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Le Mans A-Z mit Christian Klien

Der Vorarlberger erläutert die wichtigsten Eckpunkte des klassischen 24-Stunden-Marathons! In Le Mans hat er sogar schon einmal gewonnen...

A wie Ankommen

In Le Mans gelten einige Regeln, die für Formel 1-Fans ungewöhnlich scheinen. So kommen beispielsweise nur jene Autos in die Wertung, die nach 24 Stunden auch wirklich die Ziellinie überquert haben - egal in welchem Zustand. Ankommen ist also Pflicht. Oft gibt es daher dramatische Szenen, wenn kaum fahrtüchtige Wracks sich in der 24. Stunde noch irgendwie ins Ziel schleppen.

B wie BMW Sauber F1 Team

Nach dem tollen Doppelsieg in Montreal durch Robert Kubica und Nick Heidfeld ist die Stimmung natürlich großartig. Ein sehr gutes Gefühl, Teil eines Siegerteams zu sein. Mein Le Mans-Einsatz wurde erst durch die Unterstützung meines Formel 1-Arbeitgebers möglich. Ich freue mich, wie groß die Unterstützung im Team für meine Rennteilnahme ist. Als Formel 1-Testfahrer kommt man wegen des Reglements ja nicht mehr so viel zum Fahren wie vor ein paar Jahren. Umso wichtiger ist daher dieser Einsatz für mich. Denn der wie der Name schon sagt hat der Beruf des Rennfahrers ja auch etwas mit „Rennen fahren“ zu tun.

C wie Circuit de la Sarthe

Offizielle Bezeichnung der Rennstrecke von Le Mans. Benannt nach dem Fluss Sarthe, der durch die Stadt fließt. Le Mans liegt 200 km westlich von Paris. Eine Runde auf dem Circuit ist 13.629m lang, die Rundenzeiten liegen daher deutlich über 3 Minuten. Ein Teil des Kurses wird auf öffentlichen Straßen gefahren. Die permanente Rennstrecke von Le Mans ist der wesentlich kürzere Bugatti Circuit, an den ich sehr gute Erinnerungen habe. Hier habe ich 2003 mein erstes Formel 3-Rennen gewonnen.

D wie Diesel

Unser Peugeot 908 HDi FAP fährt mit Diesel. Der Motor ist ein längs eingebauter V12-Zylinder-Biturbo-Dieselmotor mit HDi-Direkteinspritzung und zwei FAP-Partikelfiltern. Er hat einen Hubraum von 5.500 ccm und leistet 700 PS. Die Umstellung von der Formel 1 ist natürlich groß, denn statt 19.000 U/Min. drehen wir im Peugeot nur 5.000 U/Min.

Das nutzbare Drehzahlband sind etwa 2.500 Umdrehungen, aber dank sagenhafter 1.200 Nm Drehmoment hat er auch unten raus sagenhaft viel Kraft. Auch der Sound ist durch das untertourige Fahren ganz anders. Auf den Geraden ist das Auto kaum hörbar und klingt fast wie ein Düsenjet. Für den Funkverkehr mit der Box ist das allerdings sehr angenehm.

E wie Erfahrung

Ein Rennen wie Le Mans gewinnst du sicher durch die Erfahrung. Ich bin zwar schon 24-Stunden-Kartrennen gefahren, aber bei den Tests habe ich sehr viel dazugelernt. Als Formel 1-Fahrer denkst Du ja immer in Zehntel Sekunden. Als erstes habe ich für Le Mans gelernt, auf der fast 14 km langen Strecke in Sekunden zu denken. Und wie wichtig es ist, manchmal bewusst Tempo rauszunehmen habe ich auch bereits erkannt. Die Erfahrung zeigt sich dann auch beim Überholen, denn mit 54 anderen auf der Strecke hat man permanent die Chance, Zeit liegen zu lassen.

