RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
WRC: Schweden-Rallye

Schweden-Rallye hängt in der Schwebe

Droht der Schweden-Rallye 2016 selbst nach Verkürzung der Route die komplette Absage? Wir haben die aktuelle Situation analysiert.

Aufgrund des dramatischen Schnee- und Eismangels ist die einzige explizite Winterrallye im Kalender der Rallye-WM in Gefahr. Die Route der Schweden-Rallye 2016 musste bereits verkürzt werden, einige Prüfungen wurden abgesagt. Bereits Anfang dieser Woche haben die Veranstalter darüber nachgedacht, die Veranstaltung komplett abzusagen. Sie entschieden sich schließlich für eine verkürzte Route und hoffen nun darauf, dass ihre Wettervorhersagen stimmen, denn kurz vor dem Beginn der Rallye soll es deutlich kühler werden. Wir erklären, wie die Rallye-WM in diese Position geraten konnte, und weshalb der Event noch immer in der Schwebe hängt.

Wie sicher ist es, dass die Rallye durchgeführt wird?

Leider noch gar nicht sicher – sollten die Temperaturen am Mittwoch oder spätestens Donnerstag nicht deutlich unter den Gefrierpunkt fallen, wird es praktisch unmöglich, die Rallye durchzuführen. Die Veranstalter brauchen in den Nächten konstant Temperaturen von minus zehn Grad Celsius. Aufgrund des geschmolzenen Schnees und des Regens steht auf den Straßen Wasser. Gefriert dieses Wasser, hätte man eine soliden Eisuntergrund.

Also ist gar kein Schneefall vonnöten?

Nein, Eis ist viel wichtiger als Schnee. Schnee wäre nur das Tüpfelchen auf dem I; Eis hingegen ist entscheidend. Ohne den Schneewänden am Straßenrand müssen die Fahrer natürlich anders fahren, denn sie könnten sich dann an nichts "anlehnen". Ohne Schnee muss das Auto in der Straßenmitte gehalten werden; somit dürften Kurven nicht geschnitten werden, und man dürfte am Kurvenausgang nicht zu weit nach außen driften.

Sind alle Prüfungen in gleich schlechtem Zustand?

Generell sind die Prüfungen am Freitag in einem etwas besseren Zustand, denn sie befinden sich weiter nördlich, liegen etwas höher, und die Wahrscheinlichkeit einer Schneedecke ist höher. Die SP Torsby und Röjden sind momentan sehr eisig. Andererseits ist Kirkenær in Norwegen derzeit eher ein Schwimmbecken, weshalb sie auch abgesagt wurde.

Welche Konsequenzen gäbe es, wenn man ohne Schnee- oder Eisschicht fahren würde?

Die Straßen würden komplett zerstört. Jeder Reifen enthält 384 Spikes, das sind pro Auto 1.536 Metallstifte, welche die weichen Schotterstraßen aufreißen würden. Es würde nicht lange dauern, bis in den Bremszonen und am Kurvenausgang sehr tiefe Fahrrillen entstünden. Für die Sicherheit wären zwei Aspekte kritisch: Die Spikes würden nur rund 20 Kilometer halten, bevor sie herausbrechen. Wenn dann ein Auto wieder über eine Eisfläche fahren müsste, kann kaum noch verzögert werden. Sollte ein Auto neben der Strecke landen, würden Rettungsfahrzeuge auf den zerstörten Straßen viel länger zum Unfallort brauchen. Dann gibt es noch den finanziellen Aspekt: Rallyeveranstalter zahlen für die Wiederherstellung der Straßen. Würde man also ohne Schnee oder Eis fahren, wäre das vermutlich der sichere Bankrott für eine Veranstaltung, die ohnehin ein schmales Budget hat.

Könnte man die Rallye nicht mit Schotter- statt mit Spikereifen fahren?

Nein, denn es handelt sich hochoffiziell um eine Schneerallye. Das bedeutet, dass Spike- oder zumindest Schneereifen mit tiefem Profil zu verwenden sind. Die Reifenfirmen können also nicht einfach Schotterpneus mitbringen, denn der Event darf nur bei Schnee und Eis stattfinden. Außerdem sind die geplanten Kontingente schon längst vor Ort; es bliebe selbst bei kurzfristiger Änderung der Ausschreibung nicht genug Zeit, hunderte neue Reifen nach Karlstad zu bringen.

Gibt es Winterrallyes, die ohne Spikereifen gefahren werden?

Ja, der Saisonauftakt der US-amerikanischen Meisterschaft in Michigan wird ohne Spikereifen gefahren, obwohl es dort stets viel Schnee und Eis gibt. Das hängt auch von der regionalen Verkehrsordnung ab. An manchen Orten sind Spikes auf der Straße nicht erlaubt. Zum Beispiel werden Leihwagen in Norwegen nie mit Spikes hergegeben, in Schweden ist dies aber sehr wohl der Fall.

