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Manfred Stohl im motorline.cc-Exklusivinterview, Teil 2

Teil 2 des mehrteiligen Gesprächs mit Manfred Stohl: Über die Möglichkeit Ford. Über die Liebe zum Peugeot. Und warum sich Ziele schnell einmal ändern können.

Stefan Schmudermaier & Michael Noir Trawniczek

MNT: In Portugal gab es in den Top 8 keinerlei Positionswechsel, abgesehen von deinem Ausfall - das war festgefroren. Sobald Grönholm aufgab und sich mit Platz zwei zufrieden gab, war es überhaupt vorbei. Abgesehen von der Faszination des Rallyefahrens an sich war Portugal eigentlich ziemlich langweilig, wenn man ehrlich ist, oder?

Es ist sicher so, dass es allgemein besser ist, wenn die Kräfteverhältnisse so verteilt sind wie das im Vorjahr der Fall war - wo der [Gigi, d. Red.]Galli sein erstes Podium einfuhr, wo auch Henning [Solberg, d. Red.] zum ersten Mal am Stockerl stand, oder auch der Daniel Carlsson, und wo ich viermal oben gestanden bin.

So etwas motiviert unsere Sponsoren dazu, weiterzumachen. So wie es jetzt ist - wenn immer nur die sechs Werksautos vorne sind, kannst du dir vorstellen, dass die Sponsorverhandlungen nicht unbedingt einfacher werden. Aber: Mein Ziel ist es eben nun, immer der beste Privatfahrer zu sein.

MNT: Um dich für ein Werksteam zu empfehlen?

Ja, schon. Ich möchte zeigen: Wenn ich schon nicht die Werksautos schlagen kann, bin ich immer der schnellste Privatfahrer oder zumindest der schnellste private Citroen-Pilot. Ich möchte schon immer der beste Privatier sein - wenn nicht gerade der Jari-Matti Latvala eine Super-Rallye hinlegt, wie er das in Portugal getan hat.

MNT: Marcus Grönholm soll ja mit dem Gedanken spielen, per Jahresende aufzuhören...

Ich gehe auch davon aus, dass er aufhört - und Latvala wird das Cockpit übernehmen. Mikko Hirvonen und Jari-Matti Latvala wird dann die neue Garnitur heißen.

MNT: Aber du strebst schon immer noch einen Werkssitz an oder?

Klar, denn sonst hätte ich den Vertrag für heuer nicht unterschrieben. Ich steige ja nicht in ein Auto ein, nur weil mir die Farbe gut gefällt - sondern da gibt es ja viele Gedanken rund um diese Dinge. Ich habe ja auch nicht bei Peugeot aufgehört weil ich Peugeot hasse oder weil das Auto schlecht ist. Ich habe einfach keine Zukunft mehr dort gesehen. Aber wie gesagt: ich habe halt gehofft, dass wir näher an den Werksautos dran sein werden. Da muss man jetzt eben zur Kenntnis nehmen, dass es leider nicht so ist.

MNT: Bei uns im Forum fragt jemand, warum du nicht einen Ford genommen hast respektive ob diese Möglichkeit in Betracht gezogen wurde.

Naja, diese Möglichkeit hat sicher bestanden, aber... (überlegt). An dem Tag, als ich meinen Vertrag bei Citroen unterschrieben habe, hat es sechs Fahrer bei Ford gegeben und null Fahrer bei Citroen. Es hat noch keinen Galli und noch keinen Carlsson gegeben - ich war also der einzige Fahrer, und das hat mich in meiner Entscheidung erst recht gestärkt.

Was soll ich bei sechs Ford dort noch machen? Und so viel Geld, wie heute der Henning [Solberg, d. Red.] bringt oder ein Latvala - das habe ich nicht. Ich bin nicht in dieser powervollen Situation wie es ein Latvala ist oder auch ein Wilson Junior. Du darfst nicht vergessen: Latvala hat genauso potente Sponsoren hinter sich wie der Mikko Hirvonen oder der Toni Gardemeister - da spielt Geld keine Rolle. Der sagt: 'Wie viel kostet das? Okay, pick drauf Stobart - ist mir egal...' Um mich bei Ford einzukaufen, dieses Geld habe ich nicht.

MNT: Das Auto, der Ford Focus RS WRC 06, würde dich schon interessieren, nehme ich einmal an, oder?

Das ist ein super Auto. Das ist keine Frage, das beantwortet sich von selbst. Man sieht ganz deutlich, dass der Ford Focus ein sehr, sehr gutes Auto ist.

STS: Was sind jetzt deine Perspektiven für die nächsten Rallyes. Du hast gesagt du willst 'Best Of The Rest' werden, wenn man es böse formuliert...

