Läufen außerhalb der SWRC – und war dabei oft das schnellste Auto dieser Kategorie…

Skandinavier beherrschen die Schweden-Rallye

Spitzenplätze kann man neben den vier Werkspiloten Loeb, Ogier, Hirvonen und Latvala auch Petter Solberg (setzt einen DS3 mit dem eigenen Team ein) zutrauen. Doch auch ein Kimi Räikkönen peilt einen Top 6-Platz an – der frühere Formel 1-Champion musste ein eigenes Team gründen, da Citroen heuer kein Junior-Team einsetzt.

Glänzen konnte Ken Block bislang mit tollen Action-Videos und auch der Präsentationsclip seines neuen Monster Ford Fiesta RS WRC wurde sehr fetzig und kam bei den Fans gut an. Ergebnisse kann Block bislang noch keine nennenswerten in der WM aufweisen.

Ein weiteres Fiesta World Rally Car der neuen Generation wird Per Gunnar Andersson in der großen Spielklasse an den Start bringen.

In der WM an sich gilt Sébastien Loeb wie schon die letzten Jahre über als klarer Topfavorit. Doch in Schweden herrschen andere Gesetze: Dort sind die Skandinavier, wenig überraschend, die klare Nummer eins. So konnte im Vorjahr sogar der glücklose Mikko Hirvonen einen Sieg einfahren. Loeb konnte sich im hohen Norden zuletzt im Jahr 2004 durchsetzen.

Der Lauf in Schweden zählt auch zur seriennahen PWRC - dort haben sich 18 Piloten eingetragen. Als Favorit gilt Patrik Flodin auf seinem Subaru Impreza. Mit dabei sind aber auch Kaliber wie Michal Kosciuszko oder Hayden Paddon. Auch Martin Semerad und der junge Harry Hunt sind am Start. Die SWRC und die neue Nachfolgeserie der JWRC, die WRC-Academy, starten erst später in die neue Saison.

Über 200 km/h auf Spikes

Auf den vereisten Straßen in den Wäldern rund um Karlstad werden die Spikereifen der zurückgekehrten Firma Michelin zum Einsatz kommen. Zudem ist auch die Firma DMACK als Reifenlieferant eingestiegen, die Alleinausrüstung in der WM ist damit wieder Geschichte.

In der Stadt Karlstad werden der zeremonielle Start am Donnerstagabend, zwei Superspecial-Prüfungen und die Siegesfeier absolviert. Der Servicepark befindet sich beim rund 85 Kilometer entfernten Flughafen von Hagfors.

Der Großteil der elf jeweils zweimal befahrenen Sonderprüfungen befindet sich in den Wäldern von Varmland und Dalarna. Dort werden Spitzengeschwindigkeiten über 200 km/h erreicht, die Temperatur wird dort an die minus zwanzig Grad Celsius betragen. Die Piloten beziehen die Schneewände mit in ihre Fahrt ein und verwenden diese, um sich daran „anzulehnen“.

Premiere der „Power Stage“

Am Sonntag wird auch die so genannte „Power Stage“ ihre Premiere erleben. Die SP „Gustavsfors“, die zuletzt in den Achtzigerjahren befahren wurde, wird vom neuen TV-Partner Sport1 live übertragen, zudem werden die Top 3 der Prüfung mit Bonuspunkten belohnt. Die Liveübertragung der SP ist ein lobenswerter erster Schritt in die richtige Richtung…

Bedenkt man die TV-Aufbereitung der Rallye Monte Carlo, welche abermals die Konkurrenzserie IRC als Opener aufweisen konnte, wirkt die „Power Stage“ der WRC wie ein zaghafter Versuch. „Wir stehen am Anfang“, gab Jean Todt im Rahmen seiner Wien-Pressekonferenz auch offen zu…

Auf dem News-Portal des erwähnten TV-Senders und neuen Partners sucht man übrigens vergeblich ein Feature zur Rallye-WM oder der bevorstehenden Schweden-Rallye. Eine eigene Rubrik „Rallye“ gibt es nicht.

Einen großen Vorteil weist die neue, noch jungfräuliche Rallye-Weltmeisterschaft aber allemal auf: Es kann tatsächlich nur noch besser werden…

News aus anderen Motorline-Channels:

Rallye-WM: Schweden

- special features -

Weitere Artikel:

Mit der slowenischen Rally Vipavska Dolina steigt am Wochenende der Saisonauftakt der Austrian Rallye Challenge. ART-Champion Daniel Mayer hat dort sogar Chancen auf den Gesamtsieg. Der Alpe Adria Rally Cup startet seinen zweiten Saisonlauf.

ERC, Gran Canaria: Etappe 1

Wagner hofft auf Sprung nach vorne

Simon Wagner nach der ersten Etappe der Gran Canaria Rallye auf Platz 14 - Hermann Neubauer auf Platz 23. Waldherr Motorsport mit Chancen in der ERC4.

Murtal Rallye: Änderungen

Hohe Attraktivität trotz hoher Hürden

Auch behördliche Eigenwilligkeiten hindern Veranstalter Willi Stengg und Peter Hopf nicht an einer superspannenden ET König Murtal Rallye am 14./15. Juni

Raimund Baumschlager im Interview

„Andere wären froh mit meinen SP-Zeiten“

Raimund Baumschlager zündet im Murtal wieder einen BRR-Skoda. Mit 64 hat er gegen junge Kaliber wie Simon Wagner das Nachsehen. Wie geht der frühere ORM-Dominator mit diesen ungewohnten Bedingungen um? Wir haben nachgefragt…

Die Kolumnen von Achim Mörtl polarisieren, für die einen ist er Nestbeschmutzer, den anderen zu milde. Der Kärntner erklärt die Motivation hinter seinen Kolumnen und warum er immer die höchsten Ansprüche an sich selbst stellt.