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Müller-Momente

Beim Tourenwagen-WM-Wochenende in Brünn hießen einige der Hauptakteure Müller; es gab Laufsiege für BMW und - etwas unerwartet - Chevrolet.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Zunächst einige News aus der WTCC-Szene: ab 2007 erhält der Formel-Nachwuchs im Rahmen der WM seine Chance. Eine neue Support-Serie mit identischen Formel-Autos aus dem italienischen Hause Tatuus ist geplant, 2l-Motoren noch unbekannter Herkunft mit 250 PS sorgen für den Vortrieb. Der bisherige Entwicklungspartner von Alfa Romeo, N.Technology, ist bei diesem Projekt mit im Spiel.

Ob mit oder ohne N.Technology, man wird nächstes Jahr wohl doch wieder Autos der Marke Alfa Romeo in der WTCC sehen, und wahrscheinlich wird es das Modell 147. Eine offizielle Ankündigung wird für den Pariser Autosalon erwartet. Vielleicht wird es ja nächstes Jahr auch etwas mit dem Einstieg von Lada in die Tourenwagen-WM; dieser Tage wurde für heuer endgültig abgesagt. Laut Technik-Partner MTEC sind Rochaden im Management verantwortlich für das doch etwas peinliche Platzen des Einsatzes.

Zum Meeting in Brünn: Beim tschechischen EM-Lauf 2004 konnte man das Publikum beinahe einzeln mit Handschlag begrüßen, zwei Jahre später ging das WM-Weekend vor einer stattlichen Zuschauerkulisse (offiziell 46.000) über die Bühne. Am Rahmenprogramm hapert es seit der Abspaltung der GT-Meisterschaft noch etwas, aber die WTCC-Läufe hatten es dann in sich.

Lauf 1: Alles Müller

Die Hecktriebler haben in Brünn traditionell ihre Vorteile, der stehende Start kommt der BMW-Meute zusätzlich entgegen: So geschah es, daß Jörg Müller und Alex Zanardi dem Polesetter Gabriele Tarquini im Seat gleich auf den ersten Metern mehr oder weniger davonfuhren. "Spiderman" Tarquini kam keine vier Kurven weit, dann stolperte er ins Aus. Der Stolperstein hieß Andy Priaulx. Die Herren dürfen die Schuldfrage privat klären, die Offiziellen sagen "Rennunfall".

Ebenso traditionell ist die Schwäche der Alfa Romeo 156 in Brünn, ironischerweise die Lieblingsstrecke von Alfa-Star Augusto Farfus. Auch er sah das Ende der ersten Runde nicht. Garnicht bis zum Start kam Rickard Rydell: er würgte seinen Seat Léon bereits in der Einführungsrunde ab, am Start blieb er stehen - das wars für den Schweden.

Müller und sein "Kurschatten" Zanardi setzten sich dann unwiderstehlich ab, dahinter hielt das Seat-Duo Yvan Muller und Jordi Gené den Rest der Meute auf, angeführt von Priaulx. Alain Menu im schnellsten Chevy raufte bereits mit den äußerst flinken Top-Privatiers Tom Coronel (Seat) und Luca Rangoni (BMW).

Zanardi setzte Müller die längste Zeit ordentlich unter Druck, aber der Deutsche war an diesem Tag in Sieglaune. Hinter den beiden BMW 320si hatte Muller ein recht ruhiges Rennen, während Gené sich mit Zähnen und Klauen den verbissen drängelnden Priaulx auf Platz 5 verwies.

Der schnellste Privatier war Rangoni im Proteam-320er, der die längste Zeit mit Dirk Müller im Werks-BMW raufte. Auch er segelte von der Strecke, Tom "Eat my dust" Coronel bedankte sich artig und streifte auf Platz 6 den Independent-Sieg ein.

Resultat Lauf 1

Auf dem wertvollen achten Platz, und somit auf der Pole Position für den zweiten Lauf, war nach einer Sturmfahrt vom Ende des Feldes Rob Huff im Chevrolet Lacetti.

Lauf 2: Huff the magic dragon

Reihe 1 in Blau: Huff auf Pole, neben ihm sein Kollege Menu. Die BMW legten wieder NASA-mäßige Starts hin, Priaulx zischte von 5 auf 2, Jörg Müller von 8 auf 4. Alain Menu hatte ab da alle Hände voll zu tun, seinen dritten Platz zu verteidigen.

