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24h Le Mans 2009

"Dabeisein ist schon ein Sieg"

Ausgerechnet im Jahr der Pause geht's zum größten Rennen der Team-Geschichte, der Prinzipal von Jetalliance Racing steht Rede und Antwort.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

"Wir wollen natürlich noch oft dort hinfahren, aber man weiß nie“, meint Lukas Lichtner-Hoyer mit einem Blick auf den Bildschirm, "sonst wäre es ja nicht 37 Jahre her, dass das letzte österreichische Team dort war." - Und Steve McQueens eisgraue Augen blitzen mutig in die Kamera: natürlich der Klassiker "Le Mans", passend zum Anlass des Abends.

Wir sitzen hier neben dem Flugsimulator im Flight Training Center; also ist die erste Frage gleich a propos. Wie lernt man eine eine unbekannte Strecke kennen?
Auf der Playstation kenne ich die Strecke mittlerweile sehr gut… - die Schikanen und Curbs werden dort ja jedes Jahr ein bissl verändert.

In Eurer Klasse sind heuer „nur“ acht Autos, allen voran die übermächtigen Werks-Corvette. Erhofft Ihr Euch insgeheim ein besonderes Resultat?
Man muss es von der Psychologie her richtig sehen. Wenn man bei einem solchen Rennen das erste Mal dabei ist, kann die Vorgabe nur sein, fehlerfrei ins Ziel zu kommen. Der größte Fehler wäre, nicht die Demut zu haben, sich das einzugestehen. Denn wenn man die Zielflagge sieht, dann ergibt sich's ja automatisch, dass man weit vorne ist. Wir haben das Auto dazu. In erster Linie muss man schauen, dass man eine schnelle, gleichmäßige Pace hat. Denn jeder Fehler lässt sich mit fahrerischen Qualitäten nicht mehr aufholen. Da kannst' der Weltmeister sein – wenn du 30 Minuten an der Box stehst, weil du dir den Frontsplitter abgerissen hast, dann nutzt dir dein Speed nichts mehr. Daher ist der nicht vorrangig.

Abgesehen von den reglementär vorgeschriebenen Umbauten (kleinerer Tank laut ACO-Reglement, etc.): inwieweit wurde das Auto für Le Mans verändert?
Die komplette Fahrzeugnase ist anders geformt, runder und hat ohne Diveplates. Das entspricht dem Werksauto-Status von Le Mans 2008. Alle diese Teile sind in Le Mans erprobt und haben funktioniert und auch für den Sieg gereicht.

In diesem 55-Auto-Feld fahren natürlich auch die von den Rundenzeiten her viel schnelleren LMP-Fahrzeuge. Wie geht der Fahrer des langsameren Autos mit diesem Geschwindigkeitsunterschied um?
Wir sind 2007 bereits die Le Mans Series in Spa gefahren, dort Fünfte geworden. Es ist nicht viel anders, als mit einem GT2-Fahrzeug die FIA-GT zu fahren. In Le Mans sind die Top-Speeds gar nicht so sehr unterschiedlich; wir fahren über 300 km/h, die LMP über 320 km/h. Aber die Bremspunkte sind extrem unterschiedlich, und auch die Kurvenspeeds. Auf der anderen Seite gibt's im Feld auch wesentlich langsamere Autos, die GT2. Wir sind mitten drin, und deswegen muss durchkommen das erste Ziel sein.

War Le Mans immer das große Ziel des Rennfahrers und Teamchefs Lukas Lichtner-Hoyer, oder hat man jetzt die glückliche Gelegenheit wahrgenommen?
Für mich war Le Mans immer ein Ziel! Ein Ziel, an das man nicht denkt, weil's einfach zu weit weg ist. Für einen Amateurfahrer ist es der Olymp. Und da ist - was unseren Ehrgeiz nicht schmälern soll! - schon Dabeisein ein Sieg. Denn man muss vom ACO akzeptiert werden.

Die jetzigen GT1-Autos sind in ihrem letzten Jahr, das Team nimmt eine Auszeit vom Profisport. Kommt diese Einladung zur Teilnahme in Le Mans nicht beinahe zur falschen Zeit?
Ich glaube, es gibt in Le Mans keinen falschen Zeitpunkt! So wie das LMP1-Feld heuer groß ist, wird es in unserer Klasse heuer besonders schwierig; auf der anderen Seite gibt es in der GT1 nur zwei Werksautos, was ungewöhnlich ist. Voriges Jahr waren sechs Werksautos dabei.

