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In der Schräge liegt der Saft

Mit dem ID.7 möchte VW nun auch in der gehobenen Mittelklasse elektrisch angreifen. Ob die Operation gelungen ist. Und ob Fehler der Vergangenheit nun der Vergangenheit angehören.

Roland Scharf

Ferdl hatte doch Recht. Die erste Studie des Phaeton von vor 25 Jahren hieß D2 und galt als Idee eines Luxusmobils von Volkswagen. Gestaunt hat jeder nicht über die Idee an sich, sondern vor allem über das Schrägheck mit großer Klappe. Von Stufenheck keine Spur. Heute und ein paar Limousinen später steht der ID.7, das Flaggschiff der ID.-Baureihe, nun mit ziemlich genau so einem Hinterteil vor uns. Auch die große Heckklappe hat es in die Serie geschafft, was den Kofferraum natürlich gleich viel nutzbarer, und die Abgrenzung zum kommenden Kombi namens Tourer etwas schwierig gestalten könnte. Aber dieses Problem hatte ja auch schon der Arteon, falls sich noch jemand daran erinnern sollte.

Aber schauen wir uns den Wagen an sich einmal etwas näher an: Als gstandener Fünfsitzer bietet der ID.7 jede Menge Platz in beiden Reihen. Die Kniefreiheit im Fond überrascht sogar, das können weit größere Fahrzeuge auch nicht besser. Was weiters positiv auffällt, sind die famosen Sitze. Die kosten zwar Aufpreis, sind aber großzügig dimensioniert und wohlgeformt, um selbst auf Langstrecken selbst bei groß Gewachsenen gut anzukommen. Womit wir schon bei einem wichtigen Punkt wären: der Reichweite. VW gibt 612 Kilometer an, die mit dem verbauten 77-kWh-Akku drin sein sollen. Wir würden sagen, dass das vielleicht eine Spur zu optimistisch ist. Aber im normalen Fahrmodus und gewohnter Fahrweise bei den derzeit herrschenden MInus-Graden schafft man 19,3 kWh im Schnitt, was zwar weit von den angegebenen 14 kWh entfernt ist, dennoch aber für gut 400 Kilometer reicht, und absolut in Ordnung geht.

Angeboten wird der ID.7 übrigens nur als Pro mit 210 kW-Motor, besagtem Stromspeicher und Heckantrieb. Damit ist er mehr als standesgemäß motorisiert, mehr braucht wirklich niemand. Was viel mehr auffällt, ist die ausgewogene Abstimmung. Die Kombination aus moderatem Fahrwerk, gefühlsechter Lenkung und niedrigem Schwerpunkt der flachen Karosse lässt fahrdynamisch nichts vermissen. Wie ein heißes Messer durch Butter sticht der große Stromburger durch Kurven, nimmt Unebenheiten mit unerschütterlicher Lockerheit und lässt kein einziges Knistern oder Knarzen von sich hören – punkte Verarbeitung hat VW hier also im Vergleich zu preiswerteren Stromern deutlich nachgelegt.

Was natürlich zu einem langanhaltenden Kritikpunkt führt: Hat man auch bei der Bedienung entsprechend nachgebessert? Klare Antwort: jein. Es ist schon richtig, dass die nicht sonderlich beliebten Slider nun dezent beleuchtet sind. Die grundsätzliche Problematik der nichtexistenten Knöpfe und der fummeligen Touchfelder auf dem Lenkrad blieb aber bestehen, wobei alles dank des großzügig dimensionierten Touchscreens, der in der flachen Limousine auch besser zu erreichen ist als in ID.4 und Co, ein wenig seinen Schrecken verliert. Vor allem wenn Apple CarPlay oder Android Auto aktiviert wurde, sind die Basiseinstellungen schnell vollzogen, zumal das ganze System nach dem großen Update letzten Herbst, das so ziemlich alle Modelle aus dem VAG-Konzern erhielten, auch wirklich stabil zu laufen scheint. Und mit ein wenig Übung kommt man auch schnell in die entsprechenden Untermenüs, um die Massagefunktionen der Vordersitze zu aktivieren beispielsweise. Von der Seite also: gut gemacht, wobei das leider nicht auf alle Details zutrifft.

Exemplarisch sei hier die Fensterheberschalterei erwähnt, die nach wie vor nur aus zwei Knöpfen besteht, die über einen Umschalter zwischen vorne und hinten eine Doppelfunktion erfüllen. Oder die unübersichtliche Außenspiegelverstellung, -anklappung und -beheizung. All diese Kleinigkeiten, die einfach nerven können. Und für deren geniale, weil absolut logische Umsetzung VW Jahrzehnte lang ja so bekannt und beliebt war.
Für wen ist der ID.7 also die richtige Wahl? Immerhin bekommt man für den Einstiegspreis auch schon einen ID. Buzz, wobei man für einen so wie unseren bestückten Siebener schon rund 75.000 Euro hinblättern muss. Fakt ist jedenfalls: Fahraktiver ist sonst kein Strom-VW, besser verarbeitet auch nicht. Ideal also für alle, die viele Kilometer abzuspulen gedenken, oder zumindest viel Zeit auf der Autobahn verbringen. Ob damit vielleicht sogar eine Renaissance der guten alten Geschäftslimousine eingeläutet werden könnte? Mal sehen, ob auch in diesem Punkt der Ferdl Recht gehabt haben könnte.

Spezifikation



Leistung (kW/PS)

210/286

Drehmoment (Nm)

545

0-100 km/h (in Sek.)

6,5

Verbrauch (kWh/100 km)

­19,2

Antrieb

Hinterrad

Akkukapazität (kWh)

77

Reichweite (WLTP)

621

Ladestandard AC (Steckertyp, Leistung in kW, Phasen)

Typ 2, 11 kW, 3 p.

Ladestandard DC (Steckertyp, Leistung in kW) 

CCS, bis zu 150 kW

Kofferraumvolumen

532-1.586

Batteriegarantie

160.000/8 Jahre

Listenpreis (inkl. MwSt.)

ab 59.990,-

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