Moto Guzzi California 1400 Audace - erster Test | 08.06.2015
Italienisches Biest
Mit dem Muscle-Bike Audace baut Moto Guzzi jetzt seine 1400er-Familie aus. Basis für den Neuling mit dem düsteren Antlitz ist die California 1400.
Thilo Kozik/mid
Motor und Fahrwerk der Aduace stammen weitgehend unverändert aus der vor zwei Jahren vorgestellten 1400er California. Alles drum herum ist jedoch neu und so anders, dass sich die Verantwortlichen mit Blick auf den amerikanischen Markt für einen zusätzlichen Namen entschieden haben.
Mit der "Audace" - steht sinngemäß für "Kraft und Mut" - erwecken die Italiener die dunkle Seite der California-Familie zum Leben. Sie ist ein Powerbike, das ganz bewusst nicht nur auf jeglichen Luxus, sondern auch auf Design-Elemente verzichtet.
Bis auf die Tankblende lenkt kein Fitzelchen Chrom das Auge ab, selbst die oberarmdicken Krümmer und die fetten Auspufftüten im Megaphon-Stil sind genau so wie die formschönen Vielspeichen-Gussräder "Nachtschwarz". Die kurze Sitzbank lässt auf Einsitzer tippen, tatsächlich sind die serienmäßigen Soziusrasten auf den ersten Blick kaum zu entdecken.
Statt auf Trittbretter wie bei der California legt der Fahrer seine Stiefel auf konventionelle Fußrasten, die etwas weiter hinten positioniert sind. Ein fast gerader Dragbar-Lenker zwingt den Fahrer ebenfalls nach vorn, was insgesamt eine aktive Sitzposition mit besserer Integration und mehr Gefühl für das Vorderrad bringt. Bei 740 Millimetern ist die Sitzhöhe für nahezu jede Statur passend, nur die Lenkstange liegt für Kleingewachsene zu weit vorn.
Im Zentrum der Betrachtung steht - wie sollte es bei einer Guzzi auch anders sein - der mächtige 90-Grad-V2-Motor mit den schräg nach außen stehenden Zylindern. Seine 1.380 Kubikzentimeter machen ihn zum größten Motor, den die Italiener bisher gebaut haben.
Viel Hubraum steht für viel Drehmoment. Und das bedeutet bei der Guzzi 121 Newtonmeter bereits bei lässigen 3.000 Kurbelwellenumdrehungen bei 96 PS bei 6.500/min. Da fährt die Audace praktisch mit Standgasdrehzahl an. Ganz gleich, bei welcher Drehzahl der Fahrer Gas gibt, stets erntet er genussvollen Vortrieb mit homogener Leistungsentfaltung. Selbst oben herum wird der mächtige Vau nicht zäh und erlaubt zügiges Vorankommen. So macht die neue Guzzi alles mit: Kräftig aus den Kehren andrücken, ausdrehen und hochschalten oder einfach im großen Gang dahin bummeln.
Dank des Ride-by-wire sind ein Tempomat und während der Fahrt wählbare Fahrmodi an Bord, mit denen sich der Motor-Charakter und die Leistungsentfaltung beeinflussen lassen. Gemäß dem Herkunftsland sind die entsprechenden Vorgaben italienisch angehaucht: Turismo steht für genussvolles Dahingleiten bei voller Leistung, bei Veloce geht's rasanter zur Sache, und Pioggia ist die Schlechtwetter-Stellung - weniger Leistung und ein sehr sanftes Ansprechverhalten.
Zur Kraftübertragung stehen sechs Fahrstufen zur Verfügung, von denen die letzte für längere Reise-Etappen drehzahlmindernd als Overdrive ausgelegt ist. Wer erwartet hat, dass sich der große Antrieb beim Gasgeben schüttelt und stampft, sieht sich getäuscht, auch Vibrationen bleiben stark im Hintergrund.
Das liegt an zwei Ruckdämpfern im Antriebsstrang und einer neuen Motoraufhängung mit gummigedämpften Elementen, die viel Motorunbill einfach schluckt. Mit extragroßen Katalysatoren und einem neuen Sekundär-Luftsystem ist die Audace übrigens die erste Moto Guzzi, die die Euro 4-Norm erfüllt.
Vorn rollt der neue Kraftmeier auf einem 130/70 R 18-Pneu, hinten spendieren ihr die Designer einen fetten 200er-Reifen auf einer 16-Zoll-Felge. Das Fahrwerk aus klassischem Stahlrohrrahmen wird vorn durch eine mächtige, nicht einstellbare 46 Millimeter-Telegabel und hinten durch zwei moderne Federbeine mit externem Ausgleichsbehälter ergänzt, bei denen die Zugstufe verstellbar ausgeführt ist.
Trotz des Leergewichts von 314 Kilogramm lässt sich die Audace vergleichsweise behände durchs Kurvenrevier dirigieren. Und auch die Bremsanlage überzeugt dank radialen Brembo-Vierkolbenfestsattelzangen, die glatt aus dem Supersport-Regal stammen könnten. Kraftvoll nehmen diese die 320er-Scheiben in die Mangel und bringen die Fuhre gut dosierbar zum Stehen. ABS sorgt dafür, dass nichts blockiert.
Weiteres sinnvolles Hilfsmittel ist die dreistufige Traktionskontrolle, die sich auch ausschalten lässt. Auf feuchtem Untergrund regelt das System ungesunde Drehmoment-Spitzen sauber weg und verhilft auch unerfahreneren Piloten zu stressfreiem Fahrgenuss. Dieser dürfte angesichts von gebunkerten 20,5 Liter Benzin für eine Weile anhalten.
Wie viele andere Modelle aus dem Piaggio-Konzern kann auch die Audace gegen Aufpreis mit einer Multimedia-Plattform ausgerüstet werden. Dann fungiert ein Smartphone via Bluetooth als Zusatzdisplay, mit dem sich zahlreiche Funktionen wie der Schräglagenwinkel auslesen und anzeigen lassen.
Für die schon jetzt beim Händler anzutreffende Audace stehen die Farben Rot und Schwarz zur Wahl. Zum österreichischen Aktionspreis von 18.999 Euro (Deutschland: 18.500 Euro) bekommt der Extrovertierte Guzzi-Fan weit mehr als nur ein Showbike, die Audace hat zu Recht einen hohen Dynamikanspruch.
Technische Daten Moto Guzzi California 1400 Audace
Straßenmotorrad mit luft-/ölgekühltem Zweizylinder-90°-V-Viertakt-Motor, vier Ventile je Zylinder, ohc, Hubraum: 1380 ccm, Bohrung x Hub: 104,0 x 81,2 mm, max. Leistung: 71 kW/96 PS bei 6.500 U/min, max. Drehmoment: 121 Nm bei 3.000 U/min, elektronische Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, Sechsgang-Getriebe, Kardanantrieb, Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, zwei Scheibenbremsen vorn, eine hinten, ABS, Reifen vorn: 130/70 R 18, hinten: 200/60 R 16, Sitzhöhe: 740 mm, Tankinhalt: 20,5 l, Leergewicht: 314 kgÖsterreich-Preis: 18.999 Euro (Deutschland: 18.500 Euro)