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Rallye-WM: Neuseeland

Peinlich: Mehr Punkteplätze als Teilnehmer

Neun World Rally Cars starten in Neuseeland, auch in der SWRC gibt es mehr Punkteplätze als Teilnehmer. Dafür gibt es satte 400 SP-Kilometer…

Michael Noir Trawniczek

Im fernen Neuseeland steigt am kommenden Wochenende die fünfte Runde zur Rallye-Weltmeisterschaft – diese wird in so fern in die Geschichte eingehen, als dass es in der großen WRC-Klasse nun wohl endgültig das kleinste Starterfeld seit Gründung der Weltmeisterschaft zu beklagen gibt: Gerade einmal neun World Rally Cars werden über die Startrampe rollen!

Dabei wären es beinahe nur acht gewesen – denn Sébastien Ogier respektive das Citroen Junior Team war eigentlich gar nicht vorgesehen, Teamkollege Kimi Räikkönen wird daher auch wie geplant nicht am Start sein. „Mini-Séb“ Ogier wurde, so die offizielle Version, für seine „Hilfsbereitschaft“ belohnt - weil er in Jordanien einen möglichen Podestplatz opferte, als er am SP-Start zu früh erschien und entsprechende Strafminuten kassierte, nur um als erster Pilot den „Staubsauger“ für Citroen-Werkspilot Sébastien Loeb zu spielen…

Derartige taktische Schachzüge, also zu frühes oder zu spätes Stempeln an den Zeitkontrollpunkten, soll es in Neuseeland nicht geben – schon in der Türkei haben sich die beiden in der WRC vertretenen Hersteller darauf geeinigt, nicht mehr in dieser Tiefe in die Taktiktrickkiste zu greifen. Bekanntlich hat die FIA in der Türkei mit der Anwendung jenes Gummiparagraphen gedroht, der sämtliche Aktionen unter Strafe stellt, die „dem Ansehen des Sports schaden“. Seither wird auf den letzten Wertungsprüfungen einer Etappe nicht mehr ungeniert herunter gebremst, um am nächsten Tag nicht als erster Wagen den losen Schotter von den Strecken fegen zu müssen – es wird nun raffinierter, versteckt agiert, es wird den ganzen Tag darauf geachtet, dass ein Loeb oder ein Hirvonen nicht in die Verlegenheit geraten, das Feld anzuführen.

Ogier wird als „Staubsauger“ benötigt

Gerade in Neuseeland gibt es sehr vielen losen Schotter. Die Startposition ist dort von großer Bedeutung. Wenn Citroen-Teamchef Olivier Quesnel in einem Teaminterview erklärt: „Wir werden sehen, was in Neuseeland passiert, denn dort kann die Startreihenfolge entscheidend sein“ – dann kann man zwischen den Zeilen lesen: Wir werden uns sehr gut tarnen, deshalb brauchen wir auch Sébastien Ogier vor Ort.

Mit Sicherheit wird der Franzose die ersten beiden Tage weit vorne liegen, vielleicht sogar wird er führen. Citroen hat noch einen Trumpf im Ärmel: Man kann Ogier gegen Werkspilot Sordo ausspielen, Ogier gilt als möglicher Nachfolger des heuer ziemlich blassen früheren Juniorenchampions - so hat man am Samstag und wenn nötig am Sonntag gleich zwei „Staubsauger“.

Petter Solberg in NZL 2008 noch auf Subaru...

Petter Solberg darf (fast) alles

Nicht das zweite in der WM vertretene Werk stellt in der aktuellen Tabelle den stärksten „Loeb-Jäger“, mit Petter Solberg liegt ein Privatier und Citroen-Kunde auf Platz zwei. Solberg hat sich eine gute Position erkämpft, er darf vieles – so lange er hinter Loeb bleibt und Hirvonen Punkte wegnimmt.