F wie Fahrerwechsel

Die Fahrerwechsel haben wir in den letzten Wochen oftmals geübt. Beim Boxenstopp gibt es eine ganz genaue Choreografie: Als erstes wird der Motor abgestellt. Dann kommen 81 Liter Diesel in den Tank, was etwa 25 Sekunden dauert. Erst dann dürfen die Reifen gewechselt werden, wozu die Mechaniker rund 15 Sekunden brauchen. Währenddessen springt der Fahrer aus dem Cockpit und der nächste hinein. Ich muss dann einen Sitzeinsatz anbringen, da wir die Pedalerie natürlich nicht verändern können. Franck Montagny ist der größte in unserem Auto und fast 15cm länger als ich. Ein Mechaniker darf laut Reglement beim Anschnallen helfen. Er steckt auch den Funk an und schließt das Trinksystem an. Im Normalfall ist der Fahrerwechsel in weniger als 30 Sekunden erledigt.

G wie Gewicht

Das Gewicht eines Sportwagen-Prototypen ist deutlich höher als in der Formel 1. Mindestgewicht ist 900 kg, was man vor allem beim Bremsen merkt. Wir haben riesige Kohlefaserbremsen. Da sie 24 Stunden lang halten müssen, gehen wir damit aber nie ans Limit. Was das Gewicht angeht: Auch die Mechaniker haben Schwerstarbeit zu verrichten. Ein Reifen wiegt 22 kg, der Schlagbohrer 6kg, und alle 45 Minuten gibt es einen Boxenstopp. Da schnellt der Puls schon mal gerne auf 160.

H wie Hunaudières

Die Hunaudières ist die lange Gerade auf der Rückseite der Strecke, die bis 1990 eine echte Gerade war. Im Sauber-Mercedes fuhr man damals 408 km/h. Aus Sicherheitsgründen hat man dann zwei Schikanen eingebaut, die ziemlich „tricky“ sind. Auf der Geraden selbst muss man nur darauf achten, die richtige Linie zu fahren, denn es gibt dort einige Spurrillen. Wenn man hinter einem anderen Auto herfährt, gibt es enorme Turbulenzen und es vibriert im Cockpit.

I wie Internet

Auf der offiziellen Le Mans-Website sind 24 Stunden lang alle Ereignisse live zu verfolgen. Im Fernsehen überträgt Eurosport wie üblich große Strecken des Rennens. Besonders freut mich, dass auch der ORF mit Heinz Prüller immer wieder Liveeinstiege ins Rennen machen wird. Startzeit ist übrigens am Samstag um 15:00.

J wie Juni

Der klassische Termin für das 24-Stunden Rennen. Nur drei Mal fand das Rennen in einem anderen Monat statt: Beim Debüt 1923 (im Mai), im Jahr 1956 und zuletzt 1968 (wegen der Studentenunruhen war Frankreich im Juni in politischen Turbulenzen). Abgesagt wurde Le Mans übrigens 1936 wegen der schlechten Wirtschaftslage und 1940-1948 wegen des 2.Weltkrieges und der Folgen. Man sieht also, die Bezeichnung „Klassiker“ ist nach 75 Rennen schon gerechtfertigt.

K wie Karbon

Genau wie in der Formel 1sind die Prototypen rund um ein Kohlefaser-Monocoque gebaut. Es gelten sogar die gleichen FIA-Crashtest-Regeln. Im Gegensatz zur Formel 1 muss hier aber auch ein Dach dem Crashtest standhalten. Wie wichtig diese Sicherheitsmaßnahmen sind, hat man am Crash von meinem Teamkollegen Marc Gene am letzten Testtag in Le Mans gesehen. Er ist ganz böse abgeflogen, hat Unterluft bekommen und in relativ spitzem Winkel in eine Betonmauer eingeschlagen. Der 908er war Schrott, aber Marc war nur leicht an der Zehe verletzt. Als er aus dem Krankenhaus heraußen war, hat er sich als allererstes bei den Konstrukteuren bedankt.

L wie Le Mans-Start

Früher mussten die Fahrer auf Kommando zu ihren Autos laufen, anstarten und losfahren. Diesen klassischen Le Mans-Start gibt es mittlerweile nicht mehr. Er wird aber immer noch in allen Filmen über Le Mans gezeigt. Heute starten wir ganz normal fliegend wie bei jedem Langstreckenrennen. Abgeschafft wurde der Le Mans-Start übrigens, als der Belgier Jacky Ickx aus Protest provokant langsam zu seinem Auto schlenderte und dabei fast über den Haufen gefahren wurde. Er gewann das Rennen 1969 trotzdem, was wiederum zeigt, dass man Le Mans noch weniger in der ersten Kurve gewinnt als einen Formel 1-Grand Prix.

