Formel 1: News | 10.12.2004
Red Bull Racing: Jugend oder Erfahrung?
Red-Bull-Boss Mateschitz tendiert „leicht zu einem erfahrenen Fahrer“, kann sich Klien und Liuzzi alternierend neben Coulthard vorstellen.
Was zuvor schon Red-Bull-Motorsportleiter Helmut Marko angedeutet hatte, wurde nun vom Boss höchstpersönlich bestätigt. In einem Interview mit der Kleinen Zeitung erklärte Dietrich Mateschitz zur Fahrerfrage in seinem Team: „Es gibt zwei Philosophien. Beide haben viel für sich, beide haben einiges gegen sich. Die eine Philosophie heißt, wir machen ein Rookie-Team, wir setzen zwei Youngsters hinein. Das wäre auch marketingmäßig für Red Bull das Beste. Würde heißen, Christian Klien, Vitantonio Liuzzi, wer auch immer. Und dann gibt es die andere Philosophie, die alle Teams verfolgen: Einen Rookie und einen erfahrenen Piloten.“
Der angesprochene erfahrene Pilot heißt David Coulthard, der bei seinem Test in Jerez, wie es scheint, das Team beeindrucken konnte. Wenngleich die Rundenzeiten keinerlei Aussagekraft haben, da Coulthard und die beiden Rookies Klien und Liuzzi stets in unterschiedlichen Fahrzeugen saßen. Coulthard steuerte den Jaguar R5 nach altem Reglement, die beiden Rookies den langsameren Übergangswagen mit 2005er-Aerodynamik.
David Coulthard darf sich jedenfalls Hoffnungen machen, denn Dietrich Mateschitz erklärte, dass man „im Moment leicht zur Philosophie mit einem erfahrenen Fahrer“ tendiere. Zusatz: „Ist wahrscheinlich auch klüger. Es geht darum, sofort das Auto fürs Jahr 2006 aufzubauen.“
Für die beiden Rookies hat Mateschitz tröstende Worte auf Lager - ob diese den beiden Youngstars schmecken werden, sei dahingestellt: „Aber es gibt ja den Freitags-Fahrer, da könnten sich zwei Junge ums Cockpit rivalisieren. Die zwei, drei, die in Frage kommen, sind so jung. Wenn da einer eine halbe Saison aussetzt oder noch warten muss, das tut seiner Karriere keinen Abbruch.“
Mateschitz: „Coulthard und dazu alternierend Klien/Liuzzi wäre denkbar!“
Auf die Frage, ob ein Fixstarter David Coulthard und im zweiten Auto alternierend Klien und Liuzzi eine Lösung für die kommende Saison darstellen könnte, antwortet Mateschitz: „Wäre denkbar. Man müsste sich halt anschauen, wie so ein Engagement und die Abgrenzung der beiden ausschauen könnten.“ Christian Klien kommt zumindest für den dritten Wagen an den Grand Prix-Freitagen nicht als Fahrer in Frage, da er in den letzten zwei Jahren mehr als sechs Grand Prix absolviert hat.
Für den Vorarlberger heißt es also immer noch abwarten - die Chance, die ihm Dietrich Mateschitz unlängst zugesprochen hatte, scheint also noch nicht fix zu sein. Die Salzburger Nachrichten wollen am Rande der Jerez-Tests gar vernommen haben, dass Red Bull zurzeit eher zu einem Engagement von Vitantonio Liuzzi tendiere.
Coulthard: „Ich weiß, was es braucht um einen Grand Prix zu gewinnen!“
Wie auch immer - für David Coulthard sind es erfreuliche Worte, die der Red-Bull-Boss hier ausgesprochen hat. Gegenüber Autosport hat der 13fache Grand-Prix-Sieger noch mal kräftig die Karte der Erfahrung ausgespielt: „Ich will hier kein Lobbying betreiben, aber ich weiß, was ich einbringen kann. Ich weiß, was es braucht, um einen Grand Prix zu gewinnen. Ich weiß, was es bedeutet, in einem Auto zu sitzen, mit dem man die Weltmeisterschaft gewinnen kann.“
Für David Coulthard ist Red Bull de facto die letzte Chance auf ein Grand-Prix-Cockpit. Nach beinahe einem Jahrzehnt im Spitzenteam McLaren-Mercedes, wo er meist von seinen finnischen Stallkollegen in den Schatten gestellt wurde, muss der schottische Gentleman um seine Formel-1-Karriere bangen. Zudem hat Coulthard von den Ergebnissen her eine eindeutig absteigende Form zu beklagen, seit 2003 muss er sich zudem mit einer Schwäche im Einzelrunden-Qualifying herumschlagen.
