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„Franz muss der Knopf aufgehen“

Franz Wittmann senior feierte in Gröbming ‚30 Jahre Audi Quattro’ – im Interview spricht er über WM & IRC und die Formkrise seines Sohnes Franz junior.

von Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.ennstal-classic.at, Daniel Fessl, Photo4, motorline.cc

Franz Wittmann senior kam nach Gröbming, wo im Rahmen der Ennstal Classic das Jubiläum ‚30 Jahre Audio Quattro’ gefeiert wurde, Wittmann nahm an einer Parade teil und gab im Rahmen des Chopard-Brunch ein Interview.

Bei der Ennstal Classic wurden ‚30 Jahre Audi Quattro’ gefeiert - wie hast du dieses Jubiläum erlebt?

Das war ein tolles Gefühl, da kommen Erinnerungen hoch – denn ich war ja doch der Zeremonienmeister dieser ganzen Geschichte. Selbst der Hannu Mikkola will es nicht wahrhaben, dass es so ist – aber es ist so! Und jetzt hat ja der Helmut Deimel einen tollen Film über mich gemacht, da kommt natürlich auch der Quattro vor. Das ist ein richtig schöner Film – vom Käfer über Opel, Porsche, Audi Quattro, Golf und so weiter.

Wann bist du zum letzten Mal mit einem Renn-Quattro gefahren?

Bevor ich meinen eigenen S1 verkauft habe, da bin ich schon noch einmal damit gezogen, das war 1997. Und bei der Ennstal Classic vor fünf Jahren, beim 25 Jahre-Jubiläum bin ich mit dem S1 vom Stiq Blomqvist gefahren. Aber da kann man ja nicht richtig Gas geben, das ist ja eher eine Spazierfahrt – aber es ist schön, mit den ganzen Fans in Erinnerungen zu schwelgen.

Stichwort Erinnerungen – die Rallye-Weltmeisterschaft hat sich ziemlich verändert in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten. Was sagst du zum aktuellen Auftritt der WRC?

Momentan ist die WM einfach nur uninteressant. Es ist immer so: Wenn einer alles gewinnt, dann wird es uninteressant. Obwohl Sébastien Loeb ein sensationeller Fahrer ist. Für die WM wäre es ideal, wenn man auf Basis der aktuellen Super 2000-Autos weitermachen würde, wie es auch in der IRC gemacht wird.

Aber jetzt kommt ja wieder ein anderes Reglement, jetzt setzt man sich wieder ab. Besser wäre aber, wenn man die S2000 hernehmen und damit fahren und von mir aus in einem Jahr entwickeln würde, mit einem anderen Motor zum Beispiel. Aber da haben halt gewisse Leute, vielleicht auch Citroen, ich weiß es nicht, Angst, dass sie nicht mithalten können. Aber ich bin überzeugt, dass der Loeb genauso gewinnen würde.

Man sieht es ja in der IRC, auf Sardinien waren auch 25 Super 2000-Autos dabei, das war doch toll. Dann hätte man auch in der WM eine Markenvielfalt, alles wäre da.

Was bringt es den beiden Herstellern Ford und Citroen, in dieser Form eine WM abzuhalten?

Die haben natürlich so viel Geld in das Ganze investiert, dass sie jetzt an etwas festhalten wollen, was nichts mehr bringt. Doch so lange an etwas festhalten zu wollen, ist sinnlos. Aber wenn man Citroen wäre, würde man es vielleicht auch so machen – denn Weltmeister ist immerhin Weltmeister. Und Ford hat ja zugleich auch in der IRC bei der Monte gewonnen.

Darum haben wir uns auch für die IRC entschieden – weil es eine tolle Rennserie ist. Was machen wir in der WM? Da hast du kein Fernsehen und auch sonst hast du nichts. In der IRC hast du Eurosport, was die machen, ist einfach sensationell. Das muss man einfach loben! Mir tut nur leid, dass wir die Leute von der IRC enttäuschen müssen und wir nicht fahren.

