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24h Le Mans 2009

Sieg für Alex Wurz und Peugeot

Erster österreichischer Doppelsieger: zum zweiten Mal nach 1996 gewinnt Alex Wurz – Jetalliance erreicht beim Debüt Platz 3 in der GT1-Klasse.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Unser Samstag-Bericht war nach seinem Erscheinen sofort wieder überholt, denn Philipp Peter hatte als nächster Österreicher eine Überdosis Pech: der Zytek-LMP2 von GAC Racing verschwand mit vermuteten Motorproblemen leider für heuer von der Ergebnisliste.

Philipp Peter erklärte: „Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht. Auf Platz vier liegend, einen Podestplatz in Sichtweite – und dann ausscheiden ist schon sehr bitter. Aber so ist das eben. Gegen die Technik hast du in Wahrheit keine Chance.“

Ebenfalls out: der Porsche Nr. 70 mit Vater und Sohn Horst Felbermayr, hier war die Kupplung der Übeltäter.

Jetalliance noch dabei

Nach dem Ausfall einer Alphand-Corvette lag der Aston Nr. 66 von Jetalliance Racing (Lukas Lichtner-Hoyer/Thomas Gruber/Alex Müller) auf dem vierten Klassenrang, dieses Team hatte zusätzlich zu den bereits vermeldeten noch andere Abenteuer.

Thomas Gruber drehte sich bei seinem ersten Turn in den Kies, und danach ging dem Auto das Fenster der Beifahrertür verlustig. Der Kleber hatte sich in der Sommerhitze der Startaufstellung aufgelöst.

Alex Wurz und Christian Klien in den beiden Peugeot Nr. 7 und Nr. 9 waren überaus stark unterwegs, desgleichen ihre Teamkollegen im Auto Nr. 8. Franck Montagny absolvierte (mit gebrochenem Fuß!) fleißig Doppelstints. Im Auto Nr. 9 verplemperte der an sich ebenso routinierte wie flotte David Brabham mit lauwarmen Runden einige Zeit, das Team hielt sich rund um die ersten beiden Stunden des Sonntags in Führung – und dann wurde Brabham von Alex Wurz abgelöst. Der Niederösterreicher brachte den 908er sofort wieder auf konkurrenzfähige Zeiten. Seitens der Audi-Fraktion hielt Allan McNish dagegen. Auch der über 40 Runden zurückgefallene Audi Nr. 3 mischte zumindest auf der Straße in dieser Gruppe mit.

Schrecksekunde Nr. 1

Heroisch unterwegs waren auch der Pescarolo-Peugeot, aus dem Nirgendwo wieder zurück auf Platz 4, und die beiden Kolles-Audi mit ihren Auftritten in den Top 6. Bemerkenswert war vor allem die Leistung von Charles Zwolsman und Andre Lotterer, die das Auto Nr. 14 nach dem „Hoppala“ ihres Teamkollegen Karthikeyan zu zweit steuern mussten. Andere fanden diese Aufgabe zu schwer (siehe unten).

Um 4 Uhr früh wurde es rund um den Circuit de la Sarthe ruhig: das Safety-Car ging auf die Strecke, dann die Feuerwehr und die Ambulanz. Einer der übelsten Unfälle der letzten Jahre riss den Pescarolo-Peugeot aus dem Rennen, der Pilot Benoit Treluyer musste aus dem Auto geschnitten werden.

Er war auf seiner ersten Runde nach einem längeren Boxenstop für einen Tausch der Frontpartie, und er kam nur bis zur S-Kombination nach dem Dunlop-Bogen. Ein Fehler der Pescarolo-Crew?

Das Fahrzeug war total zerstört, die Bergung des Fahrers dauerte eine Viertelstunde. Erst nach bangen Minuten kam eine teilweise Entwarnung aus dem Medical Center: Treluyer war bei Bewusstsein – und keine Knochenbrüche festzustellen.

In der darauf folgenden, langen Gelbphase gab es auch ein Missgeschick für den amerikanischen Flying-Lizard-Porsche, den Langzeit-Führenden der GT2; ein weiterer Stuttgarter Herausforderer war aus dem Bild.

Schrecksekunde Nr. 2

Kurz nach 9:30 der nächste große Crash samt Safety-Car und Nach-Crash: der Aston Martin Nr. 009 mit Harold Primat am Steuer fand die Reifenstapel in einem harten Einschlag.

