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Manfred Stohl im motorline.cc-Exklusivinterview, Teil 3

Teil 3 des mehrteiligen Gesprächs mit Manfred Stohl: Über die teure Kostenreduktion, den Einheitsreifen, disziplinierte Zuschauer und dumme Steinewerfer.

Stefan Schmudermaier (STS) & Michael Noir Trawniczek (MNT)

STS: Unterm Strich kann man wohl sagen, dass sämtliche Kostenreduzierungsprogramme der FIA "für die Fische" waren, oder?

Na sicher. Es ist völlig egal, was die FIA in punkto Kostenreduzierung macht, denn es ändert nichts. Das eingesparte Geld wird woanders investiert.

STS: An die aktiven und passiven Differenziale denkt heutzutage gar keiner mehr.

Ja genau. Jetzt bauen wir halt Autos, die so leicht sind, dass du rund um dich nur noch Bleiplatten hast und dass man zu sechst den Unterschutz montiert, weil er so schwer ist. (Gelächter). Also das kann man vergessen.

STS: Das ist ohnehin ein Kampf gegen Windmühlen. Wenn du in einem Bereich etwas limitierst, arbeiten dann eben 15 Ingenieure in einem anderen Bereich.

Das sehe ich auch so. In der Obersten Klasse des Motorsports gibt es keine Kostenreduktion. Wie du schon gesagt hast: Wenn der heute sagt, dass wir das Gewicht von 1200 auf 1500 Kilogramm erhöhen - dann werden genauso leichte Autos gebaut - nur haben wir dann halt noch mehr Blei im Auto. Und wenn die FIA sagt, die Motoren müssen mindestens zwei oder drei Rallyes halten, dann sitzen mindestens 20 Ingenieure und bauen Motoren, welche bei doppelter Lebensdauer die gleiche Leistung abgeben.

MNT: Die Sparmaßnahmen kosten dann ja eigentlich noch mehr als es ohne sie kosten würde...

Naja, es ist nicht so, dass sie mehr kosten - in Summe bleiben die Kosten einfach gleich.

STS: Was sagst du dazu, dass der Reifenhersteller Pirelli nächstes Jahr Alleinausrüster in der Rallye-WM wird? Du bist ja ein Pirelli-Mann, oder?

(lacht) Ja, also ich sag' da jetzt nichts dazu. Für mich ist das okay. Wenn es Pirelli ist - ja, dann nehme ich das zur Kenntnis. Und es stört mich überhaupt nicht. (lacht) Im Ernst: Ich glaube, dass in dieser Frage noch nicht aller Tage Abend ist - da wird es sicher noch ein paar tiefgehende Gespräche in der französischen Justiz geben. Ganz ehrlich: Mir ist das egal, mir ist es wirklich egal.

STS: Und wenn es für alle die gleichen Reifen gibt, ist das sowieso kein so großes Thema...

Dass sie in der WRC einen Einheitsreifen haben wollen - okay, von mir aus sollen sie das tun, aber: Ich bin kein Freund dieser Lösung. Denn ich finde, es gehört eine Competition her! Aber dass man das heute auch in der Gruppe N vorschreibt - das finde ich schlimm. Weil ich kann dir sagen: Von den 25 PWRC-Autos, die in der WM fahren, gibt es fünf, die von ihrem Reifenhersteller leben, wo die Saison vom Reifenhersteller finanziert wird. Und diese fünf fallen dann weg, weil sie kein Budget mehr zusammenbringen.

Und ich als Unternehmer und Rennstallbesitzer kann dir auch sagen: Ich habe Firmen da stehen - Reifenhersteller, große, keine österreichischen Firmen. Der sagt: 'Ich will deine PWRC-Autos haben - was kostet das?' Irgendein großer Reifenhersteller, der im Rallyesport nicht aktiv ist. Und dann muss ich sagen: 'Du, das ist alles gut und schön, aber das gibt es ab nächstes Jahr nicht mehr.' Das finde ich einfach schlecht.

Ich finde einen Einheitsreifen allgemein schlecht. Aber leider ist die Reifengeschichte in letzter Zeit ein bisschen aus den Fugen geraten. Ich sehe nicht einmal das Problem darin, dass der eine Reifenhersteller so überlegen ist - ich denke, der eine Hersteller hat einen bestimmten Bereich, in dem er gut ist und der andere einen anderen Bereich, in dem wiederum er besser ist.

Ich finde einfach, dass ein guter Wettkampf immer gut ist. Und damit wird der Sport auch interessanter. Es war in der Formel 1 auch interessanter, als plötzlich Michelin bei Trockenheit so schnell war und Bridgestone wiederum bei Nässe schneller war. Und bei jedem Rennen hat es plötzlich andere Sieger gegeben. Wenn alle mit den gleichen Rädern antreten, dann wird Ferrari das ganze Jahr über in einer eigenen Liga fahren.

STS: Verfolgst du die Formel 1 intensiv?

Nicht intensiv - aber jetzt, wo mein Freund und österreichischer Hero (Alex Wurz, d. Red.) fährt, da muss ich wieder Formel 1 schauen - das ist eh klar.

MNT: Du hast bei der Portugal-Rallye angeblich gegenüber einer Tageszeitung gesagt, du würdest die Menschen als Bäume betrachten, weil sie den Autos so nahe kommen und sie die Autos am liebsten streicheln würden und dass du , wenn du realisieren würdest, dass es sich um Jugendliche handelt, gar nicht mehr fahren könntest.

Das habe ich ganz sicher nicht so gesagt. Und es wäre auch nicht sehr clever, so etwas zu sagen, weil das ein Außenstehender sehr schnell fasch verstehen kann.

MNT: Aha. Obwohl: Ich könnte es gut verstehen.

Ja, aber es gab in Portugal kein Problem mit den Zuschauern - außer beim Shakedown. Wenn du andere Rallyes kennst oder wenn du Portugal von früher gekannt hast, dann war das wie Tag und Nacht. So weit entfernt habe ich die Zuschauer noch nie stehen gesehen. Die Ilka [Minor, Kopilotin, d. Red.] sagte: 'Da sind ja gar keine Zuschauer.' Da habe ich geantwortet: 'Da sind sehr wohl Zuschauer, aber sie stehen so weit entfernt.'

STS: Gerade Portugal war immer bekannt dafür, dass die Leute auf der Straße stehen.

Genau. Die Rallye war in diesem Jahr so gut organisiert, was die Zuschauer betrifft, dass andere Rallyes eindeutig schlechter sind. Natürlich - wenn du Zuschauer auf der Straße hast, dann darf dich das nicht tangieren. Das darfst du nicht zur Kenntnis nehmen, dass Zuschauer auf der Straße sind.

MNT: Das kann ich gut nachvollziehen...

Du musst dich ja konzentrieren. Aber in Portugal hat es das Problem außer beim Shakedown nicht gegeben. Die waren in Portugal überraschenderweise sehr diszipliniert und ich hätte nicht gedacht, dass die das so gut in den Griff bekommen. Wir sind auf der Bundesstraße gestanden - da war einen Kilometer weiter entfernt die Linksabzweigung zur Prüfung. Vor der Prüfung bleibst du ja mit dem Rallyeauto stehen, überprüfst den Luftdruck und machst ähnliche Dinge.

Wenn da einer ran gefahren ist mit dem Auto oder mit dem Moped oder mit dem Fahrrad, auf dem Pannenstreifen, nicht auf der Straße - das hat keine zehn Sekunden gedauert, bis ein Polizist mit dem Motorrad da war und den weg gewiesen hat. Die Leute haben nicht einmal auf dem Pannenstreifen auf der Bundesstraße stehen bleiben dürfen, weil sie sofort vertrieben wurden. Gut, es haben nicht alle darauf gehört, vor allem wenn dann große Menschengruppen um die Rallyeautos gestanden sind.

STS: Nichtsdestotrotz haben die Veranstalter eine Geldstrafe bekommen. Wegen dem Unfall beim Shakedown, was war da los?

MNT: Da fehlte ein Absperrband.

Ja, aber man muss schon dazu sagen: Da waren drei Fotografen dabei. Selbst wenn es ein Absperrband gegeben hätte, wären die dort gestanden. Diese Kurve war eine ganz besondere Ecke. Keiner von den Toppiloten hätte dort sein Auto rausgeworfen. Das passierte nur, weil der Portugiese [Armindo Araujo, d. Red.] geglaubt hat, er muss unbedingt den Shakedown gewinnen.

Und eines muss man halt schon auch sagen: Dass sich der Veranstalter zwar sehr gut um die ganze Rallye gekümmert hat, er aber den Shakedown vernachlässigt hat. Die Leute sind beim Shakedown einfach schlecht gestanden.

MNT: Und die Steinewerfer in Mexiko?

Das ist Schwachsinn, das sind zum Teil Kinder, Erwachsene waren sicher auch dabei.

STS: So etwas kann man leider Gottes nicht verhindern - das kann man nirgends verhindern...

In solchen ärmlicheren Ländern nicht - ohne dass ich jetzt Mexiko abwerten will. Die Leute sehen das als Spaß. Dem ist nicht einmal bewusst, was er da eigentlich tut.

MNT: Wobei ich denke, dass man, um Steine auf Rallyeautos zu werfen, nicht nur dumm sein muss, sondern auch ganz schön aggressiv...

Nein, ich glaube gar nicht, dass sie so aggressiv sind - der weiß schlicht und einfach nicht, was er tut. Ein Beispiel: Beim Training hat mir einer einen Stein in die Scheibe geschossen. Das war eine Linkskurve und dann ist es bergauf gegangen und der stand auf einem Hügel, von dem hat er heruntergeschossen. Ich habe mich eingebremst, bin zurückgeschoben, den Berg hinauf, bis zu der Stelle, wo der Stein her kam. Das Kind ist gleich einmal davongelaufen (lacht).

Der Vater beziehungsweise der erwachsene Mann, der daneben gestanden ist, der hat dem Kind ja zugeschaut. Ich habe ihm jedenfalls mit meinen drei Wörtern Spanisch gefragt, ob er nicht ganz dicht ist. Und er hat eine Geste gemacht, dass er nicht wissen würde, was ich von ihm will. Ich habe ihm mit Gesten gezeigt, was ich meine - aber da hast du richtig gemerkt, wie der vollkommen ahnungslos war und er sich nur gewundert hat, warum ich jetzt böse auf ihn bin.

Wo er doch so einen Spaß hatte, da einen Stein zu werfen - und noch dazu hat er ja das Auto getroffen auch noch, das ist ja auch nicht so leicht. Das sind halt auch Leute, die einfach nicht wissen, was sie tun sollen.

STS: Dann ist da eben einmal im Jahr die Rallye als Highlight und dann machen sie sich einen Spaß daraus, Steine auf die Autos zu werfen.

Genau. Weil so viele Autos fahren dort nie mehr wieder vorbei. Das ganze Jahr nicht.

Den vierten Teil des großen Manfred Stohl-Interviews finden Sie am Mittwoch auf motorline.cc. Die Teile 1 und 2 finden Sie in der Navigation rechts.

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