Der Weltmeister des Jahres 2003 nützte seinen Status als Privatier und hat am Wochenbeginn in Neuseeland auf einer laut seinem Teammanager Ken Rees repräsentativen Schotterstraße getestet, die Werksteams dürfen das nicht. Der Clou dabei: Die Neuseeland-Rallye übersiedelte zurück ins nördliche Auckland und wird heuer als Mischrallye abgehalten, wobei die Mehrzahl der Prüfungen auf Schotter abgehalten wird. Der Shakedown jedoch findet auf Asphalt statt. Wenn also am Freitagmorgen die erste SP (auf Schotter) gestartet wird, sind die Werksfahrer zuletzt 2008 auf neuseeländischem Schotter gefahren, denn 2009 setzte die Rallye aus. Gerade in Neuseeland ist der Schotter ziemlich speziell, die „Auffrischung“ beim Test könnte Solberg entgegenkommen. Sein Teammanager wiegelte jedoch gegenüber der offiziellen WRC-Website ab: „Das stimmt schon – aber die Werksteams haben in Europa wesentlich mehr für die Neuseeland-Rallye getestet als wir hier vor Ort.“

Ford im Rückstand – der Focus im Nachteil?

Das Ford-Werksteam geriet auf den drei zuletzt absolvierten Rallyes ins Hintertreffen. Obschon diese großteils auf Schotter gefahren wurden - und dieser Belag gilt allgemein als jener, auf dem Ford-Titelkandidat Mikko Hirvonen die größten Chancen einer Loeb-Bezwingung hat. Hirvonen hat nicht nur in Jordanien eine Nullnummer fabriziert, er wurde in Mexiko von Solberg und Ogier geschlagen, in der Türkei blieb dem Finnen abermals nur der dritte Platz hinter Loeb und Solberg. Seine Fans verweisen auf eine Überlegenheit des Citroen C4 WRC. Dem könnte man wiederum entgegenhalten, dass ein Latvala in Jordanien sehr wohl vor Solberg Platz zwei belegen konnte. Ein Argument für eine Überlegenheit des C4 wiederum wäre die Tatsache, dass sich heuer auch ein Henning Solberg schwer tut, einen Ogier hinter sich zu halten.

Wie auch immer. Und warum auch immer Hirvonen nach nur vier Rallyes bereits 41 Zähler hinter dem Serienweltmeister liegt – will man tatsächlich noch ernsthaft um den WM-Titel kämpfen, müssen auf Schotter Siege errungen werden, und zwar sehr bald! Schließlich folgen in dieser Saison noch vier Asphalt-Rallyes, die im Normalfall ein leichtes Spiel für Sébastien Loeb darstellen. Man könnte also durchaus sagen: Sollte Hirvonen weiterhin gegen Loeb unterliegen, kann er den Titel schon bald abschreiben.

Längste Rallye seit 2004

Mit 400 Wertungskilometern ist die Neuseeland-Rallye 2010 die längste seit Deutschland 2004. Der WM-Tross wird wegen der Rückkehr nach Auckland wieder Prüfungen in Angriff nehmen, die zuletzt im Jahr 2005 absolviert wurden. Es handelt sich um schnelle Schotterstraßen mit einem nach außen abfallenden Profil. Hirvonen erklärt: „Dadurch ergeben sich gewissermaßen überhöhte Kurven. Das ermutigt dich anzugreifen, kann dich aber auch austricksen. Wenn wir bei Richtungswechseln von einer abfallenden Straßenseite auf die andere wechseln, springt das Auto oft. Und wenn du beim Anbremsen auf der falschen Straßenseite fährst, bekommst du ein Problem, weil das Auto einfach ins Rutschen gerät.“

Dazu kommen einige Prüfungen auf Asphalt. Weil in Neuseeland derzeit der Herbst regiert, werden die Temperaturen nicht allzu hoch sein. So wird es schwierig, auf Asphalt die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Hervorzuheben ist auch: Auf jeder Etappe gibt es eigene Remote-Service-Zonen. Ganz allgemein sollen die Strecken im Norden wesentlich schneller sein als jene im Süden.

