CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

König der Kleinwagen – Teil 1

Der Weg vom Motorrad-Rennfahrer Karl Abarth zum berühmten Konstrukteur und Hersteller Carlo Abarth nimmt seinen Anfang in Wien.

KR Franz Steinbacher; Bilder: Archiv Steinbacher, Werk

Karl Abarth wechselt mit 16 Jahren gewissermaßen fliegend von der Schule in die feinmechanische Werkstätte Castagna & Co.in Wien. Ein kurzes Zwischenspiel ohne Motor absolviert er beim Wiener Fahrradhersteller „Degen“.

Mit 19 ist er am Ziel seiner Träume: Er wechselt er als Mechaniker in die damals überaus renommierte Motorrad-Fabrik MT (Motor Thun) des Trentiner Grafen Max von Thun.

1929 erfüllt sich Karl Abarth seinen ersten Lebenstraum, er konstruiert und baut sein erstes eigenständiges Motorrad mit einem 250ccm-Motor. Zum ersten Mal erscheint der Schriftzug „Abarth“ an einem Fahrzeug.

Erfolg als Rennfahrer

Davor gab es für ihn im Frühling 1928 beim Großen Preis von Österreich für Motorräder als Ersatzfahrer der MT-Werksmannschaft eine Trainingsbestzeit in der 250er Klasse.

Im Rennen kam das Aus nach wenigen Metern durch einen technischen Defekt - die kurze Vorstellung war aber so beeindruckend, dass er von diesem Zeitpunkt im Sattel einer Werks-DKW saß - und siegte.

1930 beendete ein schwerer Rennunfall mit Serienbrüchen an den Beinen vorübergehend seine Karriere. 1932 kehrt er mit einer von ihm komplett umgebauten Sunbeam-Sport 90TT mit Beiwagen zurück.

1934, für die Wettfahrt gegen den Orient-Express von Wien nach Ostende, gibt es erstmals ein Sponsoring durch die britische Ölfirma Castrol. 1935 folgte die Königsidee, Karl Abarth erfindet den umlegbaren Beiwagen, und fährt damit von Sieg zu Sieg.

Beginn der Auto-Ära

Unmittelbar nach dem Krieg übernimmt er gemeinsam mit Ing. Rudolf Hruska, dem späteren „Vater des Alfasud, dank der Vermittlung durch Tazio Nuvolari die Leitung für das von Porsche konstruierte Cisitalia GP-Projekt des Turiner Industriellen Piero Dusio.

Beim 360 GP handelt es sich für damalige Zeiten um ein sensationelles, vierradgetriebenes Grand Prix Auto mit einem 1500 ccm, Zwölfzylinder Mittelmotor mit Kompressor und rund 400 PS. Leider konnte das Projekt aus Geldmangel nie realisiert werden. (Zwei dieser Fahrzeuge haben aber überlebt: eines steht heute im Porsche-Museum in Stuttgart, eines im Museum der britischen Rennstrecke von Donington Park.)

Darüberhinaus kümmert sich „Carlo“, wie er sich jetzt nennt, um die Renneinsätze des kleinen Cisitalia-Monoposto D46. Am 15. April 1949 scheidet Carlo Abarth bei Cisitalia aus und gründet mit Hilfe der Industriellen-Familie Scagliarini die "Societa Abarth & Co." in der Turiner Via Trecate 10.

Als Startkapital bringt Abarth einen D 46 mit 1200 ccm Motor, zwei Fahrzeuge vom Typ „Sport 204“, sowie einige Fahrgestelle und Ersatzteile mit in die neue Firma ein.

Im Herbst 1952, auf dem Turiner Automobil-Salon kehrt Abarth mit einem, aus dem neuen Fiat 1400 abgeleiteten Coupé-1500, karossiert bei Bertone, ins automobile Geschehen zurück. Das Auto war so beeindruckend, dass ein Direktor der Firma Packard das Fahrzeug vom Salon weg kaufte und in die USA mitnahm. Diese Aktion war das Thema in den italienischen Medien.

