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Manfred Stohl im motorline.cc-Exklusivinterview, Teil 1

Teil 1 des mehrteiligen Gesprächs mit Manfred Stohl: Über das Märchen vom "Weltmeisterboliden" bis hin zum Wunschtraum namens Werkscockpit.

Stefan Schmudermaier & Michael Noir Trawniczek
Fotos: McKlein

motorline.cc-Chefredakteur Stefan Schmudermaier und Redakteur Michael Noir Trawniczek haben Manfred Stohl in seiner Großenzersdorfer Tuningschmiede "Stohl Racing" einen Besuch abgestattet, um mit ihm über die bislang schwierige Saison 2007 zu sprechen - und über vieles mehr...

Stefan Schmudermaier (STS): Manfred, im Vorjahr hast du die Saison als die Nummer vier der Weltmeisterschaft beendet - dann kam die Rückkehr in den Citroen Xsara, bei Kronos. Die Erwartungen konnten bislang nicht wirklich erfüllt werden, oder?

Das ist keine Frage und ich will da auch gar nichts schönreden - ich habe mir sicher mehr erwartet.

STS: Gibt es einen zentralen Punkt? Wo du sagst: Daran happert's?

Ich bin mir da sicher, ich weiß woran es liegt. Es gibt so viele verschiedene Meinungen, die Leute sagen: 'Das Feld ist heuer viel stärker und viel besser...' Aber das ist ein Blödsinn. Es sind genau die gleichen Fahrer wie im Vorjahr, es hat sich bei den Piloten im Vergleich zum Vorjahr nichts geändert, es ist alles gleich.

Für mich ist der wirklich große Unterschied jener, dass diese sechs Werksautos einfach jedem Privatauto so überlegen sind, dass keines von den Werksautos mehr so attackieren muss, wie sie das noch im letzten Jahr tun mussten.

Da hat dann eben auch einmal einer von den Werkspiloten sein Auto weggeworfen. Heute ist das anders - ein Dani Sordo beispielsweise. Der weiß ganz genau: Egal wie langsam oder wie schnell er fährt - Fünfter oder Sechster wird er immer. Das heißt. Er wird nie so attackieren, dass er das Ding wegwirft.

STS: Das heißt, die Chance nachzurücken ist in diesem Jahr für dich nicht gegeben, oder?

Aus heutiger Sicht betrachtet ist es schwer - praktisch unmöglich. Wenn du dir anschaust wie überlegen diese Werksautos sind - die zwei Ford, die zwei Citroen sowieso. Hin und wieder können wir mit dem einen oder anderen Subaru mitfahren, aber auch nicht immer. Und dann erst kommen die Kundenautos. Und da sind wir immer vorne - bis zu einem gewissen Punkt, wenn ich einen Fehler mache oder sonst etwas passiert.

Man darf eines nicht vergessen: Ich bin keiner, der auf einen siebenten Platz aus ist, ich will ganz nach vor - und dann passiert eben auch einmal ein Ausrutscher. Weil: Mit dem Material, das uns zur Verfügung steht ist derzeit einfach nicht mehr drinnen. Und das will ich selbst eigentlich gar nicht wahrhaben.

STS: Hast du dir von dem Material mehr erwartet?

Sicher. Natürlich steht uns en sehr gutes Material zur Verfügung - aber für Kunden gibt es eben, unter Anführungszeichen 'nur' dieses Material.

STS: Du wirst also noch ein bisschen zurückgehalten. Was ist der Grund dafür? Citroen wird ja nicht befürchten, dass du plötzlich vor Sébastien Loeb fahren könntest, oder?

Das glaube ich auch nicht, dass diese Angst besteht. Es ist nicht leicht zu erklären. Fakt ist, dass die Teile, die heute im C4 verbaut sind, auch schon im letztjährigen Xsara eingebaut waren.

Michael Noir Trawniczek (MNT): Aber bei dir sind die nicht drin?

Nein. Das heißt: Es wäre eigentlich alles vorhanden, aber es wird nicht alles eingebaut. Aber ich kann nicht beeinflussen, welche Entscheidungen ein Werk trifft.

STS: Also ist das dann eher ein 2005er-Xsara? Oder kann man das nicht so leicht sagen, weil ein solches Auto ja aus sehr vielen verschiedenen Komponenten besteht?