Die Techniker-Mannschaft des Teams ist trotz der FIA-GT-Pause im Kern noch erhalten?
Sie ist ident. Othmar Welti ist ebenfalls dabei; nicht nur in Le Mans, sondern auch beim 6-Stunden-Rennen von Spa, und auch im Sports Cup. Othmar war ja nie bei uns fix beschäftigt, sondern immer Freelancer – aber er ist nach wie vor unser Renningenieur.

Dein vorjähriger Teamkollege im Auto Nr. 36, Alex Müller, begleitet als Vollzeitprofi die beiden "Gentlemen" Lichtner-Hoyer und Gruber nach Frankreich. Aber auch er war noch nie in Le Mans.
Alex Müller hat für heuer einen Vertrag als Betreuer bei uns. Ich würde sagen, er war letztes Jahr in der FIA-GT einer der Allerschnellsten – nicht umsonst war ich mit ihm am Podium. Das sagt einiges aus, vor allem über ihn! Nachdem wir ohnehin diesen Vertrag mit ihm haben, war es naheliegend, dass wir ihm die Möglichkeit geben, uns dorthin zu begleiten. Für einen Profi ist es nicht bedeutend, ob man eine Strecke schon kennt oder nicht. Das wird für ihn kein großes Thema.

Zur Praxis: wie machen die drei doch recht unterschiedlich großen Fahrer das beim Fahrerwechsel? Hat jeder Fahrer ein eigenes Sitz-Insert, oder gibt es eine stufenweise Sitzverstellung?
Das haben wir in der FIA-GT super exerziert. Der Alex und ich haben Reifen- und Fahrerwechsel-Stops in unter 17 Sekunden gemacht. Die Sitzverstellung ist stufenlos, eine ganz normale Schiene. Für Thomas und mich geht's bis zum Anschlag nach hinten. Alex schnallt sich an und fährt mit dem Sitz nach vorn, bis ihn die Gurten einbremsen. Thomas Gruber wäre schon noch größer als ich, aber weiter nach hinten geht's halt nicht!

Die Auszeit in der FIA-GT hatte ja anerkanntermaßen auch den Grund der Kostenersparnis in turbulenten wirtschaftlichen Zeiten. Gerade jetzt ist Engagement im Motorsport immer ein Kandidat für den Rotstift; wie steht die Firma Jetalliance zu dem Projekt?
Wir haben uns entschlossen, dass es heuer nur dann für uns Profi-Motorsport geben kann, wenn er durch externe Sponsoren unterstützt oder privat finanziert ist. Nachdem in Zeiten der Wirtschaftskrise externe Sponsoren spärlich sind, ist das FIA-GT-Projekt heuer auf Eis gelegt worden. Es hat sich nicht daran geändert, dass wir heuer keine Firmenmittel verwenden. Wir müssen dazu stehen: denn wir können nicht auf der einen Seite Einsparungsprogramme fahren und auf der anderen Seite den Motorsport unterstützen. Daher sind wir umso froher, dass es Private gibt, die das überhaupt ermöglichen; und dass wir für Le Mans Sponsoren gefunden haben, die den Rest des Budgets übernehmen. Sonst wäre es nicht möglich gewesen.

Lichtner-Hoyer/Gruber fahren neben Le Mans und dem 1000km-Rennen von Spa (dort mit Alex Müller) auch den Porsche Sports Cup, wo Thomas Gruber Titelverteidiger ist. Was steht darüber hinaus noch auf dem Programm?
Die 24 Stunden von Spa wollen wir fahren; alternativ dazu auch die 24 Stunden von Zolder. Denn die wären interessant, weil man sie mit einem Porsche gesamt gewinnen kann... - Darüber hinaus vielleicht das 12-Stunden-Rennen von Budapest. Wir fahren einen 997 GT3 Cup. Aber in Dubai haben wir gelernt, dass man bei einem 24-Stunden-Rennen mit einem Cup-Auto besser aufgestellt ist als mit einem RSR! Und da sind wir wieder beim Thema: selbst wenn du pro Runde fünf Sekunden schneller bist – sobald du reparieren musst, überholt dich der, der nicht repariert.

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