Die IRC hat Franz junior ja sehr ins Herz geschlossen mit seinen Leistungen im Vorjahr. Sein Interwetten-Mitsubishi wird auf der Website als einziges Nicht-S2000-Auto im Teaser gezeigt, sein Portrait ist in der Rubrik ‚Top-Piloten’ zu sehen. Franz junior war 2009 so etwas wie der ‚Man of the Race’, der mit dem Evo IX mitten in die S2000-Phalanx fuhr…

Ja, also medial liefert der Franz sicher die besten Interviews und ich glaube schon, dass er diesbezüglich eine Aufwertung in dieser Richtung ist. Er ist freundlich und es ist irgendwie spannend mit ihm.

Aber was ist derzeit los? Die Antwort ist meiner Meinung nach ganz einfach: Es gibt ein Problem. Er ist es vom Mitsubishi her gewohnt, das Auto richtig fliegen zu lassen – er ist daher immer zu spät auf der Bremse. Er fährt vielleicht schneller in die Kurve als ein anderer Pilot – doch wichtig ist, wie schnell du aus der Kurve wieder raus kommst. Dadurch überfährt er natürlich den Reifen – bei langen Prüfungen baut der Reifen ab – und so passiert das halt. Und da haben wir eben viel zu wenig Kilometer zum Testen. Und so schließt sich der Kreis – und dann kommt der Druck, man muss das Auto ins Ziel bringen. Und, und, und…

Wäre es dann nicht gescheiter, weniger Rallyes zu fahren und dafür mehr zu testen?

Das wäre gescheit. Aber wir sind ja leider bei der Monte so knapp vorm Ziel ausgeschieden, das war ewig schade, und er gibt sich dann zu viel Druck. Dabei hat man ja nichts erwartet von ihm. Das müsste er halt kapieren, aber…

Hast du in deiner Fahrerkarriere schon einmal eine solche Phase durchlebt?

Nein. Nein, nein ,nein. Weil ich habe immer die Grenze von unten herauf gesucht. Und wenn ich zwei Minuten hinten war, dann habe ich gewartet, bis er ausfällt oder ich war halt nur Zweiter.

Nur: Du hattest keinen so erfolgreichen Vater, wie er das hat. Das ist sicher auch nicht leicht…

Ja, nur ich kann es nicht ändern. Ich kann mich nicht umbringen deshalb.

Nein, sicher nicht. Und vor allem: Deine Erfolge würden ja trotzdem in den Rekordlisten bleiben.

Damit muss er leben – und wenn er damit nicht leben kann, dann ist es gescheiter, er hört auf! Aber er wäre so ein Talent – ich bin so begeistert, wie schnell er Auto fahren kann. Aber es ist ewig schade, wenn er so sinnlos das Ganze immer wieder wegschmeißt…

Positiv ist doch: Er hat nicht das Problem, dass er zu langsam ist – sondern dass er quasi zu schnell ist, zu spät bremst.

Ja, und wenn du jetzt ein Werk dahinter hast, dann fliegt er halt noch zweimal raus aber hinterher geht ihm der Knopf auf und er gewinnt.

Genauso ist es ja auch oft, zum Beispiel in der Rallye-WM, bei einem Jari Matti Latvala…

Ja, nur haben wir kein Werk hinter uns. Wir haben einen guten Sponsor - danke an Interwetten, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben. Aber wenn du ein Werk hinter dir hast, kannst du eben entsprechend testen.

Gut, jetzt nimmt man Druck raus, weil man sagt: IRC-Punkte stehen jetzt nicht mehr im Vordergrund…

Ja, die stehen jetzt nicht im Fokus. Schau, man hat es am besten gesehen bei der Voglberg-Rallye. Dreimal drüber gefahren, die Strecke nicht gekannt vorher, die Deutschen haben die Strecke alle gekannt, weil sie die Prüfungen wiederholen. Und da hat er gewonnen. Das verstehe ich nicht, das habe ich nicht für möglich gehalten. Da hat er geführt und ist sensationell Rallye gefahren.