MNT: Ist es also nicht der viel zitierte 'Weltmeisterbolide'?

Naja, schau her: Was ist der Weltmeisterbolide? Der Weltmeisterbolide ist jenes Auto, das im Vorjahr der Loeb pilotiert hat.

MNT: Ich wurde zum Beispiel gefragt: Sitzt der Manfred jetzt exakt in dem Auto, das der Loeb im Vorjahr gefahren ist? Beziehungsweise, wenn das nicht der Fall ist - hat man dann den Vorjahreswagen verschrottet oder ins Museum gestellt?

Schau, es kann durchaus sein, dass ein Bodyshell, das ich heuer fahre - das ja wie ein Ersatzteil zu betrachten ist - der Loeb auch gefahren ist. Zum Beispiel weiß ich: Mein Mexiko-Auto - das ist der Loeb seit 2003 nicht mehr gefahren. Nur: Das kann man nicht so einfach sagen.

Es wäre gegenüber Citroen unfair zu sagen: 'Das ist ja gar nicht dieses Auto, mit dem Loeb Weltmeister wurde!' Fakt ist: Das Auto, welches ist jetzt fahre, ist deutlich besser als das Auto, das ich 2005 gefahren bin. Aber wie gesagt. Die heutigen Werksautos - sprich Citroen, Ford und Subaru - sind jedem Kundenauto total überlegen.

Hin und wieder gibt es so Ausreißer, wie das bei mir in Mexiko der Fall war, oder beim Latvala in Portugal, oder beim Henning Solberg in Norwegen - aber in Summe sind immer die Werksautos vorne. Die ersten fünf Ränge sind immer von Werksautos besetzt - bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen. Und das war im letzten Jahr nicht so sehr der Fall.

MNT: Gibt es die Chance, dass Kronos einen C4 erhält?

Wahrscheinlich könnten wir ihn gleich haben - nur: Das löst unser Problem nicht.

MNT: Weil da dann auch andere Teile drin wären?

Ja. Wir brauchen keinen C4, wir brauchen nur die Teile, die im C4 eingebaut sind beziehungsweise jene Teile, die im letzten Jahr im Xsara eingebaut waren.

STS: Man muss dazusagen, dass viele Fans ein Rallyeauto als ein Ganzes betrachten - in Wirklichkeit ist das aber nur eine Ansammlung verschiedener Teile, die auch nach jeder Rallye wieder zerlegt werden. Es handelt sich nur um eine Ansammlung von Komponenten.

Ja, man kann nicht von einem Auto als ein Ganzes sprechen.

MNT: Um welche Teile geht es da? Welche Teile hättest du denn gerne? Geht es da um Stoßdämpfer? Um die Bremsanlage?

Ja, es geht um Stoßdämpfer. Oder den Motor. Da geht es um vieles.

STS: Und womit wäre dir jetzt am meisten geholfen? Geht es um Leistung? Oder um die Fahrbarkeit? Oder um das Fahrwerk?

Ich würde sagen, dass Fahrwerk und Motor entscheidend sind. Man hat in Mexiko ganz deutlich gesehen: Die Prüfungen waren am ersten Tag sehr schnell, es gab guten Grip, die Prüfungen waren sehr schwungvoll, ein bisschen 'Super G'-mäßig - und da waren wir dabei. Das waren superschöne Prüfungen, da kannst du das Ding laufen lassen - wenig bremsen, wenig beschleunigen, sondern man ist auf diesen Prüfungen viel mit Schwung und Herz gefahren, und das hat funktioniert.

Am zweiten Tag gab es viel beschleunigen, viel Traktion war verlangt, man musste viel um enge Ecken fahren - und was war? Es gab keine Traktion, wir bringen ja nicht einmal die Kraft auf die Straße mit unserem Auto. Da gibt es sehr viele Faktoren, die am Ende den Unterschied ausmachen.

Dieses Wettrüsten zwischen Ford und Citroen, und Subaru hechelt hinterher, das ist ein Wahnsinn! Citroen mag vielleicht gemeint haben, dass wir mit dem Material, das sie uns zur Verfügung stellen, gut vorne mitfahren können - nur hat Citroen dabei vielleicht nicht bedacht, wie schnell ihre eigene Entwicklung vorangeht, im Wettkampf gegen Ford.

