Hans Peter Voglhuber's Kolumne | 15.07.2002
Jaguar - Farbe bekennen bis zum (v)Erblassen!
Hans-Peter Voglhuber nimmt dieses Mal das Drama um Jaguar unter die Lupe und liefert Ansätze für mögliche Auswege aus dem Dilemma.
Hans-Peter Voglhuber
Farbe bekennen hieß es für Niki Lauda und sein Jaguar-Team in Silverstone. Und das taten die dann auch bis zum völligen (v)Erblassen. Da hatte Niki Lauda am Rennwochenende dem ORF noch voller Stolz das Heiligtum von Jaguar, nämlich den Windkanal und die neuen Aerodynamikteile präsentiert und dann folgte im Rennen eine derart blamable Vorstellung seiner Raubkatzen, wie sie schlimmer nicht hätte sein können.
"Da ist tiefer der Hund drinnen!" analysierte anschließend ein ziemlich blass wirkender Niki Lauda das Abschneiden der grünen Renner vor dem Mikrophon. Dramatisch wurde Lauda vor Augen geführt, dass es um einiges mehr bedarf, als sich medienwirksam ins Rennauto zu setzen und ein paar PR-Runden zu drehen, "um einmal selbst zu erfahren, wie die F1-Rennautos von heute funktionieren". Lauda hatte sich bisher anscheinend ausschließlich auf die Kompetenz seiner Techniker verlassen, ohne dabei selbst an der Ursachenforschung aktiv mitzuarbeiten.
Ein kolportierter Drei-Schicht-Betrieb im Windkanal hört sich zwar wahnsinnig spannend an, ob er aber auch die dafür erforderlichen Geldmengen rechtfertigt, darf bezweifelt werden. So stellt sich, ähnlich wie seinerzeit bei Prost, die Frage, ob Lauda als Teamchef nicht überfordert ist.
Lauda hätte sich "des Hundes, der tiefer drinnen ist" viel früher annehmen müssen. Anstatt die Probleme ganzheitlich zu sehen und anzugehen, setzte jedoch Lauda, zumindest in der Öffentlichkeit, allein auf den Windkanal. Viel Zeit und noch viel mehr Geld sind deswegen schon den Bach hinuntergegangen und Lauda dürfte, wenn nicht ein rennsportliches Wunder geschieht, die ganze Vertragsdauer als Team-Chef von Jaguar nicht mehr durchstehen.
Kranke Katzen:
Nicht die Aerodynamik alleine, sondern das Gesamtpaket macht Jaguar Probleme
Dass es in erster Linie nicht vorwiegend an der Aerodynamik lag, warum die englischen Katzen gar so lahmten, war schon lange ersichtlich und es bedurfte bestimmt nicht erst des Debakels in Silverstone, um das zu erkennen. Für die Performance eines Rennwagens ist grundsätzlich die gelungene Kombination aus Chassis und Motor entscheidend.
Erst wenn der "nackte" Renner in bester Verfassung und gut ausgewogen ist, kann auch aerodynamisch gezaubert werden. Selbstverständlich spielt der Abtrieb eine äußerst wichtige Rolle, doch was nützt das beste Aerodynamik-Paket, wenn es auf Grund eines zu schwachen Triebwerks an Beschleunigung und Highspeed mangelt und ein schlecht arbeitendes Fahrwerk die Fahrkünste des F1-Piloten über Gebühr strapaziert.
Bei Jaguar stimmt beides nicht. Der Cosworth-Treibsatz kommt leistungsmäßig nicht an die Triebwerke von Ferrari, BMW und Mercedes heran und das Fahrwerk des Jaguar scheint wirklich schlecht zu funktionieren. Dass in dieser schwierigen Situation zwei Fahrer wie Eddie Irvine und Pedro de la Rosa im Cockpit sitzen, macht die ganze Sache bestimmt nicht einfacher. Beide scheinen nicht das nötige technische Verständnis zu besitzen, um dem Team in dieser schwierigen Situation weiterhelfen zu können.
Bei BAR war die Situation bisher ähnlich wie bei Jaguar: viel Geld und wenig Erfolg. Doch jetzt haben die Leute von BAR ihre F1-Vehikel sowohl fahrwerksseitig als auch aerodynamisch umgebaut und der Erfolg gibt dem BAR-Team recht. In Silverstone war es nämlich nicht nur der verrückte Rennverlauf, welcher das BAR-Team in die Punkteränge aufrücken ließ, die verbesserte ganzheitliche Performance der BAR-Renner war trotz der noch immer etwas schwächeren Honda-Motoren klar erkennbar.
Hoffnungs-Schimmer:
Wenn man nun in die richtige Richtung arbeitet, könnte man im kommenden Jahr im vorderen Mittelfeld mitmischen
Dass ab Montag bei Jaguar "mit anderen Bandagen" gearbeitet wird, wie es Lauda ausdrückte, ist schwer vorstellbar. Was sollte denn jetzt auf die Schnelle im Team so gravierend geändert werden können? Abgesehen davon war es ja Lauda selbst, welcher seit Monaten fast nur mehr von Aerodynamik und Windkanal geschwärmt hatte. Laut dem Jaguar-Boss sollte gerade der neue Windkanal die große Wende bringen! Sogar ein Aerodynamiker aus der Luftfahrtindustrie wurde engagiert, damit alles strömungsgemäß verläuft. Jetzt scheinen sich die GP-Träume mehr oder weniger in (Windkanal)Luft aufzulösen.
Die aerodynamischen Verrenkungen des Jaguar-Teams muten ein wenig so an, als wenn sich ein schlecht trainierter Mensch erstklassige Laufschuhe und ein Top-Outfit vom Teuersten kauft und glaubt, deswegen einen Marathon laufen zu können.
Was Lauda in dieser Situation wirklich tun könnte, wäre, jene Leute aus dem Konstruktionsteam herauszusuchen, welche neben ihren Computer-Fähigkeiten auch noch eine Portion Hausverstand besitzen. Dieses Grüppchen sollte sich zusammensetzen und gemeinsam das Fahrwerk des Jaguars gründlich überarbeiten.
Mit einer stark modifizierten oder gar neuen Vorderachs- und Hinterachskonstruktion sollten die F1-Boliden wieder ordentlich zum Laufen gebracht werden können. Dann würde auch ein neues aerodynamisches Paket richtig Sinn machen. Bei dieser Gelegenheit sollte sich Jaguar auch gleich zwei neue Fahrer gönnen. Heinz Harald Frentzen und Jacques Villeneuve zum Beispiel würden Jaguar sicherlich mehr bringen, als das derzeit aktuelle Fahrer-Duo.
Auf diese Weise könnte das Team bis zum Saisonende möglicherweise ein Auto hinbekommen, mit dem die Jaguar-Truppe dann im nächsten Jahr zumindest ins gute Mittelfeld vorkommen sollte. Das so entwickelte 2003er-Modell könnte außerdem die Basis für eine echt WM-reife Konstruktion 2004 sein. Oder Jaguar geht mit Arrows ein Tauschgeschäft ein: Cosworth-Motoren gegen einen F1-Rennwagen von Arrows. Somit könnte Arrows noch eine Weile weiter im Kreis mitfahren und die Jaguar-Leute könnten anhand des eingetauschten Arrows-Renners lernen, wie man ein funktionierendes Chassis baut.
Ihr Hans-Peter Voglhuber