BMW R nineT - schon gefahren | 24.01.2014
Agile Tradition
Der klassische Roadster BMW R nineT wirkt in Design und Technik wie eine Zeitreise durch sämtliche Epochen der Motorradgeschichte.
Thilo Kozik/mid
Die BMW R nineT - der Name nimmt Bezug auf 90 Jahre BMW-Motorradbau - weist zahlreiche Merkmale der reichen Motorrad-Vergangenheit von BMW auf: allen voran natürlich den seit 1923 verbauten längs liegenden Zweizylinder-Boxermotor. Dieser macht die nineT zu so etwas wie einem lebenden Fossil. Denn als letztes Modell der aktuellen Palette bewahrt sie den luft-/ölgekühlten Antrieb, wo die übrigen BMW-Boxer den leistungssteigernden flüssigkeitsgekühlten Antrieb vorziehen.
Luftgekühlt sieht einfach besser aus, und beim Fahrspaß braucht niemand Einbußen zu befürchten: Aus 1.170 Kubikzentimeter Hubraum holt der Motor 81 kW/110 PS bei 7.750/min und ein maximales Drehmoment von 119 Nm bei 6.000/min.
Die Kraftübertragung erfolgt traditionell per Sechsganggetriebe und Kardanantrieb zum Hinterrad. Für den hohen fahrdynamischen Anspruch kommt in der nineT die kürzere Endübersetzung aus dem ehemaligen "Sport-Boxer" R 1200 S zum Einsatz.
Laufruhig, durchzugsstark und sehr kultiviert passt der Vierventil-Boxer wie die Faust aufs Auge der nineT. Er setzt Vortriebsbefehle exakt und verzögerungsfrei um und schiebt sogar noch in der zweiten Hälfte des Drehzahlbands deutlich nach vorn. Dabei betört ein besonders satter, sonorer Boxer-Sound aus dem linksseitigen Doppel-Auspuff.
Dieser setzt mit seiner gestrahlten Edelstahlfläche auch optisch einen Schwerpunkt. Abgesehen von der hier verwendeten Akustikklappe und dem serienmäßigen ABS widersetzt sich die nineT dem Trend zu elektronischen Schmankerln wie verschiedenen Fahrmodi.
Ins Auge fällt auch die goldene Upside-Down-Gabel, wo bei den anderen Boxern ein Telelever verbaut ist. Die Hinterradführung übernimmt typischerweise eine Paralever-Einarmschwinge mit Zentralfederbein. Das Einstellrad für die Vorspannung ist dabei wunderbar zugänglich. Die klassische Optik wäre aber nicht perfekt ohne die Drahtspeichenräder mit schwarz eloxierten Felgenringen, den Aluminiumradnaben sowie den Edelstahlspeichen.
Das reduzierte Design erinnert an die puristischen Roadster und Café Racer der 60er- und 70er-Jahre. Zusammen mit einer Vielzahl liebevoller und aus authentischen Materialien gefertigten Details wird aus der nineT ein ebenso emotionales wie hochwertiges Schmuckstück.
Dazu gehört das 18-Liter-Spritfass, ein aus sieben Blechen verschweißter Aluminiumtank, aufwändig von Hand gebürstet, oder die den Ansaugschnorchel verbergende Aluminiumblende mit geprägtem nineT auf der rechten Motorseite. Die Baukasten-Bedienelemente wirken dagegen geradezu lieblos.
Schon beim Konzept wurden Customizing und damit Individualisierbarkeit berücksichtigt, wie ein modulares Rahmenkonzept mit demontierbarem Soziusrahmen belegt. Nach Demontage des achtfach verschraubten Soziusrahmens entsteht durch einen Aluminiumhöcker der typische Look eines Café Racers im Solobetrieb.
Doch die nineT ist beileibe kein Design-Stück, sie hält die weiß-blaue Fahne auch im kurvigen Revier hoch. Mit ihren 222 Kilo ermöglicht sie unkomplizierten, sportlichen Fahrspaß. Sie platziert ihren Fahrer in einer "Pack-den Stier-bei den-Hörnern"-Haltung an die breite Lenkstange. So verbessert man das Gefühl fürs Vorderrad und die Lenkeigenschaften.
Präzise und stabil pfeilt sie durch die Radien, jederzeit gut kontrollierbar, aber ein Ausbund an Handlichkeit ist sie nicht - doch das waren die Vorbilder der Café Racer-Ära auch nicht. Im Gegensatz zu diesen sorgen radial montierte 4-Kolben-Monoblock-Bremssättel an der Doppelscheibenanlage vorn für eine tadellose Verzögerung, serienmäßig ABS-bewehrt.
Ab März steht der Klassik-Roadster zu 17.300 Euro für das Basismodell mit Doppelsitzbank beim Händler. Das ist nicht wenig, und mit individuellem Customizing schnellt der Preis weiter in die Höhe. Doch mit ihrem zeitlosen Design, den feinen Details und wertigen Materialien gibt die nineT ein starkes Statement ab.