Huff hatte somit Weiß statt Blau im Rückspiegel - ein unangenehmer Anblick. Ein einziger Fehler würde genügen... - Priaulx ließ nicht locker, aber sein junger Landsmann blieb cool und brachte Chevy in souveräner Manier den zweiten WTCC-Sieg.

Dahinter war die Hölle los: Zanardi und Yvan Muller rauften um Rang 5, der Italiener setzte sich durch. Alain Menus Müller-Moment kam in der vierten Runde: In der Zielkurve ließ Jörg Müller "stehen", Menus Chevy zerschellte am Schnitzer-BMW. Zanardi tauchte auf Platz 3 auf, gejagt von Yvan Muller im Seat und Jörg Müller.

Von da an mußte Zanardi zunehmend defensiv fahren, um sich Muller & Müller vom Leib zu halten. Die Müllers waren in der Überzahl: in der letzten Runde kreiselte der BMW des Italieners in den Kies. Zanardi und Yvan M. sind spezielle "Freunde", diese Freundschaft wird sich vertieft haben.

Bei den Unabhängigen hatte Coronel spätes Technik-Pech, Stefano d'Aste im Proteam-BMW ließ sich nicht zweimal bitten: Erster Independent-Sieg für den Italiener.

Resultat Lauf 2

In der Tabelle hat Priaulx (58 Punkte) jetzt bereits neun Punkte Vorsprung auf James Thompson (49), Alfa-Mann Farfus bleibt trotz Allem Dritter (46). Die Privatiers-Wertung führt unverändert Tom Coronel an, in Holland wird der Sekt schon eingekühlt sein.

Von der Tschechischen Republik reist der WTCC-Tross weiter ostwärts, am 24. September starten die Tourer in Istanbul.

Stimmen nach dem Rennen:

Rob Huff: “Gestern abend war der Gedanke an einen Sieg noch eher unrealistisch – ich musste vom 24. Platz ins Rennen gehen. Aber ich habe mich auf den achten Platz nach vor gearbeitet und hatte damit die Pole (für Lauf 2). Ich habe den besten Start der Saison hingelegt, aber mir ist bewusst geworden, dass Andy hinter mir war; also habe ich gepusht und über die ersten Runden einen Abstand aufgebaut. Drei Runden vor Schluß habve ich einen kleinen Fehler im Turn 10 gemacht, und Andy war an meiner Stoßstange dran, aber nicht nah genug zum Überholen. Ich habe bis zur Ziellinie nicht geglaubt, dass ich gewonnen habe. Dieses Wochenende zeigt, dass wir in den letzten drei Monaten die richtige Entwicklung am Auto betrieben haben, und das zahlt sich jetzt aus: wir sind offensichtlich um Einiges schneller und halten das noch dazu über die gesamte Renndistanz durch. Nach Mexiko (Anm.: schwerer Unfall in Puebla) hat mein Team das Auto in einer Woche wieder aufgebaut. Alles, was vom Originalauto übrig war, war das Lenkrad! Dieser Sieg ist für sie.“

Jörg Müller: „Ich habe dieses Wochenende einige wertvolle Punkte sammeln können, aber Andy trotz des Ballastes war gut beinander, also hab ich nicht sehr viel aufgeholt. Wir müssen hart dran arbeiten, unser Auto auch dann auf Trab zu bringen, wenn mehr Gewicht an Bord ist. Mein Start in Lauf 1 war großartig, aber Alex (Zanardi) hat scheinbar einen noch besseren erwischt, denn er war dann direkt an meiner Stoßstange.Die Brünner Strecke ist sehr breit, deshalb hat mir der Turn 3 Sorgen gemacht – jeder hat einen Windschatten erwischt, es war ein Riesen-Durcheinander. Ich war schon froh, ohne Fehler durchgekommen und nicht überholt worden zu sein. Fronttriebler am Kurveneingang Überholen ist schwierig, deshalb bin ich an Yvan (Muller) in Lauf 2 drei Runden lang nicht vorbeigekommen. Im selben Lauf waren Alain (Menu) und ich nebeneinander, die Räder haben touchiert und er ist rausgeflogen. Ich habe Glück gehabt, dass ich in der Spitzengruppe weiterfahren konnte, meine Lenkung war verbogen wie eine Banane!“

