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Rallye-ÖM: Castrol-Rallye

Im Gespräch mit Beppo Harrach

Beppo Harrach spricht im motorline.cc-Interview nicht nur über jenen vermeintlichen flexiblen Heckflügel, der zur Anekdote des Jahres werden könnte…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl/www.motorline.cc

Ein Raunen und ein Tuscheln ging durch den Servicepark zu Aichfeld, Schilderungen wurden ausgetauscht, Fotos machten die Runde: Der Heckflügel des Mitsubishi Lancer Evo IX des Siegerduos Beppo Harrach und Andreas Schindlbacher war das Objekt der Begierde.

Die Fotos zeigten eindeutig, dass der Flügel auf den schnellen Teilen der Prüfungen in der Mitte eingeknickt war, auf den langsamen Passagen jedoch war er wieder normal. Jeder, der sich mit einem Zwanzigstel seines Gehirns für die Formel 1 interessiert, hat nun sofort gewusst: Das ist ein Flexi-Wing! Das kann nur ein Flexi-Wing sein!

Für den Rest sei erklärt: Flexi-Wing bedeutet flexibler Flügel. Im Falle von Harrach würde das bedeuten: Auf den langen Geraden knickt der Flügel ein und hat somit weniger Luftwiderstand – nur auf den langsamen Passagen steht er wieder in voller Pracht, um seiner Funktion zu entsprechen, aerodynamischen Abtrieb zu erzeugen.

Der erste Flexi-Wing im Rallyesport?

Beppo Harrach muss lachen. „Ich habe die Story schon am Sonntag mitbekommen und musste sanft lächeln.“ Was ist nun wirklich dran am Flexi-Wing? Harrach erklärt: „Als uns die Heckscheibe gebrochen ist, wurde auch der Heckflügel beschädigt, ein paar der Lamellen sind gebrochen. Man konnte den Flügel mit dem Finger nach unten drücken. Bei jedem Sprung und bei jeder Belastung knickte er also ein. So entstand der Eindruck, es handle sich um einen flexiblen Flügel. In Wahrheit jedoch machten wir uns Sorgen, dass er während der Rallye endgültig bricht. So ein Teil ist nicht gerade billig, er kostet rund 1500 Euro.“

Nebenbei bemerkt: Eine Weiterentwicklung des Flügels wäre illegal, denn es müssen in der Gruppe N bekanntlich Serienteile verwendet werden. Selbst im R4-Kit braucht man nicht nach einem flexiblen Heckflügel Ausschau zu halten...

Beppo Harrach fügt noch amüsiert hinzu: „Ich gebe zu bedenken, dass Aerodynamik erst bei 180 km/h zu wirken beginnt. Zudem steht der Heckflügel des Evo IX ohnehin eher flach im Wind. Es würde also überhaupt keinen Sinn ergeben, in diese Richtung zu entwickeln, zumal es eben auch gar nicht erlaubt wäre.“

Österreich im Ausnahmezustand?

Dass derart absurde, wohl aber äußerst unterhaltsame Gerüchte wie jenes über den vermeintlichen Flexi-Wing tatsächlich im Umlauf waren, zeugt davon, dass die Siegesserie des Beppo Harrach vielen ein Rätsel, vielen ungeheuer ist.

Dass ein Evo IX konsequent einen S2000 schlägt, weckt naturgemäß Misstrauen. Zumal ein Raimund Baumschlager bis vor kurzem die Rallye-ÖM dominiert hat…

Beppo Harrach sagt dazu: „Man darf nicht vergessen, dass Raimund heuer schon öfter Fehler gemacht hat. Da eine falsche Reifenwahl, hier eine Belüftung nicht aufgedreht, dort den Wagen ‚überfahren’ – zudem spielt heuer das unberechenbare Wetter in unsere Hände. Ich rechne daher auch nicht damit, dass wir beispielsweise in Marburg wieder gewinnen können. Wenn eine Rallye für die S2000-Autos geeignet ist, dann ist es die Maribor-Rallye. Und dort wird es auch mit Sicherheit trocken sein.“

Außerdem sei Österreich nicht das einzige Land, in dem ein Evo IX-Pilot die S2000-Konkurrenz schlägt. Harrach sagt: „In Ungarn beispielsweise liegt ein Mitsubishi-Pilot vor den S2000-Konkurrenten.“ Tatsächlich konnte György „Asi“ Aschenbrenner mit dem Sieg bei der Miskolc-Rallye, vor drei S2000-Piloten, die Führung in der ungarischen Staatsmeisterschaft übernehmen.

Bei der slowenischen Saturnus-Rallye setzte sich Vaclav Pech in einem Evo IX mit R4-Kit gegen Skoda Fabia S2000-Pilot Piero Longhi durch, mit einem Vorsprung von mehr als einer Minute.

Harrach dazu: „Oft heißt es dann, dass es so etwas nur im Osten geben würde, weil im Osten angeblich so wenig kontrolliert wird. Nur liegt auch in der britischen Meisterschaft ein Evo IX-Pilot, David Bogie heißt er, unangefochten in Führung – und England liegt meines Wissens nach ganz und gar nicht im Osten.“

Wie viel R4 ist drin im Harrach-Evo?

Der „gute alte“ Evo IX taugt also immer noch zum Siegen – er ist quasi das bewährte „Hausmittel“, in gewissem Maße „berechenbar“, gutmütig. Ein S2000 ist dagegen eine giftige Rakete, die den kleinsten Fehler bestraft.

Mit dem R4-Kit soll der Gruppe N-Bolide näher an die S2000 heran gebracht werden. Harrach erinnert daran, dass „ein S2000 rein technisch betrachtet immer noch das bessere Auto ist“.

Wie viel R4 befindet sich eigentlich im Auto von Beppo Harrach? Der ÖM-Leader antwortet: „Wir haben ungefähr ein Drittel des möglichen Kits eingebaut.“

Die Uniball-Gelenke in der Radaufhängung beispielsweise hat Harrach ganz bewusst nicht einbauen lassen: „Damit hast du eine viel exaktere Lenkung, was an sich ein großer Vorteil ist. Nur musst du dich daran als Pilot erst gewöhnen, du musst dich umstellen, das geht nicht von heute auf morgen – da müsste man vorher ausgiebig testen. Wir werden sehen, was wir im Laufe der Zeit noch an R4-Elementen hinzufügen werden. Wir lassen das noch offen.“

Natürlich ist bekannt, dass es zurzeit einen Engpass bei den Uniball-Gelenken für Evo IX gibt. Aber diese Herangehensweise, dass man einen Schritt weiter denkt, dass man also nicht einfach die Uniball-Gelenke einbaut, weil sie am Papier so und so viele Zehntel bringen – sondern dass man die Konsequenzen daraus bedenkt, nämlich eine nötige Umstellung im Fahrstil...

...diese vorausschauende Umsicht, dieses Bedachtsein auf Stabilität trägt wohl ein Scherflein dazu bei, dass Beppo Harrach zurzeit auf der Erfolgswelle schwimmt...

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