Kann es sein, dass er in der IRC quasi etwas zurückgeben will, weil man dort seine Vorjahrsleistungen eben hoch angerechnet hat? Dass er dort gleich vorne mitfahren wollte? Obwohl man ja nicht erwartet hat, dass er da gleich vorne mitfährt - weil man ja wusste, dass es seine erste Saison in einem S2000 ist.

Ja, aber er macht sich den Druck selber, er glaubt es halt so.

Wie soll man deiner Meinung nach jetzt weitermachen?

Naja. Testen. Testen. Und wieder einen Testlauf fahren. Und zwar auf Asphalt. Wir müssen uns auf Asphalt vorbereiten.

Auf Schotter läuft es ja problemlos.

Ja, auf Schotter fährt er sehr gut.

Ich glaube, dass es für die Leute schwer ist, zu verstehen, worum es hier wirklich geht.

Ja, die Luft ist dermaßen dünn.

Naja, und mit einem S2000 kann man halt auch extrem spät bremsen, oder?

Du kannst natürlich viel später bremsen als mit einem Mitsubishi, aber du musst trotzdem früher bremsen als er es tut.

Welche Rolle spielt der Beifahrer Klaus Wicha in dieser Situation?

Der Klaus ist sicher ein guter Beifahrer, vielleicht zeigt er ein bisschen zu wenig Emotionen. Das ist das einzige meiner Meinung nach, und das kann er halt nicht. Das weiß ich. Dass er ihn, wenn er so am Limit dahin fährt, runter holt. Dass er ihm eine auf den Helm haut. Das ist das Einzige, was er nicht kann, aber sonst ist er ein sensationeller Beifahrer.

Echt? Man haut dem Fahrer eine auf den Helm, damit er runter kommt? Und das hattest du nie – das du dich zu sehr reingesteigert hast?

Wenn ich mich geärgert habe. Da war ich dann so konzentriert, dass ich nur Bestzeiten gefahren bin. Und dann haben sie auch aufgehört, mich zu ärgern. Auch wenn mich die Mechaniker mit irgendwas geärgert haben, irgendwelche Kleinigkeiten – dann habe ich ihnen Bestzeiten hingelegt. Da bin ich dann erst ans Limit gegangen.

Und es gab nie eine Krise? In deiner gesamten Karriere? Das gibt’s doch nicht – so was durchlebt doch jeder, oder?

Wann? Ich hatte keine Krise!

Auch nicht, dass es mal bei einer Rallye nicht so recht lief?

Naja, als ich mit dem Audi Quattro meinen ersten WM-Lauf gefahren bin, in Portugal. Da war ich schon sehr deprimiert. Da waren die anderen viel schneller, ich bin nicht gut gefahren, im Nebel bin ich schlecht gefahren, normal bin ich gut im Nebel gefahren. Da war ich also richtig deprimiert, dann ist der Turbo noch gegangen und ich habe zehn Minuten verloren. Und ich war dann so angefressen am Abend, dass ich einfach gar nicht mehr fahren wollte. Ich bin aber dann wieder gefahren und dann ist es immer besser geworden, immer besser – und am dritten Tag bin ich Bestzeiten gefahren und plötzlich bin ich wieder dabei gewesen bei der Musik. Und bin dann Dritter gesamt geworden.

Und was war das Rezept dahinter?

Einfach fahren, fahren, fahren. Dann sind noch welche ausgefallen und es war ein glückliches Ergebnis.

Also war es auch für dich nicht immer einfach…

Ja, also ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich konsequent vorne mitfahren konnte. Am Anfang war ich schwach, ich habe das Auto geschont, ich habe mich nicht ausgekannt, ich musste lernen. Und dann habe ich zum Beispiel bei der Akropolis-Rallye geführt, leider gab es dann einen Defekt.

