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Erinnerungen eines Sportreporters: Postleitzahl 9170!
Fotos: Ilka Minor privat

Postleitzahl 9170!

Ilka Minor (Petrasko) zählt zu den besten Co-Piloten der Welt. Peter Klein kennt Ilka seit 25 Jahren und wirft einen sehr persönlichen Blick auf die Anfänge und vor allem auch hinter die Kulissen.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Ilka Minor geb. Petrasko hat im Kreis der Rallyeprofis als Co-Pilotin einen besonders hohen Stellenwert. Mit 18 bestritt sie ihr erste Rallye in Österreich,- mit 21 ihren ersten Weltmeisterschaftslauf und zählt heute zu den besten Co-Piloten der Welt. Peter Klein kennt sie seit 25 Jahren und erzählt für den Motorline Paddock Corner die Erfolgsgeschichte von einem Mädchen, welches in einem kleinen Dorf in Kärnten aufgewachsen ist.

Googeln Sie mal „Waidisch“ und Sie werden selbst auf Wikipedia nichts erfahren. Einer detaillierten Landkarte ist zu entnehmen, dass dieser Ort 15 Kilometer von Klagenfurt entfernt und der Stadtgemeinde Ferlach untergeordnet ist. In Waidisch gab es 1975 nur sechs Häuser – heute leben dort immerhin schon 117 Menschen – es gibt den Gasthof „ Zur Linde“ und die Kirche ist dem „heiligen Anton von Padua“ geweiht.

Warum ich den geneigten Leser mit diesen Informationen vielleicht langweile? Weil SIE dort zur Welt kam, am 30. April 1975 im Sternzeichen des Stieres von dem man sagt: „Das Festhalten am Groll wird nicht nur Dir wehtun, sondern auch Deiner Beziehung.“ Und weil der Großvater rund um 1900 aus dem ungarisch/rumänischen Erdely gekommen war, gab es für das kleine Ding vor mehr als 45 Jahren den ungarischen Vornamen ILKA. Wenn man heute dazu den Familiennamen PETRASKO gibt und beides googelt, erfährt man über die junge Dame auf Wikipedia weit mehr, als über die Einwohnerzahl, den Gasthof und die Kirche in Waidisch mit der Postleitzahl 9170.

Ich warte bei meinem Lieblingsgriechen auf der Soosser Bezirksstraße auf Ilka, 10 Minuten vor 13 Uhr bin ich dort, fünf Minuten später kommt sie herein. Pünktlich wie immer, das Haar zurückgekämmt wie immer, kein Make up, kein Nagellack wie immer. Kein Parfüm und dennoch sportlich gepflegt, wie immer. Und ich spüre, wie sehr ich mich freue sie wieder zu sehen, nach bald schon zwei Jahren. Sie ist zum vereinbarten Termin gekommen obwohl sie weiß, es wird nicht nur ein Treffen alter Bekannter, ein freundschaftliches Treffen zum Mittagessen, ein Treffen mit einem Journalisten in Pension.

„Ich will über Dich schreiben“, habe ich am Telefon gesagt, „für Motorline.cc“, und sie wusste, dass es ein Gespräch wird, das in die Tiefe gehen soll. Dass es Fragen geben wird, die wohl kaum ein Reporter einer „Motorsportlerin des Jahres“ stellen würde. „Sie vertraut dir“, denke ich mir noch und „hoffentlich“ weil ich denke, dass ich immer fair zu ihr war, in den vergangenen 25 Jahren. „Hast Du noch Fotos aus Deiner Kindheit gefunden?“ Ilka überreicht mir zwei Bilder. Beim ersten Foto muss ich schmunzeln, „aber hier, mit dem Hund, da erkennt man schon die Ilka von heute!“

Getränke bestellen und dann auch das Essen, wir nehmen Meze für zwei Personen, plaudern noch über die Rallye in der Türkei, ich will mit meinen Fragen noch warten. Ilka hat einen Laptop mit, ich suche die ersten Fotos aus und Ilka meint, dass sowieso schon alles über sie auf ihrer Website steht,- ich will aber mehr über sie wissen.