Auch diese Crew musste nach dem Ausschluss eines Fahrers in den frühen Morgenstunden mit nur zwei Fahrern auskommen; die große Anstrengung führte AMR/Prodrive-Boss David Richards als Grund für den Unfall ins Feld.

Mittlerweile waren die Fahrer im Kolles-Audi Nr. 14 seit Beginn des Rennens mit Zweiercrew unterwegs. Ironischerweise war es der theoretisch ausgeruhtere Christian Bakkerud im Schwesterauto Nr. 15, der bei Mulsanne sein Auto hinter dem Safety-Car ohne jede fremde Hilfe ungespitzt in die Leitschiene steckte.

Der Werks-Audi Nr. 3, aussichtslos zurück, landete bei Arnage im Kies. Beide fanden ihren Weg zurück an die Box; aber die Müdigkeit forderte offenbar ihren Tribut.

Die Klasse GT1 war ein Demonstrationslauf der beiden Werks-Corvette C6.R, kurz vor der 21-Stunden-Marke wechselte noch die Führung von der Nr. 63 zur Nr. 64.

Hinter der privaten Alphand-Corvette gab es nur noch einen Überlebenden in der Klasse: der Jetalliance-Aston lief nach dem Fenster-Problemchen fehlerfrei. Alex Müller gab sich am Sonntag-Mittag vorsichtig optimistisch:

„Auf Holz klopfen! Wir haben noch dreieinhalb Stunden vor uns. Das sind fast zwei Renndistanzen in der FIA-GT, da kann viel passieren. In der Nacht war ich knapp vier Stunden durchgehend im Auto, da habe ich die ganzen Gelbphasen mitgenommen. Davor bin ich einen Dreifachstint gefahren, und jetzt einen Doppelstint.“

„Eine Safety-Car-Phase ist angenehm, weil man da abschalten kann. Nach vier Stunden musste ich reinkommen wegen des Fahrerwechsels; und ich hatte Hunger und hatte keine Lust mehr! Das wird dann wirklich sehr zäh. Jetzt nehmen alle die Pace raus, außer Audi – die pushen noch wie verrückt.“

Denn der einzige in Schlagdistanz verbliebene R15 TDI, die Nr. 1 mit McNish/Kristensen/Capello, fand sich auf Platz 3 und konnte den Rückstand auf die beiden Peugeot Nr. 9 und Nr. 8 nicht und nicht reduzieren.

Durch kleinere und größere Dramen bei etlichen Boxenstops – darunter 15 Minuten verloren die Le-Mans-Seriensieger den Nimbus der Unfehlbarkeit; am Ende konnten diese Zeitverluste auf der Strecke nicht kompensiert werden – zu ausgewogen waren die Rundenzeiten.

Solide Teamarbeit bei Peugeot

Alex Wurz, Marc Gene und in geringerem Ausmaß auch David Brabham leisteten im von Anfang an etwas konservativer disponierten Team makellose Führungsarbeit. Die beiden 908 blieben in derselben Runde – behielt sich das Team einen Platzwechsel zugunsten des „Franzosenautos“ vor?

Der Peugeot Nr. 7 mit Klien & Co. fuhr nach Schwerarbeit während der Nacht- und Morgenstunden wieder auf Position 6, mit einer Chance auf Platzverbesserung.

Die letzten 120 Minuten vor Schluss wurden dann wieder turbulent. Der GT2-Aston Martin mit E85-Antrieb scheiterte an einem elektrischen Infarkt, und in der GT1-Klasse gab es den großen Schock: die Werks-Corvette Nr. 64 blieb mit Kurbelwellendefekt stehen! Damit fand sich Jetalliance Racing auf Platz 3 der Klasse wieder.

Turbulenzen bis zum Schluss

Die GT2-Klasse wurde nach der Implosion der Porsche-Flotte zur Privatangelegenheit für Ferrari: der F430 von Risi Competizione mit Jaime Melo/Pierre Kaffer/Mika Salo etablierte sich vor den Argentiniern Matias Russo und Luis Perez Companc samt Gianmaria Bruni und Rob Bell/Andrew Kirkaldy/Tim Sugden im JMW-Auto.

Einen Klassensieg für Porsche gab es trotzdem: die Porsche RS Spyder von Essex (Platz 10 für Elgaard/Collard/Poulsen) und Goh (Keisuke Kunimoto/Seiji Ara/Sascha Maassen auf Platz 12) fassten „nur“ etwas mehr als 20 Runden Ruckstand auf die Gesamtsieger auf. 75 Minuten vor Schluss war ihr Rennen nach einem Unfall von Ara vorbei.

