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Die Autonomen kommen!

Autonomes Fahren: Sind Verkehrstote dann Geschichte, oder handeln wir uns rollende Bomben ein? Wir beleuchten das Selbstfahrer-Thema.

Text: Georg Koman
Fotos: Mercedes-Benz (3), FCA (1), Google (1), Barracuda (1)

Das Thema autonomes Fahren ist ein hoch emotionales, obwohl von einem selbstfahrenden Auto chauffiert zu werden, der Emotionalität einer Taxifahrt minus fröhlichem Taxler-Geschnatter ziemlich nahe kommt.

Emotional ist das Thema deshalb, weil selbstfahrende Autos eine Menge an Ängsten transportieren. Die Angst, bei Technik-Fehlern zum hilflosen Passagier degradiert zu werden. Die Angst, bei Hacker-Angriffen ungewollt zum Selbstmord-Attentäter zu mutieren. Und natürlich die Angst, Fahrspaß künftig bestenfalls per PlayStation & Co. konsumieren zu können.

Ängste entstehen oft dann, wenn man keine Ahnung hat, wohin die Reise gehen soll, und das hat derzeit niemand. Auch die mutig ins Blaue hinein entwickelnden Techniker nicht. Wie schnell wird sich autonomes Fahren entwickeln? Wie weit wird es gehen?

Öl ins Feuer gießt IT-Gigant Google mit seinem selbstfahrenden Auto, optisch in der Grauzone zwischen altem Smart Fortwo und Seilbahn-Kabine angesiedelt. Dieses wird derzeit in den Weiten der USA erprobt und verzichtet gänzlich auf Lenkrad und Pedale.

Von Benzinbrüdern belächelt, ist der Schachzug aus Marketing-Sicht kein übler: Das wenig ernst zu nehmende Äußere (Bild links) macht den Blick auf die eigentlichen Fähigkeiten des Autos frei, nämlich selbst zu fahren. Und der Extremismus im Weglassen aller Dinge, die Autofahrern Spaß bringen, lässt sich als Signal an die Autoindustrie deuten. Nach dem Motto: Was hier noch fehlt, könntet ihr einbringen.

Und tatsächlich: vor Kurzem verkündeten Google und FCA (Fiat Chrysler Automobiles) ihre Zusammenarbeit in Sachen autonomem Fahren, Chrysler stellt dazu vorerst einmal 100 Hybrid-Vans des bei uns nicht erhältlichen Modells Pacifica (Bild links) zur Verfügung.

Im Sommer 2017 sollen autonome Pacificas in den USA zu kaufen sein – sollte der Zeitplan halten, muss Google sehr weit oder sehr mutig sein, wenn man sich für den Launch gerade das Land der unbegrenzten Verklagungs-Möglichkeiten aussucht.

Inzwischen beherrschen nicht wenige Autohersteller die Tricks mit dem Folgen von Bodenmarkierungen und dem selbstständigen Einparken, der neue BMW 7er kann sogar per Schlüssel-Befehl selbst ausparken.

Weitere laute Player im autonomen Konzert sind Mercedes, Volvo und Tesla. Die Stuttgarter agierten als erster Hersteller ab 2013 mit einer Stereo-Kamera (vom Zulieferer Continental), die quasi dreidimensional sehen kann. Seither bremsen noble Benze der E- und S-Klasse bei Querverkehr selbsttätig und folgen dem Straßenverlauf, selbst wenn keine Spurlinien aufgemalt sind. Aber immer nur wenige Sekunden lang, dann muss man das Lenkrad wieder berühren – keine Frage der Technik, sondern eine der Haftung.

In Göteborg wiederum hängt man die Sache voll am Lieblingsthema Sicherheit auf, ab 2020 soll niemand mehr in einem neuen Volvo sterben müssen, tönt man. Mit "Drive Me London" startet Volvo ab 2017 einen groß angelegten Praxistest mit selbstfahrenden Autos in Großbritannien. Zunächst sind Privatpersonen in teilautonomen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen unterwegs, 2018 sollen bis zu 100 vollautonom fahrende Volvos folgen.