Abarth im Aufschwung

1955 präsentierte man auf dem New Yorker Automobilsalon mit dem bei Boano in Turin karossierten Typ 207-A, einen der elegantesten Rennsport-Roadster aller Zeiten. Dieses Jahr bedeutete für die junge Firma Abarth u. Co. auch den Aufbruch in eine völlig neue Dimension.

Am 12. März zeigte Fiat auf dem Genfer Salon den neuen 600, der in der Folge eines der erfolgreichsten Modelle aller Zeiten, der Turiner werden sollte. Der neue Fiat 600 wird für die nächsten Jahre zur historischen Grundlage von Abarth u. Co.

Erstmals widmen die PS-Zauberer rund um Carlo Abarth, einem Großserien-Fahrzeug ihr ganzes Können, und was dabei herauskam, das konnte sich wahrlich sehen lassen. Jahrzehnte vor dem Golf GTI baute man mit dem Fiat Abarth 750 ein Serienauto mit Sportwagen-Feeling.

Der Fiat 600 sollte für das nächste Jahrzehnt, in den unterschiedlichsten Variationen bis 1200ccm, die Basis für das Wirken von Abarth u. Co. werden.

Die 1960er

Mit dem 1960 auf dem Turiner Salon erstmals präsentierte, von Zagato mit einer atemberaubenden Karosserie eingekleideten „1000-Bialbero“ gewinnt Abarth erstmals auch einen WM-Titel in der kleinen Gran Turismo Kategorie bis 1000 ccm.

Ab 1958 gibt es eine vertragliche Vereinbarung mit Fiat, wonach jeder Rennsieg für Abarth in bare Münze umgewandelt wird. In der Zeit von 1956 bis 1971 wurden mit Abarth-Fahrzeugen in aller Welt, zum überwiegenden Teil auf Fiat-Basis, über 7.300 Siege errungen. Eine wohl einmalige, über 15 Jahre andauernde „Siegesstory“.

Die 60er Jahre waren für Abarth so etwas wie ein scheinbar nicht enden wollendes Feuerwerk im internationalen Motorsport. Kaum eine Kategorie, kaum ein Klasse, in der die „Scuderia Abarth“ nicht aufgetreten ist, und gesiegt hat.

Und wenn man in einer Kategorie nicht am Start war, wie in der Formel-1 oder der großen Prototypen-Klassen, so hat man in der Versuchsabteilung daran gearbeitet oder zumindest darüber nachgedacht.

Weltmeister

Am 23. März 1962 erlebte Abarth mit dem 1000 Bialbero beim 3-Stunden-Rennen von Sebring in Florida einen seiner größten Erfolge. Der rennsportbegeisterte Gentleman Briggs Cunningham setzte zwei dieser kleinen GT ein.

Vom Start weg ging Rennlegende (Sir) Stirling Moss auf dem Austin-Healey Sprite, einem Werksauto von BMC, in Führung. Es dauerte bis 5 Minuten vor Rennende, bis der neue Abarth-Werksfahrer Bruce McLaren, stets gejagt von seinem Teamkollegen Walt Hansgen, die Führung übernahm und damit Abarth zu einem grandiosen Doppelsieg verhalf. Moss musste sich mit Platz 3 begnügen

Dieser Doppelsieg, mit Alfons Thiele und Mauro Bianchi auf den Plätzen 4 und 5, war auch der Grundstein für Abarths allerersten WM-Titel in der kleinen GT-Klasse.

Das zweite Rennen zur Marken-WM fand am 1. Mai 1962 auf dem Circuito del Garda in Salò statt und mündete in ein Duell zwischen dem englischen Enfant Terrible Innes Ireland und dem unvergessenen Ludovico Scarfiotti, der am Ende mit einem hauchdünnen Vorsprung die Nase vorne hatte.