Es hat den Anschein, dass es bei dieser Rallye regelmäßig zu Schneemangel kommt. Sollte sich die Rallye-WM nach einem anderen Austragungsort für ihre Winterrallye umsehen?

Es gibt hartnäckige Gerüchte, dass über andere Winterrallyes nachgedacht wird, aber noch keine konkreten Gespräche. Spekuliert wird über Events in Russland, Japan oder China. Diese Länder können im Winter mit sehr gute Veranstaltungen aufwarten. Man darf damit rechnen, dass der Promoter der Rallye-WM in naher Zukunft in diesen Ländern vorstellig wird. Auch ein weiter nördlich zwischen Trondheim und Ostersund gelegener schwedischer Wintersportort wird regelmäßig als potenzieller Kandidat genannt. Das Problem ist, dass die dortige Region keine finanzielle Unterstützung gewähren will – zumal das Skigebiet ohnedies keine Schwierigkeiten haben dürfte, im Winter seine Hotels zu füllen. Die Arctic Lapland Rally mit Basis in Rovaniemi wäre eine weitere Möglichkeit; allerdings gibt es in Finnland bekanntlich schon einen WM-Lauf.

Wie schlimm ist diese Situation für die Schweden-Rallye?

Ziemlich schlimm – ihre Wirtschaftlichkeit ist schon in guten Jahren sehr prekär. Sollte die Rallye abgesagt werden müssen, könnte das schwerwiegende finanzielle Auswirkungen haben. Teile des Geldes wurden schon ausgelegt. Sollten die Straßen durch die Rallye nachhaltig beschädigt werden, könnten die Reparaturkosten ihr Todesurteil sein. Außerdem streiten die Veranstalter mit dem WM-Promoter über die Höhe der Gebühren, die man für das Privileg eines WM-Laufs bezahlen sollte.

In der Europameisterschaft wurde heuer die Liepāja-Rallye verschoben. Ist es richtig zu behaupten, dass so etwas aufgrund des Klimawandels nun häufiger passiert?

Nicht unbedingt. Diese Rallye wurde wegen Schneemangels auch schon 1990 abgesagt. Seitdem hat das Wetter zum Teil optimal gepasst, manchmal eben nicht: In einigen Jahren war es außergewöhnlich, mit Temperaturen von minus 40 Grad und Monsterbergen aus Schnee am Straßenrand; andererseits gab es auch Jahre, in denen es die ganze Veranstaltung lang durchgeregnet hat.

Wird sich die Situation im nächsten Jahr ändern?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ja. Der Promoter der Rallye-WM will bei einer Winterrallye natürlich auch Schnee zeigen, wenn sie im Fernsehen ausgestrahlt wird. Politisch ist die Situation momentan interessant, denn beim Promoter stehen die Winterrallyes nicht gerade Schlange, und die Schweden-Rallye scheint von der Popularität und damit der Rentabilität der Meisterschaft ernüchtert zu sein. Es könnte also gut sein, dass es im nächsten Jahr gar keine Winterrallye mit WM-Status mehr geben wird.

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

WRC: Schweden-Rallye

Weitere Artikel:

Lavanttal-Rallye: Nach SP5

Ein Revival der letzten Jahre

Bei der 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg liefern sich der Führende Simon Wagner und Hermann Neubauer ein altbekanntes Sekundenduell / Eine Kärntner Führung gibt es durch Patrik Hochegger bei den Historischen

Lavanttal-Rallye: Vorschau Schart

Angelegenheit des Herzens

Nach dem frühen Ausfall bei der Rebenland-Rallye ist es der besondere Wunsch von Andreas Schart, die in Kürze stattfindende Lavanttal-Rallye stilgerecht und ergebnismäßig erfolgreich zu beenden...

Lavanttal-Rallye: Vorschau ZM Racing

Drei Teams vertreten die Farben von ZM-Racing

Neben Fabian Zeiringer (Stmk) und Christoph Zellhofer (NÖ), startet auch der Deutsche Gast Björn Satorius unter der Flagge von Max Zellhofer in Kärnten

Lavanttal-Rallye: Lokalmatadore

Ein heißer Fight um den vorletzten Platz

Bei der 46. LASERHERO Lavanttal-Rallye powered by Dohr-Wolfsberg am 5. und 6. April hat der 71-jährige Lokalmatador Kurt Jabornig nur das Ziel, nicht Letzter zu werden / Insgesamt sitzen 36 Teilnehmer/innen mit Kärntner Wurzeln in den Boliden