Solberg & Minor: „Best of the Rest“ ist ein hochgestecktes Ziel

In dem kleinen Starterfeld sind auch die Stobart Ford-Piloten Henning Solberg und Ilka Minor vertreten. Die Kärntner Co-Pilotin und ihr norwegischer Pilot hatten es zuletzt schwer, ihr erklärtes Ziel zu erreichen: Sie wollen hinter den vier Werkspiloten Loeb, Sordo, Hirvonen und Latvala jeweils Platz fünf belegen, als beste Privatiers. Doch der starke Petter Solberg, der starke Citroen Junior Ogier haben dieses Vorhaben zuletzt vereitelt.

Henning Solberg erklärt: „Die Neuseeland-Rallye ist eine gute Rallye für mich, ich konnte 2008 einige wirklich schnelle Zeiten fahren. Es ist schade, dass wir in der Türkei so früh am ersten Tag aufgeben mussten…“ Neben Solberg/Minor wird auch wieder Matthew Wilson einen Stobart Ford Focus pilotieren. Dazu kommt Federico Villagra im Munchi’s Ford.

SWRC: Mehr WM-Punkte als Teilnehmer

In der neuen SWRC für Super 2000-Boliden sind nur sieben Fahrzeuge am Start, davon gleich vier Ford Fiesta S2000: Darunter jener von Tabellenleader Xavier Pons, der mit 50 Punkten in der Meisterschaft führt – seine stärksten Verfolger (mit jeweils 40 Punkten am Konto) sind jedoch nicht am Start: Eyvind Brynildsen hat Neuseeland von vornherein als Streichrallye nominiert, Per Gunnar Andersson scheint nicht in der Nennliste auf. Bleibt Martin Prokop, der 33 Punkte aufweist.

Dazu kommen zwei Skoda Fabia S2000 von Nasser Al-Attiyah und Red Bull Rallye Team-Pilot Patrik Sandell, der bereits 28 Zähler Rückstand aufweist. Zudem ist noch ein Fiat Abarth Grande Punto S2000 am Start.

In der PWRC sind immerhin zwölf Fahrzeuge genannt – der Tabellenleader Armindo Araujo setzt jedoch wie geplant in Neuseeland aus, so könnte Patrik Flodin die Führung in der Produktionsweltmeisterschaft übernehmen.

Nach einem zeremoniellen Start am Donnerstagabend wird die Neuseeland-Rallye am Freitagmorgen um 9.03 Uhr Ortszeit (MESZ: Donnerstag 23.03 Uhr) mit der SP 1 „Waipu Gorge“ eingeläutet.



WM-Stand WRC

 1. LOEB Sébastien             93 Punkte
 2. SOLBERG Petter             53 Punkte
 3. HIRVONEN Mikko             52 Punkte
 4. LATVALA Jari Matti         47 Punkte
 5. OGIER Sébastien            45 Punkte
 6. SORDO Dani                 24 Punkte
 7. WILSON Matthew             22 Punkte
 8. VILLAGRA Federico          20 Punkte
 9. SOLBERG Henning            18 Punkte
10. RÄIKKÖNEN Kimi             14 Punkte


WM-Stand Hersteller WRC

 1. Citroen                   126 Punkte
 2. Ford                      111 Punkte
 3. Citroen Junior Team        75 Punkte
 4. Stobart Ford               56 Punkte
 5. Munchi's Ford              26 Punkte


WM-Stand SWRC

 1. PONS Xevi                  50 Punkte
 2. ANDERSSON Per-Gunnar       40 Punkte
 =. BRYNILDSEN Eyvind          40 Punkte
 4. PROKOP Martin              33 Punkte
 5. SANDELL Patrik             22 Punkte


WM-Stand PWRC

 1. ARAUJO Armindo             58 Punkte
 2. FLODIN Patrik              50 Punkte
 3. GRÖNDAL Anders             18 Punkte
 =. ARAI Toshihiro             18 Punkte

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