Abarth-Rennwagen eilten Woche für Woche, von Sieg zu Sieg, egal ob am Circuito di Monza, am Nürburgring oder beim „Monte de la Lure-Bergrennen“. Von nun an gab es keine Rennen, bei dem nicht zumindest ein Abarth (meistens aber mehrere) als Sieger abgewunken wurden.

Hier geht's zu Teil 2 der Abarth-Story!

Zum Autor: Franz Steinbacher war von Herbst 1962 bis Ende 1967 (mit einer Unterbrechung 1965 zwecks Ableistung des Militärdienstes) bei Abarth am Turiner Corso Marche 38 als Renn-Mechaniker beschäftigt. Auf persönlichen Wunsch von Signor Abarth durchlief er - vor allem während der rennlosen Wintermonate - angefangen vom Motoren- und Getriebebau bis hin zum Leistungsprüfstand praktisch alle Spezial-Abteilungen der Turiner Edelschmiede.

Während seiner Jahre in der Rennabteilung, gerne auch die goldenen Sechzigerjahre genannt, wurden bei Abarth insgesamt 5 Weltrekorde, 112 internationale Rekorde, 5 Gran Turismo WM-Titel, 2 europäische Tourenwagen-Titel und jede Menge nationale Meistertitel errungen.

Heute betreibt Franz Steinbacher gemeinsam mit seiner Frau Riki, einer ehemaligen Castrol Werbe- und Presse-Lady, ein Sachverständigen-Büro in Wien, mit Spezialisierung auf den nationalen und internationalen Oldtimerbereich und, wie könnte es bei dieser Vergangenheit auch anders sein, mit einem großen Schwerpunkt auf die Rennsportwagen der Nachkriegszeit.

Seit knapp 20 Jahren publiziert Franz Steinbacher auch regelmäßig in einschlägigen Motor-Magazinen zum Thema “Beurteilung und Bewertung von historischen Fahrzeugen”.

News aus anderen Motorline-Channels:

100 Jahre Carlo Abarth

Weitere Artikel:

Wenn zwei sich helfen

Helden auf Rädern: Renault Alliance

Optisch knapp am 9 dran, war der Renault Alliance nicht nur ein völlig anderes Auto. Eigentlich war er nicht einmal ein französisches. Und es rettete einen Konzern, wenn auch nur kurz.

Zusammentreffen am Ludwig-Parkplatz

Heiße Mischung: US-Cars und -Bikes

MattzGarage lädt zum gemütlichen Treffen am 2. September: In erster Linie werden sich wohl Autos und Motorräder aus dem Land der Stars & Stripes im 22. Bezirk in Wien einfinden. Eingeladen sind aber alle Oldies.

Trotz Wetterkapriolen auch heuer ein Highlight

Ennstal-Classic 2023: Die Zusammenfassung

Ein neues Reglement, das noch mehr Spannung versprach, ein Wiederholungssieger, mit dem zu rechnen war und Wetterkapriolen, die es den Teilnehmern schwer machten, erfolgreich durchzukommen. Das waren die Ingredienzien der 31. Auflage der Ennstal-Classic 2023.

Die Rache der Kamele

Helden auf Rädern: Sabra Sussita

Wo vor rund 50 Jahren überall Autos gebaut wurden, ist in der zentralisierten Industrie der Moderne kaum vorstellbar. So gab es auch in Israel einst zivile Herstellung, wobei der Sabra streng genommen ein halber Brite war.

Die Mühen vieler Väter

Helden auf Rädern: Audi 60

Schöne Audis heißen Avant. Früher aber nicht, wobei es Anfangs nicht einmal für einen Beinamen gereicht hat. Die „60“ bekam der F 103 als erster Nachkriegsaudi auch erst später verpasst.

Kein Schreibfehler

Helden auf Rädern: VW Logus

Bevor jetzt jemand Witze über den Namen macht: Der VW Logus war ein ernstes, für den spezifischen Markt perfekt zugeschnittenes Modell. Doch wenn sich die Chefs streiten, muss irgendjemand halt draufzahlen.