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Georg Fischer 1949-2016 Georg Fischer Audi Quattro

Georg Fischer: Die Kraft, die aus der Ruhe kommt…

Österreichs Rallyeszene unter Schock: Georg Fischer verstarb am Montagmorgen, nachdem der bereits besiegte Krebs plötzlich zurückkehrte…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Gernot Neumeyer, Rallyeshow, Joel Kernasenko, Alles Auto/Robert May

Noch im Vorjahr genoss er sichtlich die Premiere der Sankt Pöltner Rallyeshow, wo er auf der großen Showbühne des VAZ mit Österreichs Rallye-Legenden die „guten alten Zeiten“ aufleben ließ und vor lauter Freude sogar ein Comeback ins Auge fasste, wenngleich mit einem Augenzwinkern.

Die Rallyefans der ersten Stunde wiederum waren erfreut, endlich wieder einmal etwas vom Rallyepiloten Georg Fischer zu hören, der sich ob seiner ruhigen und besonnenen Art großer Beliebtheit erfreute.

Nur ein Jahr später heißt es nun Abschied nehmen von Georg Fischer. Am Montagmorgen verlor er einen bereits gewonnen geglaubten Kampf gegen den Krebs, nur 67 Lebensjahre waren dem dreifachen Staatsmeister (1981, 1986 und 1987) vergönnt.

Österreichs Rallye-Dominator in den „goldenen 70er-, 80er- und 90er-Jahren“, Franz Wittmann, dem Georg Fischer über zehn Jahre hinweg wie kein anderer die Stirn bieten konnte, war mit Fischer nicht nur verschwägert, sondern auch eng befreundet. Noch am Sonntagvormittag besuchte Wittmann seinen Schwager im Spital, welches Fischer nach dem neuerlichen Auftauchen von Metastasen Ende Oktober aufsuchen musste.

Fassungslos erzählt der zwölffache Staatsmeister: „Wir haben geplaudert, es war alles ganz normal.“ Wenige Stunden später musste Fischer in die Intensivstation verlegt werden. Wittmann schüttelt den Kopf: „Er hat in der Nähe ein Haus, wir haben uns immer wieder gegenseitig besucht, auch zu Weihnachten. Es ist erschreckend, wie schnell so etwas kommen kann.“

„Hart, aber fair – und niemals laut…“

Unter Schock steht auch Enrico Falchetto, Chefredakteur der Automobil-Zeitschrift Alles Auto, für die Georg Fischer seit 2003 zunächst als Autor, später sogar als Testchef tätig war.

Falchetto erinnert sich: „Er war für mich der Mitarbeiter der ersten Stunde. Er war ja auch Fahrinstruktor und hat der damaligen Chefredakteurin Elisabeth Pechmann beim Autofahren unter die Arme gegriffen, dafür hat sie ihn beim Schreiben unterstützt.

Mit Georgs Texten hatte ich beim Redigieren die größte Freude von allen Mitarbeitern. Er war extrem analytisch, ein Techniker, ein Tüftler, und dennoch ein guter Schreiber. Seine Tests waren mitunter hart in ihrer Kritik, aber stets fair. Und Georg hat sich aufkommenden Diskussionen gestellt. Ich habe in all den Jahren nie erlebt, dass Georg einmal laut wurde – er war die Ruhe in Person.“

Mit einem Schmunzeln erinnert sich Falchetto an eine Rallye, die Alles Auto-Herausgeber Günther Effenberger als Copilot an der Seite von Georg Fischer absolvierte: „Sie sind abgeflogen und 60 Meter einen Hang hinab gerutscht – als sie zum Stillstand kamen, wurde klar, dass sie eine Zeit lang warten mussten, bis der Wagen abgeschleppt werden konnte. Georg blieb ganz ruhig, griff nach hinten in seinen Rucksack und sagte: „Für solche Fälle habe ich immer zwei Wurstsemmeln mit.“

Wenn er nicht gerade in einem abgestürzten Rallyeboliden auf den Abschleppwagen warten musste, bevorzugte Georg Fischer „guten Wein und gutes Essen“, erzählt Falchetto. Und: „Dafür ist er dann den berühmten Jakobsweg gegangen, wenn auch in zwei Etappen.“ Herausforderungen hat Fischer gerne gesucht: „Er hat den Motorflugschein gemacht und sich immer wieder Privatflugzeuge ausgeborgt. Zudem hatte er auch mit EDV sehr viel am Hut – alles Technische hat Georg fasziniert. Seine Arbeitsweise könnte man durchaus als akribisch beschreiben.“

„Gerhard Berger des Rallyesports“

Das war nicht immer so. Zumindest nicht ganz. Franz Wittmann lacht: „Georg war sehr intelligent und technisch sehr versiert. Er hat früher als ich mit dem Rallyefahren begonnen, bei VW und später auch bei Opel waren wir dann Teamkollegen und zugleich die größten Konkurrenten.

