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Formel 1: Pro & Kontra

Öffnung, nicht Schließung!

Das Einheitsauto als letzter Schritt auf einem völlig falschen Weg? Die Konstrukteurs-WM töten, nur weil die Hersteller nicht sparen wollen? Bitte nicht!

Michael Noir Trawniczek

Tauchen wir nun endgültig hinab in die Tiefen der vollkommenen Destruktion? Ist es schon so weit, dass wir den Weg für beendet erklären? Weil alles immer teurer wurde oder weil einige Automobilhersteller immer mehr Geld in die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft der Formel 1 gebuttert haben, beenden wir diese und gehen zur Einheitsserie über? Nörgeln ist gut - totnörgeln allerdings kann es auch nicht sein, schließlich würden wir mit dem Einheitsauto jene technische Faszination (ja, die gibt es auch!) begraben, welche die Formel 1 bis vor einigen Jahren noch ausgestrahlt hat.

In einem bestens ausgerüsteten Modellautosalon, im Hinterzimmer einer Tankstelle in der Nähe des Nürburgrings, kann man auf kleinstem Raum nachempfinden, welche Faszination von dieser Rennserie namens Formel 1 ausging (und auch wieder ausgehen könnte). Die Formel 1 - das waren verwegene Technikgenies, die in England in einer der britischen Bastelbuden oder auch in Italien in einer Spezialabteilung eines Automobilherstellers an immer neuen Konzepten gebrütet haben und die mit ihren Fahrzeugen für echte Faszination sorgen konnten. Der Lotus 49. Der erste Heckflügel. Der Sechsrad-Tyrrell. Der Staubsauger-Brabham. Der Arrows A2-"Bomber". Die Flügel-Autos. Das Doppel-Chassis. Und so weiter. Und natürlich die verschiedenen Motorenkonzepte.

Sparzwang durch Einengung

Nach dem Turbo wurde vereinheitlicht, der technische Spielraum wurde immer mehr eingeengt - weil man (und vor allem die FIA unter Max Mosley) glaubte, damit die Konzerne zwingen zu können, Geld einzusparen. Wenn heute ein GP2-Jüngling ächzt, dass sogar bei den vermeintlichen Einheitsautos der GP2 deren Spitzenteams Millionen von Euro investieren, um beispielsweise Simulationen zur Fahrwerksabstimmung durchzuführen, dann erkennt man, dass die Einengung und als letzte Konsequenz die Vereinheitlichung keine Lösung für das Problem sein können.

Die Formel 1 ist zum einen die Fahrer-Weltmeisterschaft, zum anderen aber ist sie immer noch die Weltmeisterschaft der Konstrukteure. Und zwar im Monoposto-Rennwagenbau. Diesen aussterben zu lassen, nur weil aufgrund eines engmaschigen Reglements die Autos einander gleichen und einige Automobilfabrikanten Milliarden dafür ausgeben, einen de facto-Einheitsmotor zu bauen, wäre jammerschade.

Den falschen Weg zu Ende gehen?

Der Weg, den die FIA seit Jahren eingeschlagen hat, führt tatsächlich hin zum Einheitsauto - doch wer sagt, dass dieser Weg richtig ist? Warum müssen die Übel des Kapitalismus mit einem streng abgestanden miefenden Kommunismus bekämpft werden? Das strenge Motorenreglement, das Einfrieren von Konzepten - all das wirkt zwanghaft, die Kreativität wird damit nur eingeengt, als ob sie der Grund allen Übels wäre. Das hat sich die Kreativität, das haben die vielen zündenden Gedanken der letzten Jahrzehnte, das haben die Eingebungen eines Colin Chapman oder eines Gordon Murray einfach nicht verdient. Vielleicht geht es ja nur um Öffnung? Um die Öffnung im Reglement, und im Grunde um die Öffnung im Denken!

Vieles ist möglich

Ist eine technische Vielfalt heutzutage tatsächlich unmöglich? Was spricht dagegen, verschiedene Motorenkonzepte, also Reihenmotor, V-Motor, Turbo, Wankel oder auch Diesel und Alternativkraftstoffe zu erlauben? Warum nicht endlich die kreative Einbindung von Energierückgewinnung? Wäre es nicht möglich, beispielsweise in punkto Aerodynamik den Abtrieb per Reglement zu reduzieren (warum nicht die Flügel auf ein Minimum stutzen? Wer sagt, dass Autos Flügel haben müssen?) und gleichzeitig mit offenen, auf gewisse Mindest- und Höchstabmessungen bzw. Sicherheitsstandards reduzierte Regeln einen Wettbewerb in Sachen geringer Luftwiderstand anzufachen, sodass die Formel 1-Boliden sich vielleicht auch von ihrer Form und Bauweise her wieder unterscheiden können?