Das ist ja ein Kampf der Giganten - und für Subaru ist das ein Desaster. Die haben geglaubt sie kommen mit dem neuen Auto und fahren gleich vorne mit - die sind nirgends. Sagen aber, sie sind mit dem neuen Auto mindestens 0,4 oder 0,5 Sekunden schneller am Kilometer - aber 0,4 oder 0,5 Sekunden ist einfach zu wenig. Das ist gerade gut genug, um Vierter zu werden.

STS: Wenn nicht gerade Ford zu dünne Seitenscheiben hat, ist das schwer mit dem Podium für Subaru...

MNT: Bei den Ford kann man sich das auch so vorstellen, dass die beiden Werksautos derart anders ausgerüstet sind wie die Kundenautos?

Ja. Aber was mich in diesem Zusammenhang sehr überrascht hat und was eigentlich sehr für Ford gesprochen hat, ist, dass sie einen Fehler bei den Werksautos gefunden haben und dass man diesen Fehler bei allen anderen Kundenautos auch gefunden hat. Sprich: Die Scheiben waren bei allen Autos drinnen. Das ist schon beeindruckend.

MNT: Hat man das wirklich zwecks Gewichtsreduktion getan?

Ja, sicher.

STS: Glaubst du, dass es bewusst getan wurde?

Nein, nein.

STS: Also ich glaube eher das ist passiert - das kann ja unterm Strich nicht so viel ausmachen.

Naja.

MNT: Wie viel wiegt so eine Scheibe?

Die Frontscheibe zum Beispiel wurde mittlerweile limitiert - die muss, egal wie dick oder wie dünn ich sie gestalte, mindestens 9,6 Kilogramm wiegen. Denn früher hatten wir Frontscheiben, die waren so dick wie ein Blatt Papier - und wenn du 150 km/h gefahren bist, ist die Scheibe um zehn Zentimeter weiter hereingekommen ins Auto. (Gelächter)

Das war so. Prinzipiell gilt: Es wird immer getrickst. Gewisse Grauzonen werden einfach ausgenützt. Die Scheiben von Ford - das war eher ein Fehler, der einfach passiert ist. Entweder hat irgendjemand einen falschen Auftrag vergeben oder es gab eine falsche Zeichnung oder sie haben das Reglement nicht gelesen. Ich meine, ich kann mir schon vorstellen, dass man bewusst zur Gewichtsreduktion mit dünneren Scheiben arbeitet - aber dann treten die nicht zur Schlussabnahme mit der dünnen Scheibe an. Das Austauschen dauert beim letzten Service zehn Minuten, so eine Scheibe hast du in einer Minute gewechselt.

MNT: Aber bringt das wirklich so viel?

Na sicher. Das ist immer die gleiche Frage. Wenn ich zum Beispiel in meinem Xsara die neuen Stoßdämpfer montiert bekommen würde, dann fahre ich zwar nicht gegen den Loeb - aber ich komme ihm vielleicht um ein oder zwei Zehntel näher.

STS: Das sind halt kleine Schritte.

Genau. Und wenn ich heute die Titan-Querlenker habe, bin ich wahrscheinlich nicht einmal schneller - aber in Summe ist das Auto leichter, ich kann wieder mehr Gewicht platzieren, kann mit der Balance mehr spielen. Und was noch dazu kommt: Du steigerst dich ja als Fahrer mit. In dem Moment, in dem das Auto mehr Grip hat, steigerst du dich unweigerlich mit.

STS: Das multipliziert sich dann...

Ja, genau. Und dann eben ergeben viele Kleinigkeiten einen großen Unterschied. Du brauchst nur überlegen: Wie oft beschleunigst du von 40 auf 100 km/h in einer Sonderprüfung? Nimm nur diesen einen Bereich. Und dann nehmen wir einmal an, dass bei jedem dieser Beschleunigungsphasen mein Auto im Vergleich zu jenem von Loeb um ein oder zwei Zehntel langsamer beschleunigt - da hast du im Nu zehn Sekunden auf dem Buckel. Zehn Sekunden - da sagt jeder: 'Das ist ja nichts!' Aber am Schluss wäre ich froh, wenn ich zehn Sekunden näher dran wäre.

Den zweiten Teil des großen Manfred Stohl-Interviews finden Sie am Dienstag auf motorline.cc.

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