Und Tesla lehnte sich im Oktober 2015 megaweit aus dem Fenster, als man Model-S-Kunden den Download einer „Autopilot“-Software ermöglichte. Im Nachhinein wunderte man sich, dass die Leute haarsträubende Youtube-Videos darüber drehten, etwa mit dem Titel: „Tesla Autopilot tried to kill me!“ Kürzlich gab es deshalb sogar einen Toten zu beklagen, nachdem sein Tesla einen Lkw "übersehen" hatte. Das Tesla-System ist in Wahrheit nämlich auch nicht weiter als die Konkurrenz, allein der Name „Autopilot“ suggeriert Überlegenheit.

Womit wir bei der Haftungsfrage bezüglich autonomer Auto-Aktivitäten sind. In Europa lautet sie derzeit ganz simpel: Der Fahrer trägt die Verantwortung, Punkt. Mit fortschreitender Autonomie und der exakten Dokumentierbarkeit, wann das Auto selbst gefahren ist und wann nicht, könnte sich das wohl noch ändern. Immer vorausgesetzt, man verschläft kein Software-Update.

Die Politik muss dazu ebenfalls ins Boot geholt werden, indem sie autonomie-freundliche Rahmenbedingungen schafft. Derzeit scheinen die Volksvertreter rund um den Globus nicht abgeneigt zu sein, denn mit einem Ja zu selbstfahrenden Autos können sie gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man gibt sich einen modernen Touch, man befürwortet Verkehrssicherheit und man hilft der Wirtschaft.

Schließlich sind es mehrheitlich die Automobil-Zulieferer, die für News in diesem Bereich sorgen, auch in Österreich (etwa TTTech aus Wien). Neo-Verkehrsminister Jörg Leichtfried will jetzt das Kraftfahrgesetz im Hinblick auf autonomes Fahren novellieren, ein bisschen hinten nach ist man aber auch hier, etwa beim Thema Teststrecken. Wohl aus alter österreichischer Gewohnheit lässt man zunächst die USA und dann Deutschland vorpreschen.

Was den Grad der automobilen Autonomie betrifft, gibt es in Europa und den USA eine anerkannte Klassifizierung in fünf Levels. „0“ bedeutet dabei keinerlei Autonomie, „1“ bezeichnet Assistenzsysteme wie etwa Abstandsregel-Tempomaten. Ab „2“ sind wir im Bereich der Teilautonomie – mit automatischem Aus- und Einparken, Spurhaltefunktion, selbsttätigem Beschleunigen und Bremsen etc. Bis dahin ist alles bekannt, erst ab „3“ betreten wir mit der Hochautomatisierung Neuland. Diese kennzeichnet sich z.B. durch selbstständige Spurwechsel samt zugehörigem Blinken. Das könnte auf Autobahnen in Bälde möglich sein. Auf Level „4“ spielt ein völlig selbstständig fahrendes Auto, das allerdings noch vom Fahrer übernommen werden kann (oder fallweise muss), während Autos der Stufe „5“ auch ohne Passagiere fahren können – Lenkrad und Pedale sind dann kein Muss mehr.

Selbst als Hardcore-Autofreak könnte man sich mit Stufe 5 anfreunden, solange Lenkrad und Pedale drin bleiben. Denn wer wünscht sich in manchen Situationen – verstaute Stadt, öde Autobahn – nicht fallweise ein selbstfahrendes Auto?

Wenn die Technik wirklich funktioniert und man entscheiden kann, ob man sie überhaupt zukauft, und wenn ja, dann auch abschalten darf, könnte man sich auf die neuen Zeiten durchaus einlassen. Dann bliebe nur noch zu hoffen, dass die Firewall-Profis (siehe Interview unten) diversen Hackern immer einen Schritt voraus sein mögen.