Alternative Motorenkonzepte, Energierückgewinnung und geringer Luftwiderstand - damit wären neue Ziele definiert, die sogar in der Serie nützlich sein könnten. Vielleicht hätte man dann Autos, die auf den Geraden sehr schnell sind, die jedoch für die Kurven aufgrund ihres fehlenden aerodynamischen Abtriebs einfach drastisch herabgebremst werden müssen - was wiederum die Bedeutung des Piloten heben würde, wenn man gleichzeitig auf elektronische Fahrhilfen verzichten würde. Die F1-Boliden der Zukunft könnten wieder richtige "Monster" sein, rasend schnell auf den Geraden, doch in den Kurven sensibel - ein F1-Bolide wäre dann wieder ein Auto, das nur die Creme de la Creme der Autorennfahrer beherrscht, und Windschattenschlachten wären auch wieder möglich...

Budgetlimit ist möglich

Natürlich würden die Teams wieder Milliarden investieren. Das tun sie immer - und sie würden sich auch weiter vergrößern. Doch es ist wenig konstruktiv, diese Entwicklung damit bekämpfen zu wollen, das Feld der Kreativität zu beschneiden. Noch einmal: Auch in den Einheitsserien regiert das Geld. Jedes Reglement erfordert heutzutage dessen genaue Überprüfung - ein Budgetlimit ist daher ebenfalls überprüfbar. Und auch die Mitarbeiteranzahl könnte limitiert werden, selbst wenn das für ein Team mit 1000 Angestellten hart wäre. Was spricht dagegen, dass ein F1-Team nicht mehr als 100 oder 200 Mitarbeiter haben darf? Was spricht gegen die Limitierung auf einen Windkanal oder am besten gleich die Limitierung der Arbeitsstunden im Windtunnel? Sodass die Weltmeisterschaft der Konstrukteure von kleinen aber feinen Rumpf-Mannschaften, einer Ansammlung von "schrägen Supergehirnen" bestritten wird, manche davon im Banner eines Automobilherstellers, andere im Banner eines anderen Geldgebers oder auch auf privater Basis. Alle jedoch mit den gleichen Voraussetzungen, mit dem gleichen Budget.

Natürlich riskiert man mit der Öffnung des Reglements, dass eines der Teams dank einer herausragenden Idee dominiert - doch bislang gab es immer einen, der die noch bessere Idee brachte. Und es ist immer noch sympathischer, wenn sich eine gute Idee durchsetzt und nicht nur das große Budget für den Erfolg verantwortlich zeichnet. Zudem gab es in der Formel 1 immer nur maximal vier siegfähige Teams - die Spannung ergibt sich aus gleichberechtigten Piloten und dem Erleichtern von Überholmanövern. Was spricht zudem dagegen, neben der Konstrukteurs-WM Formel 1 die Einheitsserie GP2 als "Fahrerserie" im Vorhof der Königsklasse F1 noch mehr glänzen zu lassen, sodass die Serien im Paket F1/GP2 praktisch für jeden etwas bieten?

Wenn gespart werden will, muss das Budget begrenzt werden - ansonsten wird das Geld nur von einem Bereich in den anderen verschoben. Aus Spargründen die Kreativität zu unterbinden, ist eine sinnlose Kapitulation. Oder sind wir tatsächlich am Ende angelangt? Glauben wir, dass die heutige Form eines F1-Autos die endgültige ist? Glauben wir tatsächlich, dass es hier keine anderen Möglichkeiten mehr gibt? Müssten wir diese fatale Erkenntnis dann nicht auch für die Straßenautos gelten lassen? Ist also der gesamte Fahrzeugbau am Ende angelangt? Diese Fragen können nur mit einem klaren "Nein!" beantwortet werden! Es gibt kein Ende, es gibt nur sehr viel Resignation. Doch diese muss vekämpft werden. Öffnung ist angesagt, nicht Schließung,

meint Ihr

Michael Noir Trawniczek

In der Navigation rechts finden Sie den Pro-Kommentar "Her mit dem Einheitsauto!"

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