Der Tiefpunkt war die Safari-Rallye. Da hatte ich kein Werksauto, habe aber trotzdem alles bekommen. Und dann haben sie mir die Kleber-Reifen geschenkt. Ich war auf 229 km/h übersetzt – nur haben sie mir nicht gesagt, dass bei 200 Dauergeschwindigkeit über zehn Minuten die Reifen auseinander fliegen. Ich bin 220 dahin geplättert und auf einmal hörte ich schon das Rattern. Das waren Folgeschäden. Dort hätten wir Zweiter oder Dritter werden können.

Die haben dich also verschaukelt?

Das weiß ich nicht, vielleicht haben sie einfach nicht daran gedacht? Wenn sie gesagt hätten: ‚Mehr als 180 brauchst du mit diesem Reifen nicht fahren!’ - dann wäre ich locker Dritter geworden, locker!

Du hattest damals aber schon viel mehr Fahrkilometer als die heutigen Jungpiloten.

Nein, das würde ich so nicht sagen, ich bin ja nur in Österreich gefahren. Ich könnte sowieso nicht so nach Schrieb fahren, wie es der Franz und die anderen Jungpiloten tun.

Bist du bei all seinen Rallyes vor Ort?

Nein, nein.

Aber ihr steht in telefonischem Kontakt?

Ja, schon. Er ruft mich immer wieder an.

Was muss jetzt also getan werden, um da wieder raus zu kommen?

Das ist ganz einfach. Wie er da wieder rauskommt? Das muss er selbst machen – da kann ihm kein Mensch dabei helfen. Er muss einfach einmal kapieren, dass eine Rallye nicht nach drei Prüfungen zu Ende ist, sondern nach 20 Prüfungen. Und er muss einfach einmal langsam beginnen. Ich sage ihm immer: ‚Fahr langsam! Am nächsten Tag bist du sicher um zehn Prozent schneller. Du musst einfach ins Fahren kommen.’ Und mehr kann man nicht sagen.

Ich denke, dass jetzt vielleicht der Druck weniger ist, weil auch die Erwartungen gesunken sind.

Ja, also wenn ihm jetzt der Knopf aufgeht, ist er meiner Meinung nach sicher eines der größten Talente. Aber den Knopf kann nur er selber aufknöpfen. Ich bin auch überzeugt, und das kann man ohne weiteres schreiben: Wenn er jetzt mit seinem Können die österreichische Meisterschaft fahren würde, dann hätte der Mundl [Raimund Baumschlager, Serienstaatsmeister, d. Red.] keine Chance. Das ist meine Überzeugung.

Aber das ist, so nehme ich an, ja nicht das Ziel.

Nein, das ist nicht das Ziel, er möchte international fahren. In Österreich kann er mit 40 auch noch fahren. Oder mit 50. (lacht) Ich meine das nicht bösartig, aber meine Überzeugung ist, dass der Franz derzeit der absolut schnellste ist.

Also auch schneller als ein Andi Aigner oder ein Patrick Winter?

Nein, das will ich damit nicht sagen, denn da kann man auch schwer einen Vergleich ziehen, weil Baumschlager schon das beste Auto hat. Und ich glaube, dass Aigner und Winter sehr gute Fahrer sind. Aber es ist auch leichter mit diesen Autos – man hat ja gesehen, wie gut der Franz immer war im Mitsubishi. In dem Evo hast du Zeit, du kannst den richtig um die Kurve schmeißen - ein S2000 hingegen ist ein richtiges Rennauto. Ich bin von Franz überzeugt, nur muss er jetzt selber etwas dafür tun.

Und ihr arbeitet derzeit an einem neuen Einsatzplan – wird Franz also heuer noch einige Rallyes fahren?

Ja, wir versuchen es. Wir versuchen es.

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