Ohne Red Bull bliebe Coulthard wohl nur mehr die ungeliebte Rolle als Testpilot, als Freitagsfahrer kommt auch er regelbedingt nicht in Frage. Coulthard streut dem Red-Bull-Team vorsorglich Rosen: „Da sind ein Haufen guter und höchst motivierter Leute hier, die das Team gerettet haben. Es war großartig, wieder einen Grand-Prix-Boliden zu fahren. Und ich bin beeindruckt von dem sehr realistischen Zugang, den Dietrich Mateschitz zu seinem neuen Projekt hat.“
Klien: “Coulthards Erfahrung wäre gut für das Team. Ich kann viel von ihm lernen!“
Rosen hat David Coulthard jedoch nicht nur gestreut, er erhielt auch welche - und zwar von Christian Klien. Der Hohenemser erklärte: „Die Dinge sehen gut für mich aus, aber es ist bislang noch nichts unterschrieben worden. Aber sollte ich dabei sein, und David würde ebenfalls engagiert werden, wäre das wirklich gut, denn er verfügt über so viel Erfahrung. Das ist etwas, das wir unbedingt brauchen, und ich kann so viel von David lernen.“
Der erfahrungshungrige Christian Klien wird am Freitag gemeinsam mit dem Schweizer Neel Jani die Red-Bull-Tests fortführen. Jani gilt als ein Kandidat für eine Testpilotenrolle. Im Vergleich zu Vitantonio Liuzzi hat sich Klien an den zwei Testtagen in Jerez gut gehalten. Die beiden steuerten den Übergangswagen. Am ersten Tag war Klien um acht Zehntelsekunden schneller, drehte jedoch rund zwanzig Runden mehr als der Italiener. Am zweiten Tag war Klien nach 29 Runden um eine Zehntelsekunde schneller als Liuzzi nach 64 Runden. Zwar fuhren beide das gleiche Wagenmodell, aber auch hier sind die Rundenzeiten mit Vorsicht zu genießen, zu unterschiedlich sind die jeweils zu absolvierenden Testprogramme.
Mateschitz: „Entscheidung erst nächste Woche!“
David Coulthard wollte zu seinen zwei Testtagen nur so viel sagen: „Ich bin zufrieden damit, wie diese beiden Tage liefen. Aber was nun passieren wird, kann ich nicht sagen, bis zum neuen Jahr ist nichts geplant. Im Moment kann ich dazu nicht viel mehr sagen.“ F1Racing verriet er immerhin, dass es ein kleines Komfort-Problem bei der Anpassung der Sitzschale gab. Ansonsten sei es „zu früh, um irgendetwas über den R5 sagen zu können“. Teamintern war man gespannt darauf, wie Coulthard den R5 im Vergleich zu seinem McLaren MP4/19 einschätzte. Neben seiner Erfahrung wird Coulthard bei der Fahrer-Entscheidung des Red-Bull-Racing-Teams wohl auch sein Insider-Wissen in punkto McLaren-Mercedes zugute kommen.
Dietrich Mateschitz hat in dem erwähnten Interview mit der Kleinen Zeitung erklärt, eine Entscheidung in der Fahrerfrage falle „erst nächste Woche“ - das wäre früher als allgemein erwartet. Der Red-Bull-Boss hat in seiner neu gegründeten Tochtergesellschaft „Red Bull Racing Limited“ in jedem Fall einen prominenten und kompetenten Beraterstab an seiner Seite: „Es gibt in Österreich drei Leute mit einem unglaublichen Motorsport-Know-How. Das sind der Gerhard Berger, der Niki Lauda und der Helmut Marko. Alle drei sind Freunde von mir. Die drei werden mir persönlich auf freundschaftlicher Basis mit ihrem Know-how zur Verfügung stehen.“ Aber: „Das entbindet uns aber nicht von der Verantwortung der Entscheidung.“ Dieser fiebern nun David Coulthard, Christian Klien sowie Vitantonio Liuzzi entgegen.