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Manfred Stohl im motorline.cc-Exklusivinterview, Teil 4

Letzter Teil des mehrteiligen Gesprächs mit Manfred Stohl: Über das Projekt Andreas Aigner, das Projekt Erdgasauto, Zirkusartist Gigi Galli und mehr.

Stefan Schmudermaier (STS) & Michael Noir Trawniczek (MNT)
Fotos: McKlein, GEPA/OMV

STS: Manfred, was sagst du zur PWRC, zu Andreas Aigner? Ist es so gelaufen, wie es hätte sein können beziehungsweise sein sollen?

Ja, wobei: Ich weiß nicht, aber ich glaube, dass die Ziele falsch gesteckt wurden. Ich meine damit gar nicht, dass der Aigner was dafür kann. 'Falsch gesteckt' ist vielleicht der falsche Ausdruck, denn hohe Ziele musst du dir stecken. Aber vielleicht wäre es geschickter gewesen, dass nicht nach außen zu tragen.

Vielleicht wäre es geschickter gewesen zu sagen: 'Wir wollen nicht WRC machen weil...' Man hätte da nicht einmal eine Begründung geben müssen - wenn ich heute sage, dass ich das Geld anders investieren will, dann ist das doch okay. Dann sag ich einfach: 'Wir werden versuchen, den Andi in der PWRC weiter aufzubauen'.

Das Problem lag darin: Dadurch, dass sie ihn aus der WRC zurückgeholt haben, wussten sie nicht so recht was sie sagen sollen, sodass die Presse happy ist. Die Presse war nur happy, wenn sie sagen, er wird Weltmeister. Andernfalls hätte nämlich kein Mensch etwas geschrieben. Nur sind jetzt viele enttäuscht darüber, dass er nicht vorne mitfährt.

Wenn ich der Teamchef gewesen wäre, dann hätte ich gesagt: 'Okay, wir wollen in der PWRC fahren und dann schauen wir einmal'. Dann hätten mich alle ausgelacht und die Presse hätte zunächst einmal nichts geschrieben - aber wenn ich dann ein- oder zweimal gute Ergebnisse geliefert hätte, wäre wieder etwas geschrieben worden.

STS: Selbst wenn er jetzt Dritter wird, sagen viele: 'Naja, Dritter - er soll doch Weltmeister werden!'

Ja, genau. Man sollte das aber nicht übermäßig beurteilen - vielleicht sieht man jetzt die Aussagen auch als Fehlentscheidung - ich spreche nicht von der Entscheidung für die PWRC, sondern von den Aussagen zum Weltmeistertitel. Im Dezember war es ja vielleicht noch okay - aber später, im Laufe des Jahres wurde der Titel ja noch einmal thematisiert - und das hätte ich nicht gemacht.

MNT: Das zweite Mal, in der laufenden Saison, wurde der Titel von Andi selbst thematisiert. So weit ich es mitbekommen habe, lässt man dem Andi auch bei seinen Presseaussagen immer mehr Freiräume - auch weil er lernen soll, dass gewisse Aussagen eben dann auch ein entsprechendes Feedback bekommen.

Das wiederum finde ich beeindruckend. (schmunzelt) Aber ganz abgesehen von diesen Dingen: Der Andi ist gut, da brauche ich nicht viel dazu sagen.

MNT: Er wird das Jahr "überleben", oder?

Ich bin mir sicher, dass er das Jahr überleben wird. Selbst wenn er einmal nicht mehr diese Juniorenförderung bekommen würde, glaube ich, dass er ein Pilot ist, der bestehen kann. Was ich nicht beurteilen kann ist, wie er als Mensch ist - denn ich habe mit ihm nichts zu tun, außer wenn ich ihn bei einer Rallye treffe. Und da ist er immer supernett und in Ordnung, da passt alles. Aber ich hatte ihn noch nie bei mir im Team als Fahrer.