Interview mit Datensicherheits-Experte Wieland Alge

?: Studien zeigen, dass die Angst vor dem technischen Versagen von autonom fahrenden Autos bei befragten Menschen größer ist als jene vor Hacker-Angriffen. Schlecht für IT-Security-Unternehmen, oder?

Wieland Alge: Der menschliche Forschergeist bemüht sich immer als erstes darum, dass neue Entwicklungen funktionieren. An Missbrauchsmöglichkeiten denken alle – auch die Kunden – erst in zweiter Linie. Bei autonom fahrenden Autos sollte das hoffentlich anders sein. Denn in diesem Fall können wir Firewall-Freaks nicht bloß Daten, sondern durchaus auch Leben retten.

?: Wie stellen Sie sich Angriffsversuche von Hackern konkret vor?
WA: Ich glaube nicht daran, dass Verrückte einzelne Autos plötzlich von der Straße abkommen lassen. Ich fürchte eher die organisierte Kriminalität. Diese könnte Schadsoftware in zahlreiche Autos schmuggeln und dann Hersteller oder Staaten damit erpressen, diese Software – mit welchem üblen Ergebnis auch immer – zu aktivieren. Verhindern können das nur ausgeklügelte Sicherheitssysteme und Verschlüsselungsprotokolle wie eben unsere.

?: Was sind für Sie die größten Vorteile von Selbstfahr-Autos – fehlerloses Funktionieren vorausgesetzt?
WA: Erstens die Sicherheit: Sensoren sehen einfach mehr als menschliche Augen. Dunkelheit oder Nebel sind ihnen egal, Müdigkeit oder Unaufmerksamkeit kennen sie nicht. Und zweitens der Zeitgewinn: Sitzt man selbst im Auto, kann man sich mit allen Dingen beschäftigen, die man aufgrund der Fahrtätigkeit hintanstellen müsste. Woran man heute aber noch kaum denkt, ist das Servicethema, wo einem solche Autos viel Zeit sparen können. Sie könnten etwa nachts oder zeitig in der Früh selbst zum Strom-Laden (oder Tanken), zur Wartung oder zum Reifenwechsel fahren. Car-Sharing würde einen Boom erleben, wenn das Auto allein bei einem vorfährt, Taxis ohne Fahrer wären ebenfalls ein heißes Thema.

?: Das heißt, der Trend zum eigenen Auto könnte abnehmen?
WA: Durchaus. Auch in jener Form, dass eine Person Haupteigner mit Vorrangrechten am Auto ist, es andere aber benützen dürfen, wenn der Haupteigner das Auto nicht benötigt. Alles natürlich extern gemanagt, da sollte man nicht selbst herumtelefonieren müssen.

?: Bis zum souveränen Funktionieren autonomer Mobilität könnte es aber ungut werden: Wenn menschliches Fehlverhalten auf technische Unzulänglichkeit trifft?
WA: Ich muss zugeben, selbst ich betrachte die nächsten fünf bis zehn Jahre als eine „gefährliche Zwischenzeit“. Auch werden die Leute das Thema zunächst zaghaft annehmen. Man denke aber an Smartphones: Vor acht Jahren wurde man damit als Angeber belächelt, doch irgendwann kam der Punkt, an dem die Verbreitung rasend schnell wurde.

?: Sie sehen offenbar das komplett autonome Fahren als Endpunkt der Entwicklung. Und wo bleibt da der Fahrspaß?
WA: Man darf eines nicht vergessen: Jede technische Entwicklung hat uns weiter weg vom direkten Fahrerlebnis gebracht. Egal, ob Bremskraftverstärker, Servolenkung oder ESP. All diese Dinge haben sich aber sehr schnell durchgesetzt. Und Fahrspaß kann man sich auch in Form von Rennfahrkursen auf abgesperrter Strecke holen. Oder auch am Motorrad. Ich glaube nämlich weder, dass Motorräder automatisierbar sind, noch, dass sie irgendwann verboten werden.

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