Ja, sozusagen, ich finde das nicht einmal so böse formuliert. Derzeit heißt mein Ziel: 'Best Of The Rest' - weil mehr kann ich aus eigener Kraft nicht herausholen. Ich hoffe schon, dass ich bei der einen oder anderen Rallye, die mir gut liegt, vielleicht ein noch besseres Ergebnis einfahren kann. Du darfst ja nicht vergessen, dass die Rallyes, die wir bislang fuhren noch gar nicht meine Rallyes waren. Mexiko war zwar schon ganz okay, aber es war noch nicht eine Top-Rallye für mich dabei.

Ich muss aber auch dazusagen, dass ich nicht unzufrieden bin. Die Presseleute haben mich nach dem ersten Tag in Portugal gefragt, was ich dazu sage und ich habe geantwortet, dass es total arg ist, wie sich deine Ziele verändern können. Denn ich war in Portugal total happy über meinen siebenten Platz. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich sehr, sehr, sehr gut gefahren bin. Ich habe nicht geglaubt, dass ich dort den Carlsson schlagen kann, der dort schon zweimal gefahren ist und einmal schon gewonnen hat.

STS: Gemessen wirst du halt immer an der letzten Saison.

Ja, klar. Aber das ist auch okay.

STS: Du misst dich ja bis zu einem gewissen Grad auch selbst daran.

Sicher tue ich das. Weil sonst würde ich jetzt nicht da sitzen und sagen, dass ich enttäuscht bin. Fünf Punkte sind eben nur fünf Punkte. Für mich selbst habe ich mehr erwartet - wenn du die letzten drei Rallyes einer Saison mit Podestplätzen abschließt, ist das klar, dass man sich mehr erwartet. Und selbst wenn im Vorjahr bei den letzten drei Rallyes der Loeb gefahren wäre, dann wäre ich sicher einmal auf dem Podium gestanden. Und zumindest habe ich aus eigener Kraft den Petter Solberg geschlagen - bei einer Rallye, wo seine Räder sehr gut funktionieren und wo er selbst bereits dreimal gewonnen hat.

Aber wie gesagt: Dieses Wettrüsten hat derart zugenommen, dass die Kundenautos eben ein bisschen verloren gehen. Nimm den Gigi Galli - wo war der heuer? Ausgenommen drei Prüfungen lang in Schweden. Mit Startnummer 25, wo er auch andere Straßenverhältnisse hatte. Und bei jeder Rallye, wo er auch normale Straßenverhältnisse hatte, war er auch nirgends, er war nicht einmal annähernd irgendwo. Selbst in Portugal am zweiten Tag, als es geregnet hat, wo du sagst: 'Das sind Pirelli-Verhältnisse!' - nichts ist von ihm gekommen, gar nichts.

MNT: Hört sich nicht gut an. Kann man sagen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn Citroen nicht als Werk zurückgekommen wäre und stattdessen sich auch gleich Ford und Subaru zurückgezogen hätten und nur noch Kundenteams fahren würden? Wegen dem Sport?

Nein, nein - du brauchst die Werke.

STS: Man muss halt schauen, dass die Privatteams nicht den Anschluss verlieren - denn wenn die Privaten null Chancen haben, würden die Werke auch keine Autos mehr verkaufen.

Wobei, die verkaufen so viele Autos, das ist ja das Problem. Die drei Werke, die da sind, die lachen sich tot. Die verkaufen mehr als genug. Der Weltmarkt ist groß genug. Ich sage es einmal so: Es wäre sicher gut, wenn alle ein bisschen näher dran wären - um wieder so außergewöhnliche Ergebnisse wie im Vorjahr zu haben.

STS: Du hegst jetzt aber keine Selbstzweifel, in dem Sinn, dass es nicht an dir liegt, dass du derzeit nicht vorne mitfährst, sondern dass es von der Technik und der starken Konkurrenz abhängt.

Nach den ersten drei Rallyes der Saison hätte ich vielleicht noch gesagt: 'Gut, vielleicht bin ich wirklich scheiße gefahren, das sind nicht meine Rallyes.' Aber nach Mexiko und nach Portugal kann ich dir sagen: Aus eigener Kraft komme ich über Platz sechs nicht hinaus. Das ist amtlich, das ist ein Fakt. Das lässt sich derzeit nicht wegreden, das sind die Fakten.

STS: Gut, das ist für dich sicher bis zu einem Grad beruhigend in dem Sinn, dass du nicht glaubst, du hast das Autofahren verlernt.

