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Brunner: "Wir haben noch viel Arbeit vor uns"

Gustav Brunner weiß, dass auch das 2003er-Auto technisch nicht ausgereizt ist, vor der Präsentation spricht er über vergangenes und kommendes Jahr.

Als erstes Team lüftet heute Toyota in Paul Ricard das Geheimnis um das neue Auto der Formel-1-Saison 2003. Der Mann hinter dem TF103 ist Chefdesigner Gustav Brunner, ein routinierter Formel-1-Ingenieur, der bereits 1978 in der Königsklasse des Motorsports arbeitete und seitdem für Unternehmen wie Ferrari, Zakspeed, Arrows oder Minardi arbeitete. Zusammen mit den rund 550 Angestellten der Toyota Motorsport GmbH hat er dem TF103 Leben eingehaucht.

Um den neuen Boliden konkurrenzfähig zu machen, lief der firmeneigene Windkanal in zwei Schichten 16 Stunden am Tag, um aus dem "klobigen" TF102 ein aerodynamisch ausgereifteres Nachfolgemodell zu machen. Nur das Lenkrad des TF102 wird man zunächst übernehmen, ansonsten wurde beim TF103 jedes noch so kleine Detail neu entworfen und fabriziert. Und auch die Kommandozentrale der Fahrer wird dann im April ausgetauscht.

Ziele 2002 erreicht

Das Ziel für die vergangene Saison war für einen Formel-1-Neuling ein logisches: Sich für alle Rennen qualifizieren und möglichst viele Rennen beenden: "Es verlief dann viel besser als erwartet", so Teamchef Ove Andersson. "Das Ziel war es gewesen, der Formel-1-Welt zu zeigen, dass wir ernst zu nehmen sind und man uns akzeptiert. Ich denke, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Wir haben uns für jedes Rennen qualifiziert und zwei Punkte als Bonus geholt."

Diese Punkte waren "glückliche" Punkte und sie haben dafür gesorgt, dass "bis zu einem gewissen Grad die Leute zu viel wollten." Besonders der Druck aus Japan wurde größer, Andersson wurde im November als Präsident der Toyota Motorsport GmbH (TMG) abgesetzt und durch John Howett ersetzt. "Ich nehme an, dass die Leute enttäuscht mit der Leistung waren, weil wir nicht noch weitere Punkte geholt haben", so Andersson.

Ziel für 2003: Top-10-Startplätze und regelmäßig punkten

Der Schwede ist nun entlastet und kann sich ausschließlich auf seine Rolle als Formel-1-Teamchef konzentrieren. In der kommenden Saison will man mehr erreichen als in der Debütsaison: "Mit einem stärkeren Chassis und der neuen Motorenspezifikation erwarte ich uns kommende Saison in einer stärkeren Position. Realistisch gesehen sollten wir in jedem Rennen aus der Top 10 starten und beginnen, regelmäßiger in die Punkte zu fahren."

Ein Vorteil fällt für Toyota weg

Doch Ex-Toyota-Fahrer Mika Salo spricht ein wichtiges Detail an: "Wir hatten einen guten Start in die Saison, weil wir gut vorbereitet waren, danach ging es rauf und runter." Im vorletzten Jahr war Toyota noch nicht in die Formel 1 eingetreten, man konnte auch im November testen, so viel man wollte. Nun jedoch muss man sich an die Testbeschränkungen halten, wie jedes andere Team auch. Die logische Konsequenz: Ein Vorteil gegenüber den anderen Mannschaften fällt weg.

Es könnte also durchaus sein, dass Toyota plötzlich mit ungewohnten Problemen zu kämpfen hat. Mika Salo erlebte in der vergangenen Saison am eigenen Leib, dass japanische Autos nicht zwangsläufig immer zuverlässig sein müssen: "Wir hatten in der Mitte der Saison rund fünf Rennen, in denen die Zuverlässigkeit ärmlich war. Aber das Team hat daraus gelernt und wir waren dann ziemlich konkurrenzfähig bei Rennen wie Spa und Monza, wo wir hätten Punkte holen sollen."

Keine peinlichen Schlappen

Damit die vielen neuen Ingenieure lernen konnten, wie in der Formel 1 gearbeitet werden muss, konstruierte Chefdesigner Gustav Brunner für 2002 absichtlich ein sehr konservatives Auto – das Konzept ging auf: "Wenn ich zurückschaue, so bin ich sehr stolz auf die Saison", so der Österreicher. "Wir haben uns selbst keine peinliche Schlappe geleistet und besser gearbeitet, als wir uns das jemals ausgemahlt hatten."

Wie die kommende Saison laufen wird, das kann Brunner noch nicht absehen: "Wir sind zwar jetzt besser als vor einem Jahr, aber gemessen am Stand der Formel 1 haben wir noch viel Arbeit vor uns", erklärt Brunner der 'motorsport aktuell'. "Wir haben jetzt etwas mehr Risiko eingebaut. Alles ist mehr an der Grenze, aber wir sind immer noch sehr vorsichtig. Wir haben Sicherheitsreserven eingebaut. Alles ist mehr an der Grenze, aber wir sind immer noch sehr vorsichtig."