M wie Montagny

Franck kenne ich aus unserer gemeinsamen Zeit in der Formel 1. Er ist sauschnell und hatte leider nie das Material, vorne mitzufahren. Er ist schon sechs Mal Le Mans gefahren. Daher sind seine Tipps speziell am Anfang sehr hilfreich gewesen. Unser Verhältnis ist freundschaftlich und professionell. Das ist extrem wichtig, denn wenn du 24 Stunden miteinander eine Schlacht kämpfst, solltest du schon halbwegs miteinander auskommen.

N wie Nacht

Das Fahren bei Dunkelheit hat schon seine Tücken. Zum Glück konnten wir das mehrmals im Vorfeld testen und ich habe Gott sei Dank von der Sehschärfe her überhaupt keine Probleme mit der Dunkelheit. Alle Fahrzeuge haben Halogen-Scheinwerfer. Bei Tag haben wir zwei davon, bei Nacht alle vier eingeschaltet. Schwierig ist lediglich das Finden der Referenzpunkte fürs Bremsen, wenn es dunkel ist. Die Scheinwerfer leuchten ja nicht die ganze Strecke aus, und so fehlt der betreffende Baum oder Fahnenmast dann in der Nacht. Positiv ist jedoch, dass wir ein Dach und Scheibenwischer haben. Speziell bei Regen ist das ein Riesenvorteil gegenüber der Formel 1.

Ö wie Österreicher

Wie fast jedes Jahr sind auch heuer mehrere Landsmänner in den unterschiedlichen Klassen am Start: Alex Wurz ist sicher einer meiner schärfsten Konkurrenten in der LMP1-Klasse im Peugeot Nr.8. Er hat das Rennen ja schon gewonnen, bevor er in die Formel 1 kam. Karl Wendlinger startet mit dem Aston Martin in der GT1-Klasse mit seinem alten Kollegen Heinz Harald Frentzen (Startnummer 007), Richard Lietz und Horst Felbermayr senior in der GT2, beide jeweils in einem Porsche 997. Vielleicht gibt es 43 Jahre nach Jochen Rindt, 37 Jahre nach Dr. Helmut Marko, und 12 Jahre nach Alex Wurz ja wieder einen Sieg für Österreich.

P wie Peugeot

Den ersten Kontakt zum Total Team Peugeot hat es bereits Ende 2006 gegeben. Eigentlich wollte mich Team-Manager Serge Saulnier schon letztes Jahr in Le Mans haben. Er kennt mich schon aus der Formel 3. Aber 2007 gab es eine Terminkollision mit der Formel 1 und da wollte mich Honda verständlicherweise nicht freigeben. Heuer ist es ein Formel 1-freies Wochenende und das BMW Sauber F1 Team hat meine Ambitionen von Beginn an ebenso unterstützt wie Peugeot-Teamchef Michel Barge. Insgesamt kommt der Peugeot Kader (Klien, Wurz, Villeneuve, Montagny, Zonta, Lamy, Gene…) auf 393 Formel 1-Starts und 32 frühere Teilnahmen in Le Mans.

Q wie Qualifying

Der Qualifying-Modus ist völlig anders als in der Formel 1. Er hat eher den Charakter eines Freien Trainings oder Testtages. Wir haben am Mittwoch und Donnerstag vor dem Rennen jeweils 4 Stunden zur Verfügung, in denen alle drei Piloten zum Einsatz kommen. Dabei wird auch in der Nacht trainiert. Es zählt jedoch nur die absolut schnellste Runde pro Auto, egal, welcher Fahrer sie gefahren hat. Die große Kunst ist, mit einem LMP1-Auto den vielen langsameren Klassen auszuweichen. Aber wenn man keine freie Runde hinbekommt, ist es auch kein Beinbruch. In Le Mans bringt die Pole Position zwar gute Presse, aber das Rennen gewinnst du dadurch noch nicht.