Andy Priaulx: „Das war ein gutes Wochenende für mich! In den ersten Trainingssessions wars für uns schwer, eine Balance zu finden; nach dem Qualifying haben wir dann aber eine Lösung gefunden, und das Warm-Up war prima. Dann wars eine Frage von „Sauber bleiben“ und beide Rennen durchfahren, denn wie ich schon bewiesen habe, sind Rennsiege nicht unbedingt der Weg zum Titel. Der Zwischenfall mit Gabriele (Tarquini) und mir war unglücklich, er tut mir leid. Es war einer dieser Momente, wo alle eng beisammen sind, und das hat Gabriele auf eine langsame Außenlinie gezwungen. Ich hab den Schwung für einen Angriff auf der Innenseite gehabt, und er hat das wohl nicht erwartet; er hat sich die Kurve vorgenommen, und da war ich. – Rob Huffs Leistung im zweiten Rennen will ich in keiner Weise schmälern. Er und Chevrolet haben gute Arbeit geleistet. Hätte er einen Fehler gemacht, hätte ich versucht zu gewinnen.“

Alessandro Zanardi: „Ich war froh über den zweiten Platz in Lauf 1, denn ich habe alles getan, was ich konnte. In der ewrsten Runde habe ich den Eindruck gehabt, dass ich über die Renndistanz wohl angreifen kann. Aber meine Reifen haben abgebaut; und Jörg hatte wohl dasselbe Problem, aber er ist entweder besser gefahren als ich oder war besser drauf. Ich habe kleine Fehler gemacht, und jedes Mal ist er ein paar Meter weiter weggezogen; am Schluß habe ich die weiße Flagge gehisst und mich mit Rang 2 zufriedengegeben. Der Zwischenfall im Lauf 2 zwischen mir und Yvan ist Ansichtssache, und die Stewards müssen das entscheiden. Ich sag nur soviel: es war ein Fall von „wenn man schon eine Stoßstange hat, sollte man sie auch benutzen“.

Yvan Muller: „Was die Sache mit Alex betrifft, stimme ich ihm ausnahmsweise einmal zu: Es ist jetzt Sache der Stewards. Ich war mit Platz 4 zufrieden, aber ich musste mich gegen Jörg wehren, und zu meiner Überraschung war da am Ende der Geraden eine Überholmöglichkeit gegen Alex auf der rechten Seite. Ich muß sagen, dass jeder andere in dieser Position dasselbe getan hätte (wie ich). In der Meisterschaft kann noch alles passieren. Ich habe in den letzten zwei Runden schlechte Resultate gehabt, darum musste ich hier gut sein und Punkte machen. Es ist möglich, dass in Macau (beim Saisonfinale) fünf, sechs oder sieben Fahrer eine Chance auf die Meisterschaft haben.“

Tom Coronel: „Das erste Rennen ist gut gelaufen, und das Auto war sehr gut. Ich habe mnich nur um meine Punkte gekümmert und wollte natürlich in den Top 8 sein. Es war recht lustig: Menu hat absichtlich einen Fehler gemacht, damit er auf Platz 8 und damit auf die Pole für Lauf 2 rutscht, also hab ich den sechsten Platz übernommen – warum nicht? Im zweiten Rennen habe ich bemerkt, dass die Motorleistung nachlässt, dann habe ich ein Warnlicht am Armaturenbrett gesehen. Mein Teammanager hat mir gesagt: „du fährst ein Rennen, bleib nicht stehen“ – aber letztlich hat mir das Auto die Entscheidung abgenommen.“

Stefano D’Aste: „Das Wochenende hat schlecht angefangen, wir haben zwei Getriebe ruiniert. Wir haben aber hart gearbeitet und unsere Probleme behoben. In der ersten Runde hat sich das Auto schlecht angefühlt, ist dann aber besser geworden, und ich habe ein paar Leute überholen können. Im zweiten Rennen habe ich im Kampf mit Terting und Sharp einige Zeit verloren, und damit auch die Tuchfühlung zu den führenden Autos. In den letzten Runden habe ich dann mein Auto angefleht, in einem Stück zu bleiben, und das Auto hat mich gehört!“

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