Er war ein begnadeter Autofahrer und ein toller Analytiker – doch damals hat er es doch mehr als Gaudi gesehen.“

Eine Beobachtung, die Georg Fischer im Vorfeld seines vorjährigen Auftritts bei der Rallyeshow mit einem Vergleich bestätigt hat: „Ich glaube, dass ich großes Talent hatte - aber ich war niemals so fleißig wie Franz Wittmann. Bezogen auf die Formel 1 könnte man sagen: Franz Wittmann war der Niki Lauda, während ich eher der Gerhard Berger des Rallyesports war.“

Die Freude am Rallyefahren war Georg Fischer wichtig, viele unterschiedliche und heute legendäre Boliden hat er in seiner Karriere gezündet. 1991 gab letztendlich Audi den Ausschlag für seinen Rücktritt: „Ich hatte schon längere Zeit kein Feuer mehr in mir, der Audi 200 quattro war ein Unding zum Rallyefahren, dann wurde der geplante Audi S2 wieder nicht homologiert, da habe ich einfach Schluss gemacht.“

Nur einmal, zwei Jahre später, gab es ein Comeback, jedoch nur für eine einzige Rallye: „Ich wurde 1993 eingeladen, bei der Waldviertel-Rallye mit dem Fiat Cinquecento an der Trophäe teilzunehmen, wo ich auch gewonnen habe. Trotzdem habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr so gut fahren kann wie früher.“ Dass es einen natürlichen Alterungsprozess gibt und damit auch die Reaktionszeiten steigen, sei ihm bewusst, sagte Fischer im Vorfeld der Rallyeshow 2015, versicherte aber zugleich: „Auch wenn ich nicht mehr an meine damalige Performance herankomme, zähle ich mich immer noch zu den besten Autofahrern.“

„Perspektive des normalen Autofahrers“

Als Autotester habe er die „Perspektive des normalen Autofahrers“ bevorzugt: „Natürlich macht es auch einmal Spaß, ein reinrassiges Rennfahrzeug wie den KTM GT4 oder den 610 PS starken Audi R8 auf einer Rennstrecke zu testen – nur was soll ich damit auf der normalen Straße anfangen?“

Auch historische Rallyeboliden konnten sein Herz nicht wirklich erweichen: „Ich habe zu alten Autos noch nie eine Beziehung aufbauen können und mich immer dem Neuen und Modernen zugewandt.“ Einzige Ausnahme: „Als ich zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder in einen Rallye-Käfer gestiegen bin, da habe ich die Emotion gespürt und sogar schwitzende Hände bekommen.“

1987 pilotierte Georg Fischer einen Audi quattro, Franz Wittmann gab dem Lancia Delta HF 4WD die Sporen – es war ein hartes Jahr, in dem die beiden nichts zu verschenken hatten. Wittmann erinnert sich: „1987 bei der ÖM-Rallye im Lavanttal – ich lag 25 Sekunden vorne, doch er hat im Finish die richtigen Reifen aufgezogen und gewonnen. Er ist nicht nur super gefahren, er war auch ein sehr guter Taktiker.“

Das Verhältnis zwischen ihm und Fischer sei damals zwar zum einen freundschaftlich gewesen, doch in der Zeit „der festen Fights“ habe das „Konkurrenzdenken überwogen“, doch „wir haben uns damals trotzdem schon gut verstanden“. Ob man in der Zeit als Teamkollegen Daten ausgetauscht habe? Wittmann lacht: „Nein, sicher nicht!“ Die enge Freundschaft habe sich erst in den Jahren danach manifestiert. Wittmann sagt: „Er lebte ja sehr ruhig, beinahe zurückgezogen. Und er hat nie gejammert wegen seiner Krankheit.“

Enrico Falchetto bestätigt: „Er ist mit seiner Krankheit genauso analytisch umgegangen wie mit seinen Autotests. Er hat mit den Ärzten gesprochen wie ein Rennfahrer mit seinem Technikerteam. Als 2014 die erste Krebsdiagnose kam, hat er seine Testarbeit eingestellt – er sagte, dass er keine 80 Prozent abliefern möchte und dass er erst wieder zurückkehren wird, wenn er wieder 100 Prozent leisten kann.

Im März 2015 war das dann tatsächlich der Fall – er hat den Krebs besiegt und ein großes Comeback bei uns gegeben. Bis zum vergangenen Oktober hatte er in jeder Ausgabe mindestens einen großen Autotest.“ Ende Oktober kam schließlich die Hiobsbotschaft. Ein zweites Mal konnte Georg Fischer den Krebs leider nicht bezwingen…

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