R wie Rookie-Test

Als Neuling musst du in Le Mans zum Rookie Test, den ich in der Woche vor dem Kanada-Grand Prix absolvieren konnte. Mein erster Eindruck von Le Mans war: „Hier ist die Zeit stehen geblieben“. Da auf der Strecke üblicherweise normaler Straßenverkehr herrscht, kämpfst du am Beginn vor allem gegen den Schmutz. Insgesamt konnte ich 30 Runden absolvieren, und zwar auf nasser und trockener Strecke. Gemeinsam mit dem Test in Paul Ricard im April, wo wir über 30 Stunden am Stück gefahren sind, habe ich also schon einige Erfahrung sammeln können.

S wie Schlafen

Glücklicherweise gehöre ich zu den Menschen, die sehr schnell abschalten können. Aber die erste Stunde nach einem Einsatz ist an Schlafen trotzdem nicht zu denken. Da fließt viel zu viel Adrenalin und man ist noch voll aufgedreht. Ich gehe dann in den Ruheraum, lasse mich massieren und wenn alles klappt, dann bekomme ich ca. 4 Stunden Schlaf. Das reicht im Normalfall, aber wie gesagt ist das ja Neuland für mich. Kein Fahrer nimmt übrigens irgendwelche Mittel, um besser einschlafen zu können. Der Teufel schläft ja auch nicht, und wenn man doch früher ins Auto muss, dann kann man unmöglich unter dem Einfluss irgendwelcher Medikamente ins Rennen gehen.

T wie Topspeed

Durch die zwei Schikanen auf der Geraden erreichen wir heutzutage nicht mehr die Topspeeds der 80er und frühen 90er-Jahre. Aber 335 km/h sind es immer noch, also absolut im Bereich der Formel 1. Ich hätte mir den Geschwindigkeitsunterschied zu den kleineren Klassen übrigens deutlich höher vorgestellt. Einem GT2-Auto fehlt dort aber auch nicht viel auf 300. Und wir nehmen vor den Schikanen und Kurven extrem früh Gas weg. So komisch es klingt, aber wir gehen absichtlich 100 Meter zu früh vom Gas und rollen manchmal fast in die Kurven rein. Das spart Sprit und wir sparen dadurch Boxenstopps. Außerdem werden die Bremsen dadurch geschont.

Ü wie Überholen

Das Überholen funktioniert deutlich einfacher als in der Formel 1. Die Unterschiede zu den langsameren Klassen sind etwa 35-40 Sekunden pro Runde. Als LMP1-Auto überholst du im Schnitt sicher zehn andere Autos pro Runde, also mehr als in der Formel 1 im ganzen Jahr. im Cockpit gibt es einen Knopf, den wir beim Überholen drücken. Dann blinken die Scheinwerfer fünf Mal, um den Vordermann zu warnen.

V wie Villeneuve

Der prominenteste in unserem Team, Formel 1-Weltmeister von 1997. Jacques durfte als Vorbereitung das 1.000 km-Rennen von Spa bestreiten und hat es mit seiner Mannschaft gleich gewonnen. Er war unglaublich happy, weil es sein erster Sieg in einem Rennen nach über 10 Jahren (!) war. Und letztendlich wollen wir ja alle genau das. Bei den Tests unter gleichen Bedingungen war ich übrigens immer schneller als Jacques, was ein gutes Zeichen ist. Persönlich glaube ich, dass er als Brillenträger speziell in der Dämmerung leichte Nachteile haben könnte.

W wie Webber

Mark war mein Teamkollege in der Formel 1 und hat in Le Mans weltweite Berühmtheit durch einen haarsträubenden Rückwärtssalto im Mercedes erlangt. Er redet nicht besonders gerne über diesen Unfall, hat mir aber einmal gestanden, dass es einer seiner schlimmsten Momente als Rennfahrer war. Trotzdem hat ihn die Atmosphäre in Le Mans fasziniert.

Z wie Zonta

Ricardo kenne ich auch schon ewig. Er ist der Dritte im Bunde im Peugeot mit der Nummer 9. Vor seiner Formel 1-Karriere war er schon FIA GTWeltmeister. Er weiß also genau, wie man Sportwagenrennen gewinnt. Ein ruhiger, sehr angenehmer Typ mit einem tollen Speed. Er fährt auch die GrandAm-Serie in den USA, ist also voll im Training. Ich glaube, wir sind ein ziemlich gutes Team.

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