Es ist ein kleines Nest, in dem sie aufwächst und fast vier Jahre lang kaum ein Wort von sich gibt. Die Familie ist groß, Ilka hat zwei Brüder und eine Schwester, die Volksschule ist kein Problem, sie ist eine gute Schülerin und besucht danach ein Gymnasium. Nach vier Jahren übersiedelt die technisch interessierte Ilka Petrasko an die HTL in Ferlach und lernt dort den fünf Jahre älteren Achim Mörtl kennen. Ilka 15, Achim 20, der Ältere gibt vor, was zu tun sei. Vor allem Sport wie Laufen, Ausdauer und Klettern.

„Wir werden Weltmeister!“, behauptet Achim- und beginnt ohne Weltmeistertitel mit dem Rallyesport. Der junge, ungezügelte Bursche ist die erste große Liebe im Leben der kleinen, zerbrechlichen Ilka, sie tut wie ihr gesagt und verzichtet, der Liebe wegen, auf eigene Persönlichkeit und Interessen. Und als Peter Unterauer, der ständige Co-Pilot nach dem Ausfall bei der Semperitrallye im Waldviertel 1993 das Handtuch warf, wird Ilka ins Cockpit rekrutiert und sie tat wie gewünscht.

Achim weist sie in die Kunst des „Schrieb machen, Serviceplan und Ansagen“ ein und Ilka funktioniert. Stets im Schatten des zwar hoch talentierten, aber illusorischen jungen Kärntners verzichtet sie auf das eigene ICH, unterwirft sich nach wie vor aus Liebe und hofft auf Anerkennung, Wertschätzung und die versprochenen Erfolge. Achim „der Pilot“ repräsentiert, investiert, auch vom Wohlwollen seiner Familie, kommt zu Presseterminen, wird Vize-Staatsmeister in der seriennahen Gruppe N, macht Werbung für sich – und Ilka ist eben auch dabei…

Ilka ist 19 Jahre jung als es den ersten Gruppe-N-Sieg in Admont mit dem Toyota gibt und Achim fühlt sich bestätigt: „Wir werden Weltmeister“ und meint eigentlich vor allem sich selbst. Achims Opa und auch die Familie investieren einiges ihrer Ersparnisse. Ein neues Auto muss her, ein Subaru, der WM-Lauf auf Korsika wird zum ersten, international sehr beachteten Erfolg, doch die Beziehung zwischen den Beiden wird nicht besser.

Am Ende der Saison 1997, nach den Ausfällen in Aspang und Waidhofen trennt sich das Paar nach fast sieben gemeinsamen Jahren. Achim strebt nach Höherem, Ilkas Vertrauen ist erschüttert. Verstört in ihrer Enttäuschung zieht sie sich zurück, von sieben Jahren Zweisamkeit ist wenig geblieben. Der Winter wird grausam, wie der seelische Schmerz und während Ilka erzählt denke ich „hat sie die Enttäuschung ihrer ersten Liebe nie verarbeiten können?“

Achim Mörtl hat sich einen großen Wunsch erfüllt und fährt als erster Österreicher 1997 ein World Rally Car – mit einem neuen Co-Pilot. Jörg Pattermann aus Salzburg, der schon jahrelange Erfahrungen sammeln und sensationelle Erfolge mit Größen wie Wittmann und Haider feiern konnte. Und Ilka? Keine Beziehung, kein Sport, keine Rallye mehr? Doch wieder einmal bewahrheitet sich ein geläufiger Spruch: „Wenn dir eine Türe zugeschlagen wird, geht irgendwo eine andere auf.“ David Doppelreiter steht vor der Türe und Ilkas Karriere ging weiter. Und wie es weiter ging, erzähle ich auch kommende Woche!

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