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Helden auf Rädern: Audi S6 Plus

Krawall im Keller

Die Audi Sport GmbH ist 40 Jahre alt. Mit Straßenmodellen ging es aber erst 1997 los – und das weder unter diesem Namen, noch mit einem Kombi noch schon gar nicht mit RS-Schriftzug oder krawalligem Auftritt. Das war aber nicht alles, was den S6 Plus besonders machte.

Roland Scharf

BMW hat die M GmbH, Mercedes AMG – und Audi? Da war man in den 1990er-Jahren auf der High Performance-Schiene noch vergleichsweise unentschlossen unterwegs. Sicher gab es S2, S4 und S6 – dann sogar den S8. Aber dass nach oben noch viel Luft vorhanden wäre, zeigte ja 1994 der RS2, der mehr als doppelt so oft verkauft wurde als man ursprünglich geplant hätte. Dieses Gemeinschaftsprojekt mit Porsche sollte aber eine einmalige Angelegenheit bleiben. Zum einen war Porsche mittlerweile mit eigenen Modellen wieder voll beschäftigt, und der Schirmherr der Kooperation namens Ferdinand Piech stieg in der Zwischenzeit schon zum VW-Oberboss auf. Es blieb also nichts anderes übrig, als in Ingolstadt selber in die Gänge zu kommen.

Das war der eigentliche Startschuss für die Quattro GmbH. Schließlich kommt es auf einen markanten Namen ja an, wie die süddeutschen Kollegen so schön aufzeigten. Und mit Quattro fing Audi an, ein sportliches Image zu bekommen – was lag also näher? Was jetzt fehlte, war nur noch ein passendes Modell – und wie wenige Jahre zuvor beim RS2 bot sich nun ein anderes Modell an, das kurz vor dem Modellwechsel stand: der A6. Den gab es schon als S6 mit dem hauseigenen V8 mit 4,2 Litern Hubraum, Schaltgetriebe, ausgestellten Kotflügeln und natürlich Allradantrieb. Optimal also, um die neue Submarke aus der Taufe zu heben.

Der S6 Plus war von der Basis her also ein S6 4,2 mit Vollausstattung, bot aber Motortuning der neuen und alten Schule gleichzeitig: Dank erhöhter Verdichtung, schärferer Nockenwellen und größeren Ventilen stieg die Leistung auf 326 PS (mehr als beim RS2 war eine der wichtigsten Vorgaben), zudem montierte man für mehr Drehzahlfestigkeit auf der Einlassseite keine Hydro- sondern rein mechanische Stößel, die regelmäßig nachjustiert werden mussten. Dazu verpasste man dem Achtzylinder ein Schaltsaugrohr, damit das Drehmoment von 400 Newtonmetern zwar nicht mehr wurde, aber dennoch 500 Umdrehungen früher anlag. Für das letzte Quäntchen an mehr Beschleunigung sorgte eine kürzere Übersetzung ab dem dritten Gang, wobei die angegebene Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 250 km/h eher eine freiwillige Selbstbeschränkung war. Tatsächlich schaltete das Steuergerät erst bei 265 km/h ab, und auch da wäre bis zur Maximaldrehzahl von 6.960 Umdrehungen noch ein wenig drin gewesen.

Dass der S6 Plus im Endeffekt S6 Plus hieß und nicht logischerweise RS6, lag wohl schlicht daran, dass man bewusst zeigen wollte, dass der neue Wagen nichts mit der alten Porsche-Kooperation zu tun hatte, sondern ein eigenständiges Produkt der Quattro GmbH war – und zwar wirklich. So spricht sogar die Fahrgestellnummer nicht mehr von einem Audi-Modell, der Hersteller war ganz offiziell die Quattro GmbH. Klingt super, führte aber für einige Zeit für ziemliche Verwirrung und Unmut bei den Kunden. Nicht selten lehnten Audibetriebe nämlich S6 Plus-Aufträge ab – man habe nämlich nur mit der Audi AG einen Vertrag, nicht aber mit der schnellen Tochterfirma.

Konservativer blieb man nicht nur beim Namen, sondern auch beim Design. Man wollte ja nichts kopieren, und außerdem sollten Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse nicht zu dick auftragen, deswegen musste man schon genauer hinsehen, um den Plus vom S6 unterscheiden zu können. Die Räder waren breiter, das Fahrwerk etwas tiefer, die Bremsen dicker, es gab knallige Sonderfarbtöne und ein verlegenes „Plus“, eingebettet im typischen S6-Emblen an Front und Heck – sonst aber hielt man sich lieber bedeckt. Um die betuchte Klientel aber nicht mit zu viel Understatement zu verunsichern, ließ man es bei der Ausstattung dafür umso mehr krachen. Neben dem obligatorischen Alcantara und Carbon und schwarzem Zierrat waren Elemente wie beheiztes Lenkrad, Solarschiebedach, Navi oder Einparkhilfe ultraluxuriöses Gut, das es noch lange nicht an jeder Ecke geben sollte. Und so startete man schließlich 1997 in den Verkauf.

Dass der S6 Plus nicht einmal ein Jahr lang im Programm blieb, hatte nichts mit mangelndem Verkaufserfolg zu tun gehabt. Der Nachfolger lauerte zu der Zeit bereits in den Fertigungshallen, sodass die 855 gebauten Avant als durchaus beachtenswerter Erfolg gelten konnten. Noch mehr aber die 97 Limousinen, denn seltener wurde kein anderes Audimodell je gebaut. Und bis von der Quattro – oder später Audi Sport GmbH wieder eine Limousine auf den Markt kommen sollte, vergingen dann gleich einmal fünf Jahre. Dann aber natürlich mit dem bestens vertrauten RS-Logo und dem gewohnt krawalligen Auftritt.

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