Keine Frage - wenn du bis im Dezember hinein schnell Auto fahren kannst, dann kannst du das im Jänner auch noch. Sicher gibt es auch Selbstzweifel - aber dafür bin ich dann doch zu lange schon dabei. Ich weiß mittlerweile ganz gut was geht und was nicht geht und was an mir liegt und was nicht an mir liegt.

STS: Wäre mit dem Peugeot mehr gegangen, heuer?

Nein, weil ich glaube, dass die mit dem Auto in punkto Entwicklung jetzt, mit diesen Schritten, nicht mehr hätten mitgehen können. Da hättest du keine Chance mehr. Da, wo ich jetzt bin, da habe ich die Chance, dass morgen oder übermorgen einer kommt und mir diesen oder jenen neuen Teil gibt. Da machst du Schritte nach vorne.

Bei Peugeot gibt es gar nichts mehr, da ist die Geschichte vorbei. Wenn ich mit dem Peugeot weiter gefahren wäre, hätte ich jetzt wahrscheinlich mehr Punkte, aber dafür keine Perspektive. Und die Saison ist ja noch lange nicht vorbei - erinnere dich an den Hirvonen, der hatte im Vorjahr nach fünf Rallyes sieben Punkte, und er ist noch Dritter geworden in der Endwertung. Ich habe nach fünf Rallyes fünf Punkte - dass ich noch Dritter werden kann, ist unrealistisch, aber es ist noch lange nicht aus. Ich bereue überhaupt nicht, dass ich zu Citroen gegangen bin.

STS: Für einen Außenstehenden sieht es vielleicht so aus, dass da 2005 der Citroen war, 2007 wieder der Citroen und dazwischen war der Peugeot, mit dem außergewöhnliche Erfolge erzielt wurden. Und dann denken die Leute: 'Naja, mit dem Citroen kommt er halt nicht zurecht. Mit dem Peugeot ist das super gelaufen...'

Schau, zum Peugeot sage ich dir: ich habe dieses Auto geliebt. Das ist kein Geheimnis. Vielleicht auch deshalb, weil ihn alle so gehasst haben. Der Peugeot war für mich ein ganz besonderes Auto. Alle haben im Vorfeld gesagt, dass man mit dem Auto nie im Leben vorne mitfahren könne - und das hat mich erst recht motiviert. Das hat mich quasi mit dem Auto zusammengebracht.

Und ich muss dazu sagen, dass es im letzten Jahr einige Leute aus dem Peugeot-Werksteam gegeben hat, die noch offene Rechnungen mit dem Rallyesport hatten, die noch etwas beweisen, etwas zeigen wollten. Dementsprechend hatte ich alles zur Verfügung, was für Kunden von Peugeot verfügbar war. Und es gab auch ein Budget für die Entwicklung, das hätte es heuer nicht mehr gegeben.

Ich meine, du kannst nicht alten Zeiten nachtrauern - der Peugeot war für das letzte Jahr das beste, was ich machen hätte können und es ist dabei auch die beste Saison herausgekommen. Es ist viel mehr herausgekommen, als wir uns erwartet haben. Aber dieses Modell hatte ganz eindeutig für 2007 keine Zukunft. Heuer hat Citroen gesagt, dass sie dieses Projekt unterstützen möchten. Warum sie uns dann nicht mehr Material geben, das kann ich auch nicht beurteilen.

MNT: Was sagt Kronos dazu?

Naja, das gleiche. Die wissen ja ganz genau, was los ist, die stellen ja beide Autos. Gewisse Entscheidungen muss man eben akzeptieren und zur Kenntnis nehmen.

MNT: Kann man sich das so vorstellen, dass die bei Kronos nicht enttäuscht sind, weil sie wissen, woran es liegt?

Schau, jeder, der eine Saison um den Titel fährt und der das im Jahr darauf nicht mehr tut ist enttäuscht. Die sind ganz sicher enttäuscht.

MNT: Obwohl sie wissen, warum sie nicht mehr vorne mitfahren?

Für die ist das nicht einfach, so einen gewaltigen Schritt zurück zu gehen. Aber: Die Zeit heilt alle Wunden. Wer weiß, was morgen ist. Fakt ist: Im Team verstehen wir uns alle blendend, alles funktioniert und wir hatten heuer noch keinen technischen Defekt. Das ist ja auch etwas wert. Das Projekt funktioniert ja - was keiner bedacht hat, ist eben, dass diese sechs Werksautos derart große Entwicklungsschritte machen werden, die sind ja extrem. Das ist ganz klar eine andere Welt.

Die Teile 1 und 3 des großen Manfred Stohl-Interviews finden Sie in der Navigation rechts.

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