Formel 1-WM: News | 03.02.2004
We could be heroes, just for one day...
Max Mosley sagt: „Wir brauchen Rebellen!“ Villeneuves Abgang sei ein „großer Verlust“, Coulthard hingegen sei „einfach zu nett“...
Michael Noir Trawniczek
„Dann sind wir Helden, für einen Tag...“, sang der britische Popsänger David Bowie vor mehr als zwei Jahrzehnten in seinem sympathisch-brüchigem Deutsch. Der exzentrische Bowie schlüpfte damals in verschiedene Rollen. Die chamäleonartig wechselnden Fantasiefiguren wie Ziggy Stardust, der Thin White Duke oder der Young American im Frank Sinatra-Look dienten dem sensiblen Meister als eine Art Seelen-Paravant. 2001 kündigte Bowie seiner Plattenfirma, einem Tonträgergiganten, weil er die „Wichtigtuer“ und die „grauenhaft langsame Art, wie dort die Dinge erledigt wurden“ nicht mehr aushielt. Er gründete eine eigene kleine Plattenfirma und nützte früh das Internet als Präsentationsmedium...
Was das alles mit Max Mosley und Jacques Villeneuve zu tun hat? Nun, es gibt Parallelen. Jacques Villeneuve stülpte sich zwar keine Fantasiefiguren über, aber er veränderte wie David Bowie stets seinen Look. Und er wechselte vom Giganten Williams zu dem von ihm mitgegründeten British American Racing-Rennstall. Bowie und Villeneuve sind Leute, die sagen, was sie denken.
Der Unterschied: Während Bowie heute seine Firma als „kleine, mobile Einheit“ lobt, wurde JV bei B•A•R entmachtet und letztlich von David Richards ausgebootet. Und um Max Mosley ins Spiel zu bringen - der FIA-Präsident erklärte nun gegenüber Reuters: „Ich denke, Jacques Villeneuve ist ein großer Verlust für die Formel 1, denn er war eine exzentrische Figur im Fahrerlager und wir brauchen ein paar exzentrische Figuren.“ Das Problem dabei: Man kann exzentrische Figuren nicht einfach einkaufen oder mit langen Briefen herbeischreiben...
Wie auch Bernie Ecclestone sehnt sich Max Mosley nach Rebellen: „Jacques Villeneuve hatte eine interessante Sicht der Dinge. Man mag nicht immer seiner Meinung gewesen sein, aber er hatte Interessantes zu erzählen. Man braucht Rebellen. Sie können ein Quälgeist sein, aber man braucht sie. Sie sind Hefe im Brot. Jacques hatte eine Vielzahl von guten Eigenschaften.“
Gute, eigentlich schon wieder zu gute Eigenschaften entdeckt der FIA-Präsident auch an David Coulthard. Mosley sagt: „David ist einfach zu nett. Aber er verfügt sicher über Talent. Doch er hat sich selbst niemals wirklich auf Touren gebracht. Diese Dinge sind alle im Kopf zuhause. Er hat alle Fähigkeiten um erfolgreich zu sein, aber es dürfte jetzt der Zeitpunkt in seiner Karriere gekommen sein, an dem David einfach anfangen muss, gute Leistungen zu erbringen.“
Absurd: Der mit 13 Siegen faktisch zweiterfolgreichste Pilot im aktuellen GP-Feld hat alles andere als ein Sieger-Image. Coulthard gilt einfach nur als „netter Typ“. Das könnte sich aber ändern, wie Mosley prophezeit: „Wenn man beginnt, zu siegen, ändert das auch deinen Charakter. Ich bin mir sicher, dass dies auch mit David passieren würde, sollte er nun durchstarten. Nigel Mansell oder Damon Hill waren auch gute Charaktere. Wenn David Coulthard Weltmeister wird, dann wird sich auch sein Image wandeln.“
Doch die Hoffnung, dass aus David Coulthard irgendwann ein exzentrischer Rebell werden könnte, ist realistisch betrachtet gering. Sowohl Mosley als auch Ecclestone wünschen sich rebellische Exzentriker in der obersten Automobilsportklasse. Nur: Wo sind die Rebellen der Zukunft?
Die Frage wird auch sein: Wie sollen exzentrische Rebellen ihren Weg in die Königsklasse finden, wenn dort dem Piloten bereits mächtiger Stunk droht, wenn er einmal beim Interview auf das Tragen seiner Sponsorkappe vergisst? Wie soll das funktionieren, wenn jedes Statement vorher mit dem Pressesprecher abgestimmt werden muss? Wie soll das funktionieren, wenn beispielsweise ein Christian Klien, der in einem Radiointerview nebenbei erwähnt, ihm persönlich sei Michael Schumacher ein wenig zu arrogant, sofort von allen Seiten beanstandet wird?
Mosley selbst hat noch vor einem Jahr im Zuge der leidigen Diskussion um das Nackenschutzsystem HANS erklärt: „Die Fahrer sind ersetzbar. Wer HANS nicht trägt, wird ausgetauscht.“ Wahre Stars lassen so nicht mit sich umgehen, denn immer noch sind es die Piloten, die in den Autos sitzen und für die Action sorgen. Ein Jacques Villeneuve hat beispielsweise niemals aufgehört, die profillosen Slicks zurückzuwünschen, viele Piloten wollen das, weil sie daran glauben, dass dies in Verbindung mit einer Aerodynamik-Reduktion das Überholen wieder leichter machen würde. Hat Mosley auf Villeneuve gehört?
Hat er nicht, vielmehr hat er sich in punkto Regelwerk mehrfach von den Herstellern „überzeugen lassen“. Die Automobilgiganten wiederum suchen keine Rebellen, sondern unkomplizierte, drahtige und schnelle Fahrer, die zugleich auch von ihrem Image her dabei helfen, den Verkauf von Familienkutschen anzukurbeln. Und da sind Leute, die jeden Tag eine andere Haarfarbe tragen, wenig brauchbar. Da sind nette Menschen wie David Coulthard gefragt...