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Steife Brise

Den Wunsch, ein paar Klassen zu überspringen, hegte VW schon seit Jahrzehnten. Der Santana bewies jedoch, dass Schnürlsamtbezüge und eine scharfe Stufe dafür doch ein wenig zu wenig ist.

Roland Scharf

Es war unbestritten eine Zeit des Aufbruchs. Ende der 1970er-Jahre hatte der VW-Konzern die schlimmsten Zeiten überstanden. Die Ablöse des Käfer durch den Golf, die Markteinführung von Polo, Scirocco und auch Passat, alles lief eigentlich nach Plan. Beliebter und bunter war die Palette noch nie, zudem stand ein völlig neuer Bus unmittelbar vor der Markteinführung – man hätte eigentlich zufrieden sein können.

Aber wie das gerade bei deutschen Unternehmen so gerne nun einmal ist – man meint dann oft, noch eins oben drauf setzen zu müssen. Wagen fürs Volk gibt es jetzt ja mehr als genug. Aber den oberen 10.000 könnte man ja auch einmal ein wenig etwas fein zubereitete Hausmannskost anbieten. Dazu hat man ja einen großen Konzernbaukasten. Und da der neue Passat, Generation 2, ohnehin gerade in Arbeit war, konnte man da ja einfach noch ein kleines Nebenprojekt mit anhängen.

Heraus kam der Santana. Mit den Winden hatte man es damals so in Wolfsburg. Und das, obwohl ausgerechnet die Optik dieses Modells garantiert keinen Scheitel dieser Welt durcheinandergeschwurbelt hätte. Man verpasst dem Nobelableger des Schrägheck-Passat ein simples Stufenheck. Dazu ersetzte man die markant geformten Scheinwerfer durch konservative viereckige. Understatement ist schließlich Trumpf, lautete wohl das Motto aber im Innenraum durfte man sich ein wenig gehen lassen. Der Santana bekam dick gepolsterte Sitze mit feinstem Schnürlsamtbezug in herrlichen Braun-Tönen, die Anfang der 1980er auf jedem zweiten Sakko zu finden waren. Dazu bekamen die Türen noch dicke Chromleisten verpasst, damit man sich nicht nur am Heck, sondern auch an der ganzen Karosserie vom Passat so gut es geht absetzen konnte.

Die Technik profitierte von der Universalplattform der damaligen Zeit, auf der auch der Audi 80 aufbaute. Somit passten dessen schicke Fünfzylinder unter die Haube des Passat – wobei man genau hier das Konzept ein wenig aus den Augen verlor. 1981 passierte es nämlich aus heute nur mehr schwer verständlichen Gründen, dass auch die weit einfacheren – aber günstigeren Passat – die kräftigen Fünfender aus dem ingolstädter Regal bekamen. Dazu gab es (vor allem beim Kombi) weit mehr Kofferraum. Und wer exklusiver und mit weniger Platz unterwegs sein wollte, ging ohnehin zu Audi.

Der Santana meinte es also wirklich gut, saß aber irgendwie zwischen den Stühlen. Man probierte es dann noch mit schicken Alufelgen und üppiger Ausstattung, aber der Funke wollte seinerzeit einfach noch nicht so recht überspringen. Das führte im Endeffekt zu drei interessanten Entwicklungen. Zum einen zu dem seither ewigen Bestreben, VW weiter oben zu positionieren. Beim Vento und Bora funktionierte das noch nicht so ganz. Sehr wohl aber fast 20 Jahre später mit dem damals neuen Passat, dem Golf und schließlich mit dem Arteon. Den Phaeton lassen wir jetzt als hochwertiges Experiment einmal außen vor.

Die zweite Entwicklung war, dass der Santana nach seinem Ableben zu einem der Fundamente von VW in China und Brasilien werden sollte. An beiden Orten wurden sie noch bis weit in dieses Jahrtausend hinein gebaut. Teilweise wild modifiziert, sogar als zweitüriges Coupé, immer aber in unglaublichen Stückzahlen.

Ja, und die dritte Entwicklung war die, dass man in den 1980ern ein Stufenheck ja durchaus in der Palette brauchen konnte. Also stufte man den Santana im Rahmen des Facelifts einfach zum Passat herunter. Und so lebte der ehemalige Angreifer aus dem Bürgertum noch den kompletten Modellzyklus weiter, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Denn vom Passat Nachfolger von 1988 war das Basismodell künftig ein Stufenheck.

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