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Die knappe Kiste

Beinahe wäre der Käfer-Nachfolger ein echter Sonderling geworden, mit allen Vor- und Nachteilen. Dass es der VW 191 ganz knapp doch nicht geschafft hat, war dennoch die richtige Entscheidung.

Roland Scharf

Der Käfer und sein Nachfolger, ein Thema, das wir an dieser Stelle schon öfter behandelt hatten. Es ist aber auch insofern besonders spannend, da man in Wolfsburg lange Zeit einfach nicht wusste, wie denn der neue Volkswagen nicht nur auszusehen hatte. Wo soll der Motor sitzen? Welche Achse angetrieben werden? Und überhaupt: Die Form war besonders heikel, schließlich war der Käfer schon zu Lebzeiten Kult, von der Raumausnutzung her aber eine ziemliche Katastrophe. Und spätestens nach ersten Prototypen in den 1950er- und 60er-Jahren war klar, dass man wohl externe Hilfe benötigen könnte.

Ende der 1960er war es jedenfalls so, dass man zwar Audi von Mercedes erworben hatte, und damit einiges an Frontmotor-Kompetenz. Aber ob das das Richtige für den Käfer-Erbe sein könnte? Man war sich einfach nicht so sicher. Also beauftragte der damalige VW-Boss Heinrich Nordhoff Porsche damit, einen Wagen zu konstruieren. Die Vorgaben? Gutes Platzangebot bei knappen Abmessungen, jo. Wie der Antrieb aber auszusehen hat, war zum Beispiel völlig offen. Zu jener Zeit war Ferdinand Piech noch Entwicklungschef in Zuffenhausen, und da er zu jener Zeit für seine extravaganten Lösungen schon ziemlich bekannt war, musste ein entsprechend sportlicher Zugang auch bei der VW-Entwicklung angewendet werden.

Ein Trend, der zu jener Zeit langsam um sich griff, war zum Beispiel der Mittelmotor. Nicht nur beim 917 oder dann bald auch beim 914. Wenn man den Motor besonders flach auslegt wie zum Beispiel beim Typ 3, ihn aber wesentlich tiefer positioniert, könnte ein echtes Raumwunder entstehen. Und so ging es dann auch schon an den Zeichentisch. Unter dem VW-internen Entwicklungscode EA 266 entstand somit ein ziemlich knuffig aussehender Kleinwagen von 3,60 Metern Länge, dessen komplettes Antriebspaket unter der Rücksitzbank Platz fand. Der Wasserkühler saß seitlich, es gab also bis auf die Spritleitung nichts, was den Innenraum verkleinern könnte. Und den Kofferraum hinten, und den Kofferraum vorne. Man bewegte sich also nicht auf Piechs Extremvorstellungen, sondern im Prinzip nur knapp dran an den damals avanciertesten Serien-VW.

Bald gingen die ersten Prototypen schließlich auf große Testtour, wobei sich zwei Details besonders herauskristallisierten. Zum einen war EA 266 äußerst fahraktiv, was bei der guten Gewichtsverteilung quasi angeboren war. Genau so aber auch ein ziemlich tückisches Fahrverhalten im Grenzbereich, da das Heck sehr spontan ausbrechen konnte, was für Mittelmotoren leider auch sehr typisch war. Dennoch ging die Entwicklung weiter, diesen Makel würde man schon in den Griff bekommen. Denn Porsche hatte mit der neuen Entwicklung wirklich großes im Sinn: Die neue Technik sollte nicht nur für ein Kompaktmodell verwendet werden. Auch ein schickes Coupé war ebenso vorgesehen wie ein Cabrio und sogar ein Transporter, die allesamt überraschend schnittig und so völlig anders als alles andere aussahen, was sich so auf dem Markt befand. Und das wäre ja schon wieder eine gewisse Ähnlichkeit zum Käfer gewesen, oder?