Alles im Trockenen dagegen für Peugeot: perfektes Fotofinish und Doppelsieg im dritten Anlauf! Und Österreich hat mit Alexander Wurz wieder einen Geamtsieger – der Niederösterreicher wiederholt seinen Rookie-Erfolg von 1996. Freude auch im Hause Brabham: nach Geoff im Jahr 1993 siegt jetzt mit David ein weiterer Sohn des Weltmeisters „Black Jack“ – beide mit Peugeot.

Christian Klien und seine Partner müssen sich über einen hart erfochtenen 6. Platz nicht genieren.

In der GT1 blieb in der 22. Stunde die führende Werks-Corvette urplötzlich stehen, damit wurde der seit den frühen Troubles problemlos laufende Jetalliance-Aston sensationell auf Platz 3 protegiert: Stockerlplatz für ein österreichisches Team!

Acht Österreicher am Start, vier im Ziel, drei davon am Stockerl, einer als Gesamtsieger; wir dürfen mit unseren Repräsentanten in Le Mans mehr als zufrieden sein.

Stimmen:

Alexander Wurz: „Was den Unterschied ausgemacht hat? Die Tatsache, dass wir das Auto ohne irgendwelche Schäden im Rennen gehalten haben. Wir haben außerdem ein großartiges Team hinter uns gehabt, und ein phänomenales Auto. Mit einem französischen Auto in Frankreich gewinnen, das ist ein phantastisches Gefühl.“

Christian Klien: „Enttäuschung mischt sich mit Stolz. Wir haben eine Riesenchance auf den Sieg gehabt. Aber um zu siegen, muss eben alles passen. Das Ergebnis zeigt auch deutlich den Sportsgeist von Peugeot: Im Siegerauto sitzt kein einziger Franzose, im zweitplatzierten gleich drei. Hier geht es nur um Racing. Ich gratuliere Alex, David und Marc zum Sieg. Le Mans zu gewinnen ist ein Traum. Für mich geht schon nächste Woche wieder mein Formel 1-Leben weiter. Es gibt wenig Zeit zum Verschnaufen, denn Silverstone steht vor der Türe.“

Peugeot-Sportdirektor Olivier Quesnel: "Ich bin sehr stolz über diesen Erfolg. Wir haben uns intensiv auf dieses Rennen vorbereitet - und es hat sich ausgezahlt. Ich möchte der gesamten Mannschaft zu ihrer tollen Arbeit gratulieren."

Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich: "Wir sind natürlich ein bisschen enttäuscht von dem Ergebnis. Wir haben es im Rennen nicht geschafft, das volle Potenzial des Audi R15 TDI umzusetzen, das wir bei den Testfahrten gesehen haben. Wir hatten noch dazu einige technische Probleme, die uns wirklich überrascht haben. So konnten wir nur mit einem Auto das Podium erreichen. Peugeot hat eine ganz tolle Leistung abgegeben und den Sieg sicher verdient. Wir werden die Probleme, die wir hatten, analysieren, um 2010 stärker zurückzukehren."

Lukas Lichtner-Hoyer: „Le Mans ist ein Rennen, wo „schnell“ allein nicht genügt - du musst über die Ziellinie fahren! Und ich freue mich deswegen auch besonders, weil ich vorher gesagt habe: wir müssen ins Ziel kommen, dann ergibt sich alles von selber. Natürlich haben wir Glück gehabt, keine Frage. Aber wir haben extrem viel gekämpft, denn die ersten sieben Stunden waren die Hölle, und wir hätten auch aufgeben können. Die Message ist einfach: nie aufgeben!“

Ähnlich resümiert Alex Müller: „Wir haben uns nie aufgegeben, haben immer weiter gekämpft. Unsere Mechaniker-Crew hat sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch für uns aufgerissen – vielen Dank dafür. Wir hatten zu Beginn sehr viel Pech, doch gegen Ende des Rennes hat sich das Blatt gewendet.“

Wie ist die Aussicht vom Podium in Le Mans, Thomas Gruber?: „Es ist der Olymp! Da unten stehen siebzig-, achtzigtausend Leute, das sieht man nicht jeden Tag, vor allem nicht als Amateur. Es ist unglaublich, als Rookie hier herzufahren und ins Ziel zu kommen - das war, was wir uns erhofft haben; dass wir wirklich aufs Podium fahren, hat sich niemand gedacht! Es war auch sehr glücklich, das muss man ehrlich sagen; aber wir haben auch schon oft Pech gehabt!“

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