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Rallye-ÖM: News

„Wollen“ statt „Müssen“

2016 wird für WRC-Pilot Hermann Neubauer zur Schlüsselsaison – doch mit dem ersehnten Staatsmeistertitel hat das nur peripher zu tun…

Kommentar von Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl

Im motorline.cc-Telefonat erzählte ein bestens gelaunter und hoch motivierter Hermann Neubauer von den Monaten voller harter Arbeit - von der Projektplanung bis hin zum „Klinkenputzen“ bei etlichen potentiellen Sponsoren. Die Arbeit hat sich gelohnt, am vergangenen Dienstag haben der Salzburger und sein langjähriger Freund und Teamchef Max Zellhofer ihr Projekt für die ORM 2016 vorgestellt: Mit einem großartig gestylten Ford Fiesta RS World Rally Car soll der Staatsmeistertitel eingefahren werden.

Grundsätzlich haben Neubauer und das Team von Max Zellhofer für bestmögliche Voraussetzungen gesorgt: Das ZM Ford Fiesta WRC ist zwar nicht die allerneueste Version aus dem Hause M-Sport, doch es befindet sich im Besitz des Zellhofer Motorsport Teams und wird von diesem auch eingesetzt. Diese Kontinuität in der Zusammenarbeit sorgt für ein vertrautes Umfeld, zudem sind so auch die oftmals vernachlässigten, gerade beim Umstieg in ein solches Fahrzeug lebenswichtigen Testfahrten relativ einfach umzusetzen. So sind auch im Vorfeld der Auftaktrallye im Rebenland Testfahrten vorgesehen.

Auch beim Copiloten setzt Neubauer auf Kontinuität - mit dem smarten und erfahrenen Bernhard Ettel ist er bereits bestens eingespielt.

Technisch betrachtet ist Hermann Neubauer nun für den Kampf gegen Serienstaatsmeister Raimund Baumschlager gerüstet: Auch eine etwas ältere Version eines modernen World Rally Cars ist einem R5 klar überlegen, selbst wenn der Skoda Fabia R5 aus dem Hause Baumschlager Rallye Racing zur Creme seiner Klasse zählt. Nicht vergessen sollte man zudem, dass der 27-jährige Neubauer am Zenit seiner körperlichen Leistungsfähigkeit steht und dabei immerhin schon auf acht Jahre Rallyesport zurückblicken kann. Baumschlager hingegen ist fast doppelt so alt wie der Salzburger – in einem Kampf um jede Zehntelsekunde wird wohl auch der bestens trainierte 56-Jährige seinem biologischen Alter Tribut zollen müssen.

Dem großen Ziel des Hermann Neubauer, heuer die Titelserie des Rekordchampions zu stoppen und sich selbst zum neuen Rallye-Staatsmeister zu küren, könnte somit eigentlich nur noch einer im Wege stehen: Hermann Neubauer.

2014 als Hardcore-Lehrjahr

Wir erinnern uns: Im Vorjahr sorgte die OSK mit ihrer wenig durchdachten und nach zwei Rallyes zurückgenommenen Tankstellenspritregel für den verärgerten Ausstieg eines schwer enttäuschten Hermann Neubauer. Doch schon 2014 war Neubauer von seinem Speed her bereits in der Lage, in einem vergleichsweise alten S2000 den top ausgerüsteten Baumschlager herauszufordern und sogar auch zu besiegen. Dass Neubauer 2014 trotzdem ohne den ersehnten ersten ORM-Sieg blieb, hat er zu einem großen Teil sich selbst zuzuschreiben. Zu groß war der Druck, den sich der Salzburger selbst auferlegt hatte…

Damals stellte man sich des Öfteren die Frage: Wie kann ein so netter und umgänglicher Mensch dermaßen grausam im Umgang mit sich selbst sein? Als er 2014 einmal mehr kurz vor dem Ziel in Führung liegend die Nerven und sein Auto weggeworfen hatte, wollte sich Neubauer die Höchststrafe geben: den Rücktritt vom geliebten Rallyesport. Kein noch so "strenger" Journalist oder Fan hätte eine solche Konsequenz auch nur angedacht…

Zum Siegen verdammt?

Für 2016 hat Hermann Neubauer den Druck auf sich selbst gewaltig erhöht: Mit dem WRC soll nicht nur der erste Sieg gefeiert, sondern auch gleich die Meisterschaft errungen werden. Sollte Gerwald Grössing wie von ihm befürchtet tatsächlich aus beruflichen Gründen aussetzen müssen, wäre Neubauer mit dem einzigen WRC quasi zum Siegen verdammt.

Für die mit Spannung erwartete Rallye-Staatsmeisterschaft 2016 wird also entscheidend sein, ob Hermann Neubauer einen Weg gefunden hat, mit dem hohen und heuer noch höheren Erwartungsdruck umzugehen und sich selbst weniger hart unter Zugzwang zu stellen. Freilich: Wirkliche Spitzensportler zeichnen sich gerade auch dadurch aus, dass sie stets ihre eigene Maximalperformance einfordern – in diesem Punkt braucht man sich keine Sorgen um Hermann zu machen, er lebt für den Sport, ist hungrig nach dem Erfolg und will stets sein Bestes geben.

Komplettpilot

2016 wird für Hermann Neubauer ganz sicher zu einer Schlüsselsaison – doch dabei geht es eigentlich gar nicht so sehr darum, ob er heuer Champion wird oder vielleicht „nur“ den ersten Sieg einfährt und womöglich 2017 den Titel holt. Es geht vielmehr darum, ob er in der Zwischenzeit gelernt hat, sich selbst Fehler zu verzeihen und sich nicht mehr so grausam das "Messer" anzusetzen.

Es klingt so einfach, wenn man sagt: Hermann braucht nur das „Müssen“ durch das „Wollen“ ersetzen - doch genau das ist der Schlüssel zu einer Zwanglosigkeit, die den Ausnahmekönner zum Komplettpiloten machen wird. Wir wünschen Hermann Neubauer jedenfalls von ganzem Herzen, dass ihm das gelingt und dass er richtig viel Freude beim WRC-Fahren hat. Alles andere kommt dann ohnehin ganz von selbst…

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