Inzwischen durchschritt auch das Design weitere Evolutionsstufen und wurde immer ansehnlicher, mit hübschen Scheinwerfer-Aussparungen, potenten Radhäusern und wohlwollenden Proportionen, die die ersten Versuchsträger noch vermissen ließen. Irgendwann tauchte natürlich die Frage auf, wie man denn das Thema Service angehen würde. Auch da hatte Porsche schon diverse Ideen: Im Blech unter der Rückbank waren große Klappen vorgesehen, die komfortable Öffnungen für die Mechaniker freigaben. Zum anderen sollten Batterie und Reserverad unter einem doppelten Boden im vorderen Fußraum stecken. Alles in allem also durchaus ungewöhnliche Lösungen, die allesamt aber simpel und logisch ausgeführt wurden, und dazu passte auch die Gestaltung des Interieurs. Schick, geradlinig, und alles in allem dennoch von der typischen VW-Designsprache geleitet. Was konnte da dann noch schief gehen?

1968 starb Nordhoff ziemlich überraschend, und wer die Geschichte des „Vaters von Wolfsburg“ kennt, kann sich vorstellen, dass am Mittellandkanal ein ungutes Vakuum entstand. Schließlich gab der große Konzernlenker nur ungern Entscheidungen aus der Hand. Sein Nachfolger Kurz Lotz hatte also eine gewaltige Aufgabe zu stemmen. Was den EA 266 anlangte, ging man auf Nummer sicher: erst mal weiterentwickeln, dann schauen wir. Und so schritt der Mittelmotor-VW langsam in Richtung Serienreife. Es gab sogar schon eine Auflistung der unterschiedlichen Antriebsvarianten. Drei- und Vierzylinder waren ebenso vorgesehen wie Vier- und Fünfganggetriebe, Leistungen von 50 bis 105 PS galten zu jener Zeit als erstaunlich motiviert. Ja und dann kam 1969.

Lotz war noch an den Reglern der Macht, als Volkswagen mit NSU die zweite Marke übernahm, die schon viel Erfahrung mit luftgekühlten Reihenmotoren hatte, die vorne eingebaut waren und die Vorderräder antrieben. Weil Lotz lieber auf Nummer sicher spielte, entschied er sich, mit der nun versammelten Kompetenz doch auch hausintern einen Käfer-Nachfolger unter dem Entwicklungsauftrag 337 zu entwickeln. Bei Porsche wusste man davon nicht all zu viel. Und das Projekt war auch schon so fortgeschritten, dass auch Lotz‘ Nachfolger Rudolf Leiding erst einmal mit allem so weitermachte. Und wer weiß, wie lange es ungefährt dauert, bis ein Auto wirklich fertig entwickelt ist, konnte sich vorstellen, dass der 266 1971 praktisch fertig war.

So fertig nämlich, dass es schon Fotos von Fahrzeugen gab, die weitgehend dem Serienstand entsprachen. Die Aufschrift „VW 191“ ließ ahnen, wie die neue Baureihe heißen hätte können. Dass der EA 337 in der Zwischenzeit in Wolfsburg aber immer größere Fortschritte machte und sich irgendwie richtiger anfühlte, sollte dem 266 nun endgültig zum Verhängnis werden: Als es nämlich darum ging, sich die Produktion ein wenig genauer anzusehen, erwies sich die Porsche-Konstruktion als überraschend teuer. Auch die Frage nach der Servicefreundlichkeit – immer schon einer der größten Pluspunkte beim Käfer – konnte nie zufriedenstellend gelöst werden – für jede Kleinigkeit die Rückbank auszubauen wäre im laufenden Werkstattbetrieb einfach zu mühsam gewesen.

Und so kam es, wie es kommen musste: Leiding stoppte das Projekt 1971, VW konnte die Millionen an Entwicklungsgeldern in den Wind schreiben und schrammte an einer Pleite näher vorbei als je zuvor. Da half es auch noch recht wenig, dass der 337 immer besser wurde und schließlich zum Golf werden sollte. Bis der nämlich Geld einspielte, sollten noch einige Jahre vergehen. Was aus den ganzen 266ern wurde? Ein paar Prototypen haben bei VW und Porsche überlebt. Die große Mehrheit der Autos aber wurden ganz einfach zerstört. Und zwar durch Leopard-Panzer, die einfach drüber hinwegrollten.

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