Wo waren die Fehler?

Für Teammanager Ange Pasquali stand in der vergangenen Saison vor allem die Arbeit des Teams im Vordergrund und mit ihr war er zufrieden: "Ich kann mich nicht an einen einzigen Fehler des Teams erinnern und das ist ein unglaublich gutes Gefühl! Wir stießen nie auf eine Situation, in der wir dachten 'Verdammt, wie konnten wir daran nur nicht denken?'. Was hinter den Kulissen von jedem im Team geleistet wurde, ist schwierig zu erklären. Die Leute, die man beim Rennen sieht, sind ja nur die Spitze des Eisberges."

Chassis als Schwachpunkt

Ganz zufrieden ist Pasquali mit der Saison aber dennoch nicht. Man müsse "jedes Detail" verbessern, dazu zählen auch die Boxenstopps: "Wir waren in Sachen Motor in diesem Jahr gut und weniger gut mit dem Chassis, aber wir wissen, dass die Ingenieure hart daran arbeiten und im Moment ziemlich optimistisch sind." Nur am 25. und 26. Dezember blieb die Toyota-Fabrik geschlossen, ansonsten wurde mit der halben Belegschaft an jedem Tag gearbeitet.

Gustav Brunner erwartet, dass man genau hier die größten Verbesserungen machen konnte: "Wir haben in der Aerodynamik die größten Fortschritte gemacht. Der Windkanal funktioniert einigermaßen. Vor einem Jahr war er nicht existent." Dennoch sei man noch weit davon entfernt, einen perfekt funktionierenden Windkanal zu haben: "Das dauert weitere sechs Monate. Perfekt wird der Kanal erst für das 2007er-Auto sein."

Da die Autos heute alle praktisch gleich aussehen, kommt die unterschiedliche Leistung durch die Forschung auf anderen Gebieten zustande, wie Brunner erläutert, wie zum Beispiel die Bereiche um die Reifen oder die Bremsscheiben: "Ich glaube, Adrian Newey beheizt sogar die Bremsscheiben im Windkanal, um genaue Ergebnisse zu erhalten. Denn ob die heiß oder kalt sind, macht schon einen Unterschied aus."

Motor als Geheimwaffe

Für Motorenchef Norbert Kreyer war das Rennen in Magny-Cours der schwärzeste Moment des vergangenen Jahres, als man beide Autos mit einem Motorschaden verlor: "Ansonsten waren wir von der Motorenabteilung mit der Saison ziemlich zufrieden. Die letzten vier Rennen von Spa bis Suzuka waren aus Sicht der Motoren sehr gut und wir zeigten in Spa und Monza starke Leistungen."

Dass die Japaner in der kommenden Saison aggressiver zu Werke gehen wollen, zeigt die Tatsache, dass man in der kommenden Saison einen Qualifying-Motor einsetzen möchte, auf den man im letzten Jahr verständlicherweise noch verzichtet hatte. Und auch der Rennmotor wird verbessert: "Der RVX-03 wird viel leichter sein und über einen niedrigeren Schwerpunkt verfügen", erklärt Kreyer. "Und schlussendlich werden wir auch mehr PS haben."

Laut Brunner wird der Motor allerdings prinzipiell überbewertet: "Ob du 850 oder 950 PS hast, ändert an der Rundenzeit nur ganz wenig. Die Top-Leistung kannst du nur am Ende der Geraden für einen kurzen Moment ausspielen. In allen langsamen Bereich kannst du das nicht, weil das Auto die Bodenhaftung dafür gar nicht hat. Für das Gewinnen ist der Grip des Chassis entscheidend, nicht die Motorleistung."

Zu viel Optimismus ist unangebracht

Ob Toyota alle Vorhaben in die Tat umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Über den Winter sind die Hoffnungen aller Beteiligten groß. Nicht nur Toyota will einen großen Schritt nach vorne machen. Sauber möchte Renault wieder den vierten Platz streitig machen, Renault plant den Angriff auf die Top-Teams. Jaguar will einen großen Schritt nach vorne machen, bei Jordan soll der Cosworth-Motor verbunden mit einem neuen Autokonzept ebenso zum Sprung nach vorne helfen wie der Ex-Williams-Aerodynamiker Geoff Willis als Designer des BAR.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das zweite Jahr in der Formel 1 fast immer das schwierigste ist. Dass Toyota aus diesem Grund nicht nur ein komplett neues Auto und neuen Motor baut, sondern mit Olivier Panis und Cristiano da Matta auch noch zwei neue Fahrer - da Matta ist sogar ein Formel-1-Neuling - verpflichtet, zeigt den Mut, den man in Köln und Japan an den Tag legt. Ob das Team die harte Realität der Formel 1 einholt oder nicht, bleibt abzuwarten.

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