MNT: Angenommen, er würde diese Förderung nicht mehr erhalten - wäre Aigner für dich als Fahrer interessant?

Andi Aigner ist sicher ein Fahrer, der für mich als Firma interessant ist. Der mir gefällt, der ein netter Bursche ist, aber wie gesagt, ich kann ihn natürlich nicht so genau einschätzen. Von den aktuellen Jungen ist er jedenfalls der Beste. Damit meine ich aber nicht, dass er der beste Rennfahrer ist. Ich meine die Gesamtheit.

MNT: Ein Rohdiamant?

Ja. Es gibt auch andere Leute, die fahren sehr, sehr gut - aber da fehlen dann halt andere Elemente. Er hat meiner Meinung nach als Ganzes einen großen Vorteil. Da geht es darum, wie er sich gegenüber den anderen Menschen gibt, wie er auftritt - das finde ich schwer in Ordnung.

Ich gebe ihm eine Zukunft. Sag mir, wen wir sonst in Österreich haben, der in der Zukunft etwas erreichen kann? Da gibt es niemanden. Oder Leute wie 'S & T' - die fördern ihn, weil sie ihn gut finden, weil sie ihn mögen. Das gibt es speziell in der Steiermark Leute, die zu dem Projekt Aigner stehen und die wollen, dass es auch weiter besteht.

MNT: Ein Thema hätte ich noch: Erdgas. Jetzt gibt es in der ÖM drei Erdgasautos - doch alle drei sind unterschiedlich, man kann sie nicht miteinander vergleichen. Euer Mitsubishi Evo IX ist ein CNG-Turbo, der von Hannes Danzinger ein CNG-Sauger. Ist man hier dem direkten Vergleich aus dem Weg gegangen?

Nein, es geht gar nicht so sehr um einen direkten Vergleich der beiden Erdgasautos. Unser Ziel ist es, dass wir zeigen können, dass unser Mitsubishi Evo IX so schnell ist wie der Mitsubishi von Gaßner, Stengg und so weiter. Und das haben wir glaube ich sehr gut zeigen können - okay, wir können noch nicht gewinnen, aber das hat auch andere Gründe. Und das Ziel von VW orientiert sich mit dem Kitcar an den Kitcars von Waldherr, Rosenberger und so weiter.

Unser zweites Erdgasauto, das vom Vorjahr, ist mittlerweile so beliebt, dass die TU Wien das Auto jetzt eine Woche auf ihrem Prüfstand hatte, weil sie das einfach näher kennenlernen wollten.

MNT: Zuletzt gab es ja Probleme wegen der Einspritzdüsen...

Ich habe mit dem Martin Ertl, der die Entwicklung des Danzinger-Erdgasautos geleitet hat, gesprochen und er sagte: 'Für uns ist das kein Problem, wir können mit einer Einspritzdüse fahren.' Und ich sagte: 'Das ist schön - aber wir können das nicht.' Genau das hat man uns jetzt vorgeworfen, dass wir das Reglement nicht einhalten würden. Aber entschuldige - unser Auto läuft halt mit zwei Einspritzdüsen pro Zylinder. Es gibt derzeit am Markt keine Düse, welche die Menge reinbringt, die für einen vernünftigen Rennbedarf über 200 PS nötig ist. Das sind Fakten.

MNT: Kann man solche Düsen nicht selbst entwickeln oder entwickeln lassen?

Sicher, wir arbeiten ja auch daran. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Nur: Die Wirtschaft ist sich ja noch immer nicht einig darüber, welcher Alternativantrieb in Zukunft kommen soll. Das ist wieder eine andere Geschichte.

MNT: Das ist schade - denn eigentlich wäre Erdgas ja in Hülle und Fülle vorhanden, oder?

Ja, es gibt mehr als genug davon. Erdgas ist sicher der beste Alternativtreibstoff als Überbrückung bis zu jener Zeit, in der man dann, ich sage einmal zum Beispiel mit Brennstoffautos fahren kann.

STS: Das geht nicht von heute auf morgen.

Ja, genau. Und man weiß aber heute, dass man die nächsten 80 bis 100 Jahre die Automobile mit Erdgas versorgen kann. Das ist Fakt. Für mich als Firma ist das ein sehr interessantes Projekt. Denn: Es gibt zigtausend Firmen, die ein Rallyeauto bauen - aber wie viele Firmen bauen ein Erdgasrallyeauto? Das sind weltweit zwei Firmen: VW und wir, Stohl Racing. Ich spreche definitiv vom Erdgas - weil Flüssiggas gibt es zum Beispiel in Deutschland - aber das bringt nichts, da kann ich gleich mit Benzin fahren, denn da kostet die Erzeugung einfach so viel.

MNT: Ihr habt ja bei der FIA angefragt wegen Erdgas in der Rallye-WM - gibt es da schon Konkretes?

Nein, das dauert noch. Und für die WRC kommt Gas ganz sicher nicht in Frage.

MNT: Also PWRC?

Ich rede jetzt nicht einmal von der PWRC, sondern ich rede davon, dass es international einfach die Möglichkeit gibt, solche Autos in jedem Land einzusetzen, ohne dass du eine nationale Homologation benötigst. Soll heißen: Wenn ich das heute international homologiere, dass ich damit in Italien fahren kann. Bei Italien wissen wir, dass dort der größte Erdgasmarkt Europas ist. Von Argentinien möchte ich gar nicht sprechen - dort reißen sie dir das Erdgasauto wahrscheinlich tonnenweise aus der Hand.

In Argentinien besteht der Erdgasantrieb zu 50 Prozent. Dort fahren die Menschen nicht wegen des Umweltschutz-Gedankens, die fahren Erdgas, weil es am billigsten ist - und weil es da ist. Die Idee bei uns ist ja nur wegen der CO2-Probleme und der Umweltproblematik heraus entstanden.

MNT: Was kann man von Eurem Projekt noch erwarten?

Ich muss sagen, dass ich sehr happy war mit dem Ergebnis von Beppo Harrach - auch wenn er einen Plattfuß hatte, aber so etwas kommt vor. Ich will nicht vorgreifen, die weiteren Ziele muss der Günther [Aschacher, Technikchef bei Stohl Racing und Entwickler des Erdgasboliden, d. Red.] definieren. Ich bin eher ein Mensch, der versucht, die Erwartungen eher flach zu halten und nicht zu emotional zu sein. Die Zeiten, die Harrach gefahren ist, waren gut - und sein Rückstand proportional zu den ersten Zwei in der Gruppe N, den hat er in der WM zum Ersten. Wer auch immer am Steuer sitzt.

Und in der WM musst du nicht immer das schnellste Auto haben. Wir wissen heute alle, dass der PWRC-Weltmeister des Vorjahres nicht Weltmeister wurde, weil er der Schnellste war, sondern weil bei ihm das Auto am besten gehalten hat und er am zielstrebigsten WM-Punkte gesammelt hat. Und das sind sicher Vorgaben, die das Erdgasauto erfüllt.

MNT: Weil der Erdgasmotor haltbarer ist?

Weil man versucht, ihn haltbarer zu machen. Aber das steckt alles noch in so jungen Beinen - ich habe ja gar nicht geglaubt, dass wir überhaupt ins Ziel kommen. Bei einem neuen Auto weißt du das ja nie - auch wenn du noch so viele Stunden am Prüfstand verbracht hast. Aber es hat funktioniert - und das freut mich. Das freut mich auch für den Günther [Aschacher, d. Red.], für den Beppo [Harrach, d. Red.] und für die Leute, die hinter dem Erdgasprojekt stehen.

STS: Was sagst du generell zur ÖM?

Schön. Wenn gefightet wird ist das schön. Obwohl: Gaßner hat ausgelassen. Die Slowenen haben mich sehr enttäuscht - aber es waren auch die Bedingungen sehr hart, oder? Wenn ich mir die italienische Rallye-Meisterschaft ansehe - das ist schon beeindruckend. Jetzt hat Subaru gewonnen, zuletzt war es Mitsubishi, davor hat FIAT alles in Grund und Boden gefahren, mit dem Super 2000-Auto. Wenn du dir die italienische Meisterschaft ansiehst - da rinnt mir das Wasser im Mund zusammen.

MNT: Was machen die Italiener anders?

Dort herrscht einfach eine größere Leistungsdichte.

STS: Sie haben aber auch von den Strecken her andere Bedingungen, mit einem Kitcar kannst du dort wesentlich mehr erreichen, die Strecken sind unterschiedlicher. In Österreich bist du mit dem Gruppe N-Auto auf der sicheren Seite.

Genau. Dort kann morgen ein 1600er gewinnen. Oder wenn du dir jetzt in Portugal angesehen hast: Die schnellsten Boliden hinter den WRC’s waren zwei 1600er-Autos. Ein Wahnsinn. Auf Schotter, wo es nur so dahingeht.

STS: Apropos Portugal, nach der Superspecial habe ich gedacht, ich traue meinen Augen nicht: Auf einmal steht der Gigi Galli auf dem Dach seines fahrenden (!) Autos - da habe ich damit gerechnet, dass ihn die FIA bestrafen wird

(Gelächter) Ja, der Meinung war ich auch, damit habe ich auch gerechnet. Bei der letzten Superstage bin ich mit offenem Fenster gefahren, in den Kurven habe ich die Hand rausgehalten - auch in der Annahme, dass ich 5.000 Euro zahlen werde. Aber bis jetzt ist noch nichts gekommen. Aber ich hätte die Rechnung gleich weitergeleitet (lacht). Was soll ich machen? Das gehört halt zur Marketingstrategie. (Gelächter) Aber für die Aktion gehört dem Galli der Nobelpreis verliehen. Auf das Dach des rollenden Autos zu steigen, sich da raufzustellen, ein Wahnsinn.

MNT: Irgendwo stand geschrieben, dass der Beifahrer das Steuer übernommen habe...

Das gibt es nicht, der hing auch aus dem Auto raus - und zudem wäre das unmöglich: Wenn du bei einem WRC einmal kurz am Gaspedal ankommst, zeiht der Wagen wie eine Rakete weg und der Galli fliegt in hohem Boden runter. Da brauchst du das Gaspedal nur anzuhauchen. Er hat das Auto einfach rollen lassen - am Sonntag ist es ihm ja dann abgestorben, da stand er ja auch oben und ist runtergefallen…

STS: Ein Verrückter im positiven Sinn.

Ja, jetzt hat er den Petter [Solberg, d. Red.] endgültig abgelöst. Aber solche Aktionen sind gut für den Sport. Das ist traumhaft!

STS: Wer wird Weltmeister?

Da gibt es keine Frage: Loeb. Wenn man bei Citroen nicht irgendeinen blöden Fehler macht, dann fährt er die anderen in Grund und Boden.

MNT: Würdest du das auch sagen, wenn du keinen Citroen fahren würdest?

Ja. Das ist wirklich meine persönliche Meinung - das hat nichts mit Citroen oder Ford zu tun. Ich mag den Marcus Grönholm sehr gerne, der ist ein klasser Bursche.

STS: Ist Loeb einfach das große Ausnahmetalent?

Das kann man so gar nicht sagen. Ich würde es so formulieren: Das Produkt, das Paket ist das beste.

STS & MNT: Dann sagen wir danke für das Gespräch, Manfred.

Nichts zu danken, gern geschehen.

Die Teile 1 bis 3 des großen Manfred Stohl-Interviews